Religion & Orientierung


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Jüdisches Leben in Bayern Pogrome im Mittelalter

Seit den Kreuzzügen wurde blanker Hass gegen Juden gepredigt, der schließlich in die Pogrome mündete. Um die Übergriffe zu rechtfertigen, griff man immer wieder auf dieselben Denunzierungsmuster zurück: Ritualmord, Hostienschändung, Brunnenvergiftung.

Stand: 03.01.2021 | Archiv

Papst Urban II. ruft zum ersten Kreuzzug auf | Bild: picture-alliance/dpa

Den Vorwurf, sie seien unmittelbar Schuld an Christus' Tod, mussten sich Juden schon seit der Antike anhören. Dennoch gelang jahrhundertelang ein relativ ruhiges Nebeneinander zwischen Juden und Christen - im Vergleich zu dem, was ab dem Hochmittelalter folgte. In dieser Epoche ist eine wachsende Rigidität der christlichen Kirche zu beobachten, die auf eine strenge Abtrennung und Entrechtung der Juden drang.

Seit den Kreuzzügen wurde dann blanker Hass gepredigt, der schließlich in die Pogrome mündete: schon während des ersten Kreuzzugs 1096 auch in Regensburg, Aschaffenburg und Würzburg. In Regensburg ermordete man damals viele Juden, den Rest "bekehrte" man gewaltsam. Fortan gingen immer wieder ganze Judenviertel in Flammen auf, Zigtausende mussten ihr Leben lassen.

Legende von den Hostienschändern und Brunnenvergiftern

Um die Übergriffe zu rechtfertigen, griff man immer wieder auf dieselben Denunzierungsmuster zurück: Ritualmord, Hostienschändung, Brunnenvergiftung. Aus der Gerüchteküche brodelte: Juden bringen christliche Kinder um, weil deren Blut zu Ritualzwecken gebraucht werde. Juden zerstechen Hostien, also den "Leib des Herrn".

Stichwort: Pogrom

Pogrome sind Massenausschreitungen gegen Mitglieder religiöser, nationaler oder ethnischer Minderheiten - mit Mord und Plünderung verbunden. Der Begriff stammt aus dem Russischen und bedeutet Verwüstung. Auch im zaristischen Russland kam es regelmäßig zu Pogromen gegen Juden.

Juden vergiften Brunnenwasser, womit man auch für die Verbreitung der Pest die Schuldigen gefunden zu haben glaubte. Die Absurdität dieser Vorwürfe ist offenkundig. Aber wie unsinnig zum Beispiel der des Ritualmords war, zeigt allein schon die Tatsache, dass das Religionsgesetz Juden den Genuss von Blut streng verbietet.

Rintfleischs Massenmord

"Rintfleisch"-Pogrom

All diese Vorwürfe stachelten den Mob immer wieder zu Pogromen an. Zu trauriger Berühmtheit gelangten 1298 die von einem Ritter namens Rintfleisch angezettelten Ausschreitungen in Franken wegen eines angeblichen Hostienfrevels. Der verarmte Adelige wütete dort praktisch gegen sämtliche Juden. 4.000 bis 5.000 von ihnen wurden dabei von den aufgehetzten Massen erschlagen oder bei lebendigem Leib verbrannt.

Christlicher Hassprediger

Einmal losgelassen, war der Mob beim Morden und Sengen in der Regel kaum zu bremsen. Rühmliche Ausnahme war Regensburg, dessen Rat und Patriziat bei den bayerischen "Pest"-Pogromen von 1349 fliehenden Juden Schutz gewährten. Die Stadt bot damals Asyl für Vertriebene aus Augsburg, Nürnberg und Wien. Allerdings war es mit der Regensburger Toleranz 1519 schon wieder vorbei, als man dort die letzte große Judengemeinde in Deutschland vernichtete.

Große Pogrome in Bayern
JahrEreignis
1096in Regensburg, Aschaffenburg, Würzburg anlässlich des ersten Kreuzzugs
1285in München wegen "Ritualmord" (67 Tote)
1298in Franken wegen "Hostienschändung" (4.000 bis 5.000 Tote)
1336-38in 65 Gemeinden in Franken, Schwaben und Altbayern
1348-49in 400 Gemeinden wegen "Brunnenvergiftung" während der Pest
1478in Passau wegen "Hostienschändung"
1560-64in den markgräflichen Landen anlässlich Judenausweisungen

Abwanderung nach Osten

Kaiser Heinrich IV. (1050-1106) distanzierte sich noch von den Pogromen, aber späteren Herrschern waren sie durchaus willkommen - erloschen doch durch die Ermordung jüdischer Gläubiger auch deren Schuldforderungen. Das Judenschutzregal des Kaisers blieb aus. Nach der Pest von 1348/49 erteilte König Karl IV. Judenmördern sogar die Absolution. Pogrome und Pest: Für viele Juden Grund genug, aus Bayern in Richtung Osten auszuwandern. Fränkische und schwäbische Mundart lebte dort fortan als Jiddisch weiter.


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