Weinberg-Wandern bei Michelbach im Kahlgrund Der „Apostelgarten“ im Spessart
In Weinfranken, so nennt sich die Region zwischen Steigerwald und Spessart gerne, ist jetzt Ruhe eingekehrt. Die Trauben sind gekeltert, der Wingert, also der Weinberg hat seine jährliche Ruhe verdient. Jetzt ist die richtige Zeit für eine stille Landschaftserfahrung.
Kahlgrund, so heißt das Tal, das aus der Mainebene bei Frankfurt in den Spessart zieht und nach der Kahl benannt, die sich hier aus den Wäldern herausschlängelt. Von Michelbach führen ein paar Wege hinauf in den Apostelgarten. Ida Didinger stammt aus einer Winzerfamilie vom Mittelrhein, seit 10 Jahren lebt sie hier und kennt sich aus, auch mit der urigen ganz aus Stein gebauten Hütte am Berghang: Sie geht zurück auf einen Frankfurter Tuchhändler, der den einst von Mönchen begründeten Weinbau im 19.Jahrhundert wiederbelebt hatte.
Es regnet, Spätherbst in Vollendung. Trotzdem ist der Blick reizvoll, denn die Laubbäume schmückt immer noch gelbbraunes Herbstlaub. Eichen und Buchen prägen die Spessart-Wälder. Knorrige Rebstöcke stehen jetzt im Apostelgarten, dem Weinberg über dem Kahlgrund. Kenner bezeichnen ihn als einen der schönsten Weinberge Frankens. So lädt die Landschaft durchaus zum Wandern und Erkunden ein. Unter den Schritten knirscht ein rotbraun-glitzerndes Gestein: Glimmerschiefer, der zu den ältesten Gesteinen Bayerns gehört.
Über 400 Millionen Jahre, älter als die bayerischen Alpen, ist der Spessart hier, unwirtlich dazu. Ein nicht einmal 400 Meter hoher Buckel macht heute seinem Namen alle Ehre: Blasbalg heißt er. Zu der Nebelnässe kommt der Wind. Am Hügelkamm aber beginnt der Wald - eine Attraktion für sich: knorrige Eichen und stämmige Buchen wachsen in und um einen tiefen Graben, der sich hier über den Berg zieht. Es ist eine durch Erosion entstandene Hohle, wie Bernd Höfler, der Besitzer des Weinbergs erklärt, durch die einst auch der ganze Berg bewirtschaftet wurde. Heute führt das Wegenetz oberhalb der Hohlen entlang.
Gegenüber liegt der bekannteste Gipfel, der Hahnenkamm, der vor allem bei Mountainbikern ein beliebter Anlaufpunkt im Sommerhalbjahr ist. Auch dort herrscht jetzt Ruhe. Auf der Nordseite der Kahl aber können wir uns der 400 Millionen Jahre alten Geologie nicht nur mit den Füßen nähern, sondern auch mit dem Gaumen. Für Hermann Mengler, jahrzehntelang sozusagen der Chefönologe im fränkischen Weinbau, prägt sich der Charakter des Glimmerschiefers am besten in den Früchten des Weinstocks aus - im Riesling, der hier etwas fülliger, saftig mit einem Geschmack nach Mandarinenschalen auftritt. Das ist Landschaftserkundung mit allen Sinnen. Um sie zu vertiefen gibt es im Sommer die Rebenglück-Wege. Jetzt in der kalten Jahreszeit ist die Stimmung anders: Bäume und Rebstöcke wirken verwachsen mit dem alten Gestein. Je nach Witterung lässt sich die Runde beliebig verlängern in den Spessartbergen zwischen Blasbalg und Hahnenkamm rund um die nordwestlichste Stadt Bayerns.