70 Jahre Bergsteigerredaktion Frauen am Berg und in der Sendung
70 Jahre Bergsteigersendung im BR: Im November 1948 sind wir erstmals auf Sendung gegangen und so blieb es bis heute – ein Weltrekord. Vieles hat sich verändert, und so blicken wir in einer kleinen Serie jede Woche auf ein anderes Kapitel aus der reichhaltigen Geschichte des Bergsteigerradios - diesmal auf die Frauen am Berg und in der Sendung. Denn was heute selbstverständlich erscheint, war anfangs ganz anders, und die Bergsteigersendung wurde ausschließlich von Männern gemacht.
Kleine Preisfrage aus der Lehre von der alpinen Namensgebung: Ein weibliches Wesen und ein paar Skier ergeben? Genau - ein „Skihaserl“. Es ist die häufigste Erscheinungsform von Frauen in den Berichten des Bergsteigerradios in den ersten Sendejahren in der Nachkriegszeit. Anders als in der Realität der Trümmerfrauen, die im zerstörten Nachkriegsdeutschland „ihren Mann“ stehen mussten, wird die Frau in den alpinen Berichten wieder ganz auf ihre Rolle als schmückendes Beiwerk reduziert. Beim Bergsteiger-Preisausschreiben am 20. April 1949 gewinnt Friederike Wilfling aus Waltenhofen hinter zwei Männern immerhin den dritten Preis mit ihrer Geschichte „Vom Gipfelkuss“, die im Archiv leider nicht erhalten ist.
Im ersten Jahr darf auch ein Fräulein Fischer auftreten, das sich über die fehlende „Ritterlichkeit“ des männlichen Geschlechts am Berg beklagt, das vor allem „Aschenbrödel-Dienste, Schmußen-Müssen und Kätzchen-Spielen“ erwarte. Bruno Erath, der damalige Leiter der Bergsteigersendung, gibt den deutlichen Worten immerhin ihren Platz, meint aber auch: „In den Felsen umeinanderzukraxeln ist für junge Damen nicht gerade empfehlenswert“.
Noch Jahrzehnte später erinnert sich die damals 83-jährige Barbara Passrugger im Rucksackradio, wie sie einst in Männerkleidung auf die Bischofsmütze gestiegen ist. Insofern ist es geradezu ein historischer Markstein, dass in der Jubiläumssendung zum 40jährigen Bestehen der Bergsteigerredaktion mit Gudrun Weikert die erste Bergführerin Deutschlands am Tisch zusammen mit dem Moderator und Alpinlegende Anderl Heckmair sitzt. Noch heute befinden sich unter den knapp 600 Bergführern in Deutschland gerade einmal zehn Frauen! Anders in der Bergsteigersendung: Frauen und Männer halten sich die Waage; es gibt sogar mehr Moderatorinnen als Moderatoren, und seit Ende der 80er Jahre sind Reporterinnen wie Andrea Zinnecker – 1983 die damals jüngste und erste weibliche journalistische Mitarbeiterin der Bergsteigerredaktion - auch draußen mit dem Mikrofon unterwegs.
So wie das Mikrofon übernehmen Frauen auch im Alpinismus immer häufiger die Führungsrolle und setzen neue Marksteine, zum Beispiel Gerlinde Kaltenbrunner, die erste Frau, die alle 14 Achttausender ohne künstlichen Sauerstoff erreicht hat. Via Satellit meldet sie sich 2009 mit Ralf Dujmovits aus dem Lhotse-Basislager nach ihrem 12.Achttausender. Die Beispiele zeigen, wie sehr Bergsteigen auch Gesellschafts-Geschichte ist und wie sich soziokulturelle Veränderungen am Berg und in den Berichten vom Berg widerspiegeln. Die junge Generation der Extrembergsteigerinnen wie beispielsweise die Südtirolerin Tamara Lunger setzt längst ganz eigene Akzente und muss sich nicht mehr gegen überkommene Rollenbilder behaupten.
Aspekte wie sie einst bei Anderl Heckmair angeklungen sind, dass ein weiblicher Bergführungsstil mehr auf den Menschen eingeht und mehr Rücksicht ins Führerwesen einbringt, haben längst auch die Sicherheitsforschung beschäftigt. Gruppen, in denen Frauen dabei sind, praktizieren oft ein verantwortungsvolleres Risikomanagement. In den Unfallstatistiken ist der typische Bergtote männlich und über 40 Jahre alt. Der Lernprozess der Geschlechter am Berg ist noch nicht zu Ende!