Bergführen und Klimawandel Neue Gefahren und Herausforderungen
Felsstürze, unpassierbare Gletscher, gesperrte Alpinwege oder geschlossene Hütten: Die Klima-Krise macht sich auch in den Alpen in vielfältiger Weise bemerkbar, und die Menschen müssen sich auf den Wandel einstellen - auch die, die als Alpinisten in die Berge gehen.
Und erst recht die, die als Profis dort unterwegs sind: die Bergführerinnen und Bergführer. Sie müssen mit neuen Gefahren und neuen Herausforderungen umgehen. In der Ausbildung der künftigen Guides hat sich deshalb schon einiges geändert.
Vor allem der Gletscherschwund treibt Alpinistinnen und Alpinisten immer tiefere Sorgenfalten auf die Stirn. Weil vermeintlich ewigwährendes Hochgebirgsterrain immer mehr in Bewegung kommt. Dadurch, dass die Temperaturen im Untergrund über viele Jahre gestiegen sind, verändert sich das Gelände stetig. Für Bergführer wie den Tegernseer Martin Schmidt eine echte Herausforderung, weil sie ihre Reviere bislang wie ihre Westentaschen kannten. Doch nun sind Bergrutsche, Felsstürze, Steinschlag große Themen. Bislang wurden Routen vom Permafrost wie von einem Kleber zusammengehalten. Nun ist der Permafrost an vielen Stellen aufgetaut. Zutage tritt bröseliger Fels, der sich irgendwann der Schwerkraft ergibt und nach unten fällt.
Die Berge bröckeln allerorten: Gratabbrüche am Matterhorn im Wallis, Stein-Bombardements am Piz Buin in der Silvretta, Felsstürze am Mitterkarjoch unter der Wildspitze in den Ötztaler Alpen. Auf ihren Touren müssen die Guides immer häufiger mit solchen Szenarien umgehen. Auch gilt es, den Nachwuchs für solche Situationen entsprechend zu schulen. Dafür ist Martin Schmidt als Ausbilder im Verband Deutscher Berg- und Skiführer VDBS zuständig. Für sichere Hochtouren in Eis und Fels sieht Schmidt gerne viel Schnee auf den Gletschern, damit die Spalten zugedeckt sind. Aber möglichst keinen Schnee im Fels - sonst wird es beim Klettern rutschig. Wenn Schnee und Eis gut zusammengefroren sind - perfekt! Doch das gibt es immer seltener.
Es werde gefährlicher draußen, warnt Schmidt, denn es gebe.immer heißere Sommer. Routen, die früher einfach auf einem angenehmen Trittfirn zu begehen waren, sind heute schnell Blankeis. Die Folge: Die Absturzgefahr beim Bergsteigen wächst. Deswegen müssen die angehenden Bergführer heute wieder lernen, für ihre Gäste Stufen ins Eis zu schlagen - eine Technik, die lange außer Mode war. Außerdem nimmt das Risiko zu, in Gletscherspalten zu stürzen – vor allem in schneearmen Wintern: Durch eine harte, aber nur dünne Schneeschicht bricht man auch mit Tourenski schnell ein. In warmen und nassen Sommern ist die Spaltensturzgefahr höher, weil die Schneedecke durchfeuchtet ist und nicht mehr trägt.
Die klimatischen Veränderungen machen die Winter-Saison kürzer und die sommerlichen Verhältnisse im Hochgebirge unsicherer. Deshalb wurden die Termine der Ausbildungskurse für die Aspiranten jetzt ganz neu geordnet, erklärt Schmidt. Im Sommer finden keine Kurse mehr im Hochgebirge statt, die Eingangsprüfung ist ins Frühjahr gewandert, also in den März und April. Der Hochtouren-Lehrgang und dementsprechend die staatliche Prüfung sind künftig schon für Anfang Juni geplant.
Auch im Umgang mit den Gästen ändert sich einiges. Wegen der Absturzgefahr im blanken Eis sind die Guides heute auf anspruchsvolleren Routen mit weniger Menschen am Seil unterwegs, zum Beispiel bei Parade-Touren wie der legendären Wallis-Durchquerung. Waren früher vier oder fünf Leute in einer Führerpartie die Regel, sind es heute nur drei. Der Trend geht sogar zu nur noch zwei Gästen am Seil.
Apropos Kunden: Auch diese werden wohl akzeptieren müssen, dass das Bergsteigen mit dem Klimawandel immer unberechenbarer wird. Die Führenden dürften zudem öfter mal die Notbremse ziehen, wenn eine geplante Route bei riskanten Verhältnissen gerade nicht machbar ist. Dennoch ist VDBS-Vizepräsident Michael Schott davon überzeugt, dass der Beruf des Bergführers trotz allem eine Zukunft hat. Denn kompetente Guides seien auch weiterhin gefragt – selbst, wenn das Hochtourengehen aufgrund der sich verschlechternden Bedingungen nicht mehr ganz so attraktiv bleibt. Schott sieht Perspektiven für die Führenden auch im Bergwander-Bereich in anspruchsvolleren Routen. Ansonsten ändert sich aus Sicht des altgedienten Profis – Schott geht seit mehr als 35 Jahren mit Gästen in die Berge – gar nicht so viel: Als Bergführer musste man schon immer flexibel sein, sagt er.