Erfolgreicher Wiederaufbau durch die Nepalhilfe Beilngries Erdbebensichere Schulen für Nepal
Auf der Liste der weltweiten Wirtschaftskraft der Länder belegt Nepal Platz 160 von 190 Ländern, in direkter Nachbarschaft mit afrikanischen Ländern wie Äthiopien oder Uganda. Was für ein Widerspruch: Das Land mit den gewaltigsten Bergen und den teuersten Expeditionen findet sich im Armenhaus dieser Erde wieder.
Wer in Nepal unterwegs ist, das Panorama genießt und die herzliche Freundlichkeit der Gastgeber, der spürt meistens auch diesen Widerspruch zwischen den Postkartenmotiven und der Lebensrealität vieler Menschen.
So ging es vor über drei Jahrzehnten auch vier Polizisten aus Beilngries auf Trekkingtour. Während sich viele Menschen Gedanken machen über dieses soziale Gefälle und oft auch etwas Geld spenden, haben die vier Bayern ihre Gedanken Gedanken in die Tat umgesetzt und vor genau 30 Jahren die „Nepalhilfe Beilngries“ gegründet, die bis heute 27 Schulen in Nepal gebaut hat. Einige wurden 2015 beim verheerenden Erdbeben in Nepal zerstört, sind inzwischen aber wiederaufgebaut – erdbebensicher.
Kinder toben vor dem tiefblauen Himmel auf gut 1500 Meter Höhe dem Ball hinterher, schießen auf einfache aus Stecken zusammengeschnürte Tore - es ist Pause in der Shri Setidevi Secondary School in Thulosirubari. Nichts erinnert mehr an die Stunde null im April 2015, die der heutige Rektor der Schule bei sich zuhause erlebt hat. Weil sich das Erdbeben an einem Samstag ereignet hat, waren zum Glück keine Kinder, sonst hätte es wohl Tote gegeben. Wie ein Sandwich sind die drei Stockwerke der alten Schule aufeinander gekracht. Hier im grünen Bergland knapp 100 Kilometer nordöstlich von Kathmandu lag das Epizentrum des Bebens. Die alte Schule, weiß gestrichen und oben auf dem Berg gelegen, war berühmt als „Weißes Haus“, weil man es sogar im Touristenort Nagarkot sehen konnte. Daher kamen öfters Reisende vorbei, die glaubten, dass es sich um einen besonderen Tempel oder ein Hotel handeln würde.
Nun ist der Neubau fertig: In sonnenhellem Gelb leuchtet das Schulhaus auf dem Bergkamm, und auch die Menschen haben sich vom damaligen Schock erholt. Im ersten Jahr nach dem Erdbeben wurde quasi unter freiem Himmel unterrichtet und viele hatten noch Angst. Die Kinder erhielten dann auch eine psychologische Betreuung, die neuen Gebäude sind erbebensicher. Die Statik der Gebäude mit doppelt verstärkten Eckenpfeilern, Säulen und Decken wurde nach neuesten Berechnungen errichtet, und das unter widrigen Bedingungen, berichtet Sunil Shresta, der einheimische Koordinator der Nepalhilfe Beilngries. Schon beim ersten Bau blieb der Jeep regelmäßig im Schlamm stecken und man musste dann ein bis eineinhalb Stunden laufen, um hierher zu kommen. Doch all diese Schwierigkeiten waren nichts im Vergleich zum Leben der Kinder, die zumeist aus armen Familien aus den umliegenden sieben Dörfern stammen. Jetzt haben sie sehr gut eingerichtete Klassenzimmer für ihre Ausbildung – und das war und ist jede Mühe wert, resümiert Sunil Shresta.
Über 400 Kinder von der Vorschule bis zur 10. Klasse lernen allein in dieser Schule. 27 Schulen hat die Nepalhilfe insgesamt gebaut, 14 davon wurden seit dem Erdbeben 2015 ganz oder teilweise wiederaufgebaut. Fast schon ein Lebenswerk, das denkbar einfach begonnen hat. 1990 waren Manfred Lindner und Christian Thumann, zwei der vier Polizisten aus Beilngries, auf der Annapurna-Umrundung unterwegs und hatten sich damit einen Trekkingtraum erfüllt haben. Doch wie viele Nepalreisende waren auch sie mit offenen Augen unterwegs und nahmen neben all den schönen Erfahrungen und Erlebnissen auch die große Armut wahr. Tausende von Dias brachten sie mit von der Reise, veranstalteten Vorträge, sammelten Geld und machten sich 1992 erneut auf den Weg. Manfred Lindner traf dabei auf zwei Nepali, die von da an die Entstehung der Nepalhilfe Beilngries entscheidend geprägt haben: In Kadambas, einem Bergdorf ungefähr 100 Kilometer nordöstlich von Kathmandu, entstand die erste Schule.
Aus der einmaligen Spendenaktion wurde ein langfristiges Hilfsprojekt, das inzwischen seit knapp 30 Jahren immer umfangreicher geworden ist und mittlerweile 27 Schulen ermöglicht hat. Die vier Polizisten aus Beilngries schauten jedes Jahr nach dem Rechten und engagierten sich ehrenamtlich. Mit ihrem guten Ruf als Polizisten holten sie Ausrüstungsfirmen und berühmte Bergsteiger wie Hans Kammerlander, Gerlinde Kaltenbrunner oder Ralf Dujmovits ins Boot. Sie garantieren, dass jeder Spendeneuro direkt in die Projekte fließt. Die Unkosten für Projektreisen oder die beiden Koordinatoren vor Ort bestreiten sie aus dem Verkauf der Nepalhilfe-Kalender. Zudem gibt es kein Projekt, das sie nicht von Anfang an begleitet haben, erklärt Ralf Petschl, der heutige Vorstand der Nepalhilfe Beilngries.
Anfang November 2019 wurden die letzten der wiederaufgebauten Schulen vor Ort eingeweiht. Sie sind gebaut nach neuesten statischen Berechnungen, so dass die Gebäude als erdbebensicher gelten. Ein anderes Projekt der Anfänge, das Kinderhaus Shaligram für Waisen und Halbwaisen, hat das Erdbeben schadlos überstanden. Hier stehen die ersten, die als Kleinkinder in dieses Nepalhilfe-Heim kamen, inzwischen als junge Erwachsene im Beruf. Eine davon ist die 28-jährige Shamila, eine elegante junge Frau, die sogar ein wenig deutsch spricht und ein Praktikum bei Audi absolviert hat. Nach dem frühen Tod der Mutter wurde sie vom Vater in ein Heim gebracht und von dort weiter vermittelt ins Kinderhaus der Nepalhilfe. Nach dem Schulabschluss hat eine Ärztin aus Ingolstadt über die Nepalhilfe Shamilas Ausbildung finanziert. Eigentlich wollte sie Ärztin werden, erzählt Shamila, aber es hat dann doch nicht mit einem wissenschaftlichen Studium geklappt. Sie hat dann Management studiert, dabei das Rechnungswesen entdeckt und festgestellt, dass das ihre wahre Leidenschaft ist. Seit fünf Jahren arbeitet sie nun im Controlling eines Krankenhauses, hat geheiratet und ist mit dem ersten Kind schwanger. Wenn ich damals nicht ins Kinderhaus gekommen wäre, sagt Shamila, wäre ich heute nicht ein unabhängiger Mensch mit einer guten Ausbildung. So aber ist Shamila ein Beispiel von vielen in einer Geschichte, die mit einer Trekkingtour vor knapp 30 Jahren begann.