25 Grad und eine vorgezogene Löwenzahnblüte waren kurz nach Ostern auf dem Velo-Pendant zur Schwäbischen Bäderstraße nicht zu erwarten. Im Zuge der Marketingkooperation zu besagter Straße wurde 2010 der Schwäbische Bäderradweg ausgeschildert. Seit 2023 gibt es diesen Weg allerdings offiziell nicht mehr, denn die neun teilnehmenden Kurorte zwischen Überlingen am Bodensee und Bad Wörishofen im Allgäu haben sich im Tourismusmarketing neu aufgestellt und daher die Schwäbische Bäderstraße in den „wohlverdienten Ruhestand verabschiedet“. In diesem Zuge wurde auch das Projekt „Bäderradweg“ eingestellt und die Beschilderung abgebaut. Auf den einschlägigen Portalen im Internet findet sich die Route aber weiterhin. Wir orientieren uns an den fünf Etappen, allerdings in umgekehrter Richtung, vom Allgäu zum Bodensee.

Aus einer Zeit vor dem E-Bike

Überbleibsel der Radweg-Beschilderung

Die Routenführung empfinden wir als äußerst angenehm. Sie folgt nicht dem direkten Weg zwischen zwei Orten, sondern passt sich geschickt der Topografie der Landschaft an. Längere Steigungen werden weitestgehend vermieden, stattdessen wird viel am Talgrund oder entlang von Wasserläufen gefahren - wahrscheinlich weil der Bäderradweg zu einer Zeit entstand, als nur wenige Fährräder mit einem Elektromotor ausgerüstet waren. Aber auch die Auswahl der Strecke gefällt uns, verläuft der Weg doch überwiegend auf ruhigen Nebenstraßen sowie Feld- und Radwegen. Rennradfahrer werden hier tendenziell nicht glücklich werden, denn ein Teil des Weges ist Schotterpiste. Daher sind Trekkingräder oder Gravelbikes die bessere Wahl auf dem Bäderradweg.

Naturgenuss für Moor- und Vogelfreunde

Stillleben am Stadtsee in Bad Waldsee

Das Thema Wasser spiegelt sich entlang des Radwegs aber nicht nur in den Thermalbädern wider, die fast jeder Ort am Radweg zu bieten hat. Gleich zwei Moorgebiete von europäischem Rang liegen direkt am Weg: Das Wurzacher Ried gilt als das größte zusammenhängende, noch intakte Hochmoor in Mitteleuropa. In der Stadt gibt es zudem eine informative Ausstellung rund um das Thema Moor. Einige Kilometer nord-westlich, bei Bad Buchau, kommen Vogelbeobachter dann auf ihre Kosten. In den Federsee, einem ökologisch nicht weniger wertvollen Gebiet, führt ein 1,5 km langer Holz-Steg. Auf diesem tummeln sich die Ornithologen und versuchen mit ihren riesigen Objektiven seltene Vögel abzulichten.

Bad Buchau und die Familie Einstein

Der jüdische Friedhof in Bad Buchau

Aber auch kulturell hat Bad Buchau einiges zu bieten. Das kleine Städtchen mit nicht einmal 5000 Einwohnern war freie Reichsstadt und hatte deswegen eine große jüdische Gemeinde. Um die Bewahrung der Spuren dieser Gemeinde hat sich Charlotte Meyenberger verdient gemacht. Sie betreibt einen kleinen Gedenkraum im Stadtzentrum und erklärt den Besuchern bereitwillig die Familiengeschichte berühmter Buchauer. Wie die des wohl bekanntesten Physikers der Welt: der Vater von Albert Einstein, Hermann Einstein, wurde 1847 in Bad Buchau geboren. Später zog er nach Ulm, wo dann Albert geboren wurde. Auf dem noch heute existierenden jüdischen Friedhof, dem „Guten Ort“ wie ihn die Juden nennen, findet man den Namen Einstein auf etlichen Gräbern. Denn „die Einsteins haben das ‚seid fruchtbar und vermehret euch‘ sehr ernst genommen“, wie Charlotte schmunzelnd erzählt. Geöffnet ist ihr Gedenkraum von April bis Oktober immer an Sonn- und Feiertagen von 14 bis 16 Uhr.

Störche auf dem Zebrastreifen

Der letzte Kurort, bevor der Radweg zum Bodensee hinabführt, ist Bad Saulgau mit seinen vielen restaurierten Fachwerkhäusern. Auffällig ist, wie viele Störche hier zu sehen sind. Über 90 sollen es laut den Einheimischen zuletzt gewesen sein. Sie brüten auf beinahe jedem Dach und finden in den umliegenden Wiesen und Mooren genug Nahrung, um mehrere Jungvögel im Jahr groß zu ziehen. Dass die Weißstörche sich sichtlich wohl fühlen und selbstbewusst über die Zebrastreifen stolzieren, erzählen die Einheimischen mit einer Mischung aus Belustigung und nicht ganz ernst gemeinter Empörung.

Urlaub am See zum Abschluss

Endlich am See angekommen

Endlich am Bodensee angekommen hat man eine überwältigende Auswahl an Optionen, den Urlaub zu verlängern: Auf dem beliebten und stark frequentierten Bodensee-Radweg lässt sich der See umrunden. Wenn das Sitzfleisch eine Pause braucht, ist die Blumeninsel Mainau nur eine kurze Schifffahrt entfernt. Und an den weltberühmten Pfahlbauten in Uhldingen führt der Weg direkt vorbei. Wem der Sinn zum Abschluss noch einmal nach Wellness steht, sollte nach Überlingen, denn die Therme in Meersburg ist noch bis 2025 wegen Renovierung geschlossen. Und die weniger Glücklichen, die nicht länger frei haben, können den Rückweg zum Ausgangspunkt bequem mit dem Schiff und / oder dem Zug bewerkstelligen.

Hinweis: da der Weg nicht mehr offiziell gepflegt wird, sollte man sich vorab über eventuelle Umleitungen oder Routensperrungen informieren.