Rettet die Kendlmühlfilzen Der Kampf gegen den Torfabbau am Rande des Chiemsees bei Grassau
Manche besondere Naturlandschaft in Bayern gäbe es nicht mehr, wenn sich nicht äußerst engagierte Menschen dafür eingesetzt hätten. Im Chiemgau war es die Bürgerinitiative „Rettet die Kendlmühlfilzen“, die gegen den Torfabbau und für das Hochmoor am Rande des Chiemsees bei Grassau gekämpft hat. 1992 wurde es dann Naturschutzgebiet.
Vielen ist gar nicht bewusst, welche Wildnis sich hier hinter Bäumen verbirgt. Der Grassauer Bürgermeister allerdings kennt sie bis ins kleinste Detail. Stefan Kattari reißt die Menschen mit seiner Begeisterung mit, die heute mit ihm auf dem Moorerlebnisweg in den Kendlmühlfilzen unterwegs sind. Es sind Leute aus dem Naturschutz, die ausnahmsweise in den Genuss der Führung durch den Bürgermeister kommen, weil er sein großes Wissen über die Natur gerne weitergibt.
Allzu oft kommt es nicht vor, dass ein Bürgermeister als studierter Biologe Experte der Naturlandschaft seiner Heimat ist. Vor dem Amt als Bürgermeister war Stefan Kattari als Schutzgebietsbetreuer im Achental tätig. Er hat mehrere Pflanzenbücher verfasst und auch so seine Leidenschaft zum Beruf gemacht. Aus einer Familie von Gärtnern stammend hat er sich schon in der Schulzeit auf Orchideen spezialisiert. Was Orchideen und die Flora überhaupt betrifft, haben die Kendlmühlfilzen allerdings in keiner Jahreszeit übermäßig viel zu bieten.
Etwas anderes macht den besonderen Reiz dieser Moorlandschaft aus: die wilde Natur. Bäume werden wegen des feuchten Bodens nicht sehr groß, sie wirken verbogen. Auf totem Holz siedeln sich Pilze an. Über Jahrtausende hat sich das Polster aus verrottetem Pflanzenmaterial aufgebaut, das zuerst als Brennstoff und dann bis in die 1980er Jahre als Torf für Blumenerde abgebaut wurde. Heute wissen wir längst, welchen besonderen Wert solche Moore als CO2-Speicher und Wildnisgebiete haben.
Am Rand der Kendlmühlfilzen schweift der Blick über Wiesen und Bergwälder in eine durchgehend bewirtschaftete Kulturlandschaft. Dann aber, nur einen halben Kilometer weiter, sehen wir nur noch Latschen und knorrige Birken, Heidekraut und Wollgras. Stefan Kattari saugt die Atmosphäre förmlich in sich ein: Die Naturlandschaft macht für ihn Heimat aus. Mitten in den Kendlmühlfilzen sehen wir nur noch drei Gebäude im weiten Rund. Von der Zivilisation ist fast nichts mehr zu spüren. Es gibt verschiedene Möglichkeiten für kleinere und größere Touren. Wer aufmerksam die Zeichen in der Landschaft liest, erlebt auf dem Weg auch die wechselvolle Geschichte der Region: Etwas abseits der Bahnstrecke München - Salzburg befindet sich das Moor- und Torfmuseum Rottau mit den Relikten der alten Bockerlbahn, mit der einst der Torf abtransportiert wurde.
Der beste Einstieg ins Wegenetz befindet sich an einem zweiten Museum: „Salz und Moor“ heißt es, weil hier an der Bundesstraße zwischen Rottau und Grassau einst die Salzleitung entlangführte. Salz, Torf und Moor - wie ein Geschichtsbuch erzählt die Landschaft vom Geschehen, das die Gegend einst geprägt hat. Trotz der wechselvollen Geschichte gibt es die Kendlmühlfilzen noch heute. Als Relikt der Nacheiszeit gibt das Hochmoor der Gegend einen unverwechselbaren Charakter.