BR-Magazin-Tipp: Wissen Auf nach Utopia!
Luftschlösser, fliegende Inseln und andere ideale Welten: Eine Themenwoche von "radioWissen" über Utopien und die Frage, was davon tatsächlich wahr werden könnte
"Jedes Haus hat einen Eingang von der Straße her und eine Hintertür, die in den Garten führt. Die Türen haben zwei Flügel, lassen sich durch einen leisen Druck mit der Hand öffnen und schließen sich dann von selbst wieder, so dass ein jeder ins Haus hinein kann: so wenig ist irgendwo etwas Eigentum eines einzelnen; denn sogar die Häuser wechselt man alle zehn Jahre, und zwar verlost man sie." So stellte sich der englische Autor Thomas Morus 1516 die perfekte Gesellschaft vor. Kein Privateigentum, keine Pfründe, sondern gemeinschaftliches Leben sollte es auf der Insel Utopia geben. Er dachte sie sich für seinen gleichnamigen gesellschaftskritischen Roman aus und gab damit einem ganzen Genre einem Namen: Utopien, Geschichten von unwirklichen, idealen Orten. "radioWissen" widmet ihnen eine Themenwoche und stellt in jeder der fünf Sendungen zwei Denkansätze vor.
Un-Orte, Traumwelten, Visionen
Utopia ist ein Fantasiewort, das Thomas Morus aus dem Griechischen zusammensetze. "U-Topos" bedeutet "Un-Ort", "Eu-Topos" bedeutet "schöner Ort". Im Englischen, der Sprache von Morus und seinem Dienstherren, klingt beides identisch. Seine Insel Utopia ist wie jede Utopie ein irrealer Ort, der ein Spiegel der jeweiligen Gegenwart ist. In diesem Spiegel erkennen Leser die schlimmsten Fehler ihrer Zeit und sehen zugleich ihre sehnsüchtigsten Wünsche. Ging es in früheren Utopien oft um bürgerliche Freiheiten und neue Definitionen von Gemeinwohl, rücken in den Utopien der Gegenwart die individuelle Freiheit, die intakte Umwelt oder die perfekt technisierte, lebenswerte Stadt in den Vordergrund. Die Erzähler des 20. Jahrhunderts, etwa George Orwell mit seinem "1984", fanden eine neue Erzählform: die Dystopie, die Schreckensversion von der schlimmsten aller Welten.
Helden und Aussteiger
In der ersten Folge der "radioWissen"- Reihe geht es darum, wie und wann Geschichte enden kann. Von den Propheten des Alten Testaments ebenso wie für die Marxisten bedeutet das Ende der Geschichte dasselbe: Endlich würde Gerechtigkeit hergestellt, im Himmel oder auch auf Erden. Nicht das Leben im Jenseits, sondern das eigene irdische Leben zu optimieren war die Vision der Künstler, die um 1900 mit Nacktkultur und Barfußphilosophie neue Lebensformen suchten und auf einem Hügel in Italien eine für sie ideale Gesellschaft gründeten. Die zweite Folge widmet sich den Klassikern: Thomas Morus und dem Satiriker Jonathan Swift, der seinen Helden Gulliver auf Reisen zu diversen wundersamen Inseln schickte. Die dritte Folge analysiert verschiedene Aspekte des Utopischen als Denkform, bevor es in der vierten Folge um ökologische Utopien geht: um die künstlichen Biosphären der 90er-Jahre und die aktuelle Vorstellung von der idealen, nachhaltigen Landwirtschaft. Eine heile Umwelt ist schon nah dran an der heilen Welt, die sich alle wünschen. Die letzte Folge führt in die Stadt der Zukunft: Wie können Computer eine "Smart City" lebenswert machen und wie kann sich die Stadtgesellschaft neu und besser organisieren?