Religion & Orientierung


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Jüdisches Leben in Bayern Regensburg - jüdische Perle des Mittelalters

Jüdisches Leben in Regensburg heißt ein Leben in Extremen: zwischen Wohlstand und Progromen, zwischen Synagoge und KZ. Unter den Nazis erlosch das jüdische Leben in Regensburg vollständig. Heute ist die jüdische Gemeinde eine der größten in Bayern.

Stand: 19.10.2021 | Archiv

Jüdisches Leben in Regensburg: Synagoge, Ghetto und Gelehrte

Regensburg war die erste jüdische Gemeinde in Bayern und im Mittelalter eine der bedeutendsten in Europa. Aus dem Jahr 981 stammt die früheste urkundliche Erwähnung eines Juden in Regensburg. In der Reichsstadt wurde im Mittelalter reger Handel getrieben, von dem auch Juden profitierten.

Regensburger Talmud-Schule | Bild: BR

Die Regensburger Talmud-Schule zog im 12. und 13. Jahrhundert viele jüdische Gelehrte an.

Mitglieder ihrer Gemeinde zogen als Pelzhändler bis nach Russland. 1250 erhielt Regensburg eine Synagoge - neben Prag und Worms eine der größten in Europa. Die Stadt war im 12. und 13. Jahrhundert eines der wichtigsten Zentren jüdischer Gelehrsamkeit. An der berühmten Talmud-Schule studierten alle großen Rabbiner der Zeit.

Erst tolerant, dann "judenfrei"

Möglicherweise war das der Grund dafür, dass Regensburg während der Pogromwellen im 13. Jahrhundert eine Insel der Toleranz bildete und seine Juden schützte. Aber im 15. Jahrhundert setzte auch dort die religiöse Verfolgung ein. So wurden 1476 siebzehn Juden angeklagt - unter dem in jener Zeit gängigen Vorwurf "Ritualmord". 1519 bereitete die Stadt der damals bedeutendsten jüdischen Gemeinde Bayerns das Ende: Man zerstörte das Ghetto, riss die Synagoge ab und wies die Juden aus der Stadt. Regensburg war für die nächsten 150 Jahre "judenfrei". Erst im 18. Jahrhundert siedelten sich in der Stadt wieder Juden an.

Die im 19. Jahrhundert gebaute Synagoge ersetzte man 1912 durch die neue in der Schäffnerstraße. Sie stand dort nur 26 Jahre: Die Nazis zerstörten sie in der Pogromnacht am 9. November 1938. Während des Zweiten Weltkriegs wurde die jüdische Gemeinde zum zweiten Mal nach 1519 ausgelöscht. Die von den Nazis propagierte "Endlösung" bedeutete für die meisten Juden die Deportation in das Durchgangslager Piaski und von dort aus weiter in die Vernichtunglager Belzec oder Auschwitz.

Offene Gemeinde

Schulklasse in der jüdischen Gemeinde Regensburg | Bild: BR

Schulklasse beim jüdischen Gemeindevorsitzenden Otto Schwerdt (verstorben 2008): Er erklärt, warum Juden eine Kopfbedeckung tragen.

Nach 1945 nahm Regensburg etwa 3.500 sogenannter Displaced Persons auf: Juden, die entweder aus dem nahe gelegenen KZ Flossenbürg befreit wurden oder aus den osteuropäischen Lagern in die bayerische US-Zone flüchteten. Die meisten davon wanderten so schnell wie möglich in die USA oder nach Israel aus, so dass Regensburg 1953 nur noch rund 400 Juden zählte.

Starker Zuwachs nach dem Mauerfall

Ende der 1980er-Jahre war die jüdische Gemeinde so stark auf einige wenige Familien zusammengeschrumpft, dass sie kurz vor dem Aus stand. Erst der Zuzug zahlreicher Juden aus Osteuropa brachte neues Leben in die Stadt. Heute umfasst die jüdische Gemeinde in Regensburg über 1.000 Mitglieder.


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