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Mittenwalder Bergheroen im Karwendelfels Wie unbekannte Erstbegeher lokale Alpingeschichte geschrieben haben

Besondere alpinistische Leistungen spielten sich früher oft im Stillen ab, dabei gibt es regelrechte lokale Klettertraditionen wie zum Beispiel in Mittenwald, wo Einheimische mit dem Karwendel vor der Haustür seit Generationen beschäftigt sind. Für uns hat sich eine Gruppe Mittenwalder Kletterer getroffen.

Von: Georg Bayerle

Stand: 31.03.2023 | Archiv

Mittenwalder Erstbegeher: Ortler Nordwand: Heini Mayr  | Bild: BR/Georg Bayerle

Manchmal gibt es ein regelrechtes Nest, in dem Alpinisten gedeihen. In Mittenwald war es der Flößerweg. Heini Mayr lebte in seinen Anfängen als Extremkletterer im Olympiajahr 1972 zwischen lauter Kletterhelden, von denen einer den anderen inspiriert hat. Den größten Eindruck hat Hias Öckler bei dem jungen Eisenbahner Heini Mayr hinterlassen, der jeden Morgen um fünf zur Arbeit aus dem Haus ging. Einmal hing der Nachbar draußen an der Hauswand am Fensterbrett. Auf die Frage, ob er einen Vogel habe, sagte der Hias, dass er sich auf die Eigernordwand vorbereitet. Dank dieser Trainingsart hat es dann auch geklappt mit der Eigernordwand.

Hias Öckler in der Linderspitze Himmelskante

Der spätere Alpenvereinsausbilder und Skilehrer Hias Öckler war damals freilich schon ortsbekannt: Mit gerade mal 18 Jahren hat er sich 1959 mit seinem Kletterpartner in 45 Stunden durch die gut 200 Meter hohe, überhängende Nordwand der Viererspitze geplagt. Gebannt verfolgten die Menschen in Mittenwald mit Ferngläsern das Ereignis. Damals waren die Abenteuer vor der eigenen Haustür aber nicht nur Ortsgespräch - das Ereignis schaffte es sogar auf die Titelseite der Abendzeitung noch vor dem München-Besuch des damaligen Bundeskanzlers Konrad Adenauer.

Heute genießt Hias Öckler im 82. Lebensjahr seine Erinnerungen jeden Morgen. Der erste Blick geht aus dem Schlafzimmerfenster hinauf zur Vierer-Nordwand, in der er es dann insgesamt auf 10 Erstbegehungen gebracht hat. So reihen sich abenteuerliche, großartige und verwegene Erstbegehungen wie Perlen einer Kette in der Mittenwalder Alpingeschichte aneinander. Von Bergpersönlichkeiten, die kein großes Aufhebens darum gemacht haben, die aber immer wieder magnetisch angezogen wurden von der Felsmauer des Karwendels, die direkt über ihren Köpfen so unvergleichlich wuchtig in den Himmel ragt.

Vierer Nordwand: Peter Hornsteiner und Roland Sandner

Es waren die Vorbilder und die Nähe der Felswände, die fast zwangsläufig Kletterer hervorgebracht haben, so wie den früheren Hüttenwirt Bernhard Kriner. Er war 15, als er ein Kletterseil geschenkt bekam, das er natürlich postwendend ausprobiert hat. Von den Älteren wie Heini Mayr wurde er dann einfach mal mitgenommen. In der Folge hat er es bis zum Bergführer gebracht mit Erstbegehungen in hohen Schwierigkeitsgraden vor allem am Gerber. So ist die Leidenschaft übergesprungen. Ein weiteres Moment waren die Gemeinschaftsbergfahrten - alle zusammen in einem Bus, ganz anders als heute, weil, so bedauert Heini Mayr, Ältere und Jüngere kaum mehr zusammenkommen.

Damals haben sich immer Seilschaften zusammengefunden, auch ohne große Vorplanung, erzählt Peter Hornsteiner. Der Kaufmann war erst 16 Jahre alt, als er sich heimlich den Traum vom ersten Dreitausender im Ötztal erfüllt hat. Mit Hausarbeit musste er sich die Leihe von Papas Fahrrad verdienen, dann ging es nur mit Rücktrittbremse hinunter ins Inntal, hinauf ins Ötztal und abends wieder zurück. Wo er denn gewesen sei, habe die Mutter gefragt? Das kennst du eh nicht, war die knappe Antwort. Wie die anderen hat er nicht viel Aufhebens gemacht aus seinen Touren. Man sieht und spürt es diesem alten Bergsteiger genauso wie den anderen an, wie sehr sie von ihren Touren erfüllt wurden. Mit ihrer Abenteuerlust, Hingabe und Zufriedenheit im Einfachen gibt das aus heutiger Sicht durchaus zu denken!

Christian Rathmann von der Alpenvereinssektion Mittenwald hat all die Klettergeschichten der Einheimischen gesammelt und in einem mittlerweile vergriffenen Buch aufgeschrieben, damit dieses besondere Kapitel einer lokalen Alpingeschichte nicht vergessen wird. Denn dieses magische Gefühl der Berge liegt hier tatsächlich greifbar vor der Haustür - und es wächst mit den Hindernissen, die wir auf dem Weg überwinden, mit all den Gefühlen der Größe, Wucht, Unsicherheit und Kraft. Um all dem noch einen besonderen Ausdruck zu geben, packt Alois Lösl die Ziach aus und nimmt die Runde der Mittenwalder „Bergheroen“ und Erstbegeher nach all den Erzählungen mit zu einem Hochgefühl per Klangwolke.


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