Zum Steinernen Haus in der mystischen Basaltlandschaft Eine Sagenwanderung in der Rhön
Meterhohe dunkle Basalt-Säulen, die mit tiefgrünem Moos bewachsen und ein bisschen angeordnet sind wie die drei Seiten eines Hauses ohne Dach - so muss man sich das sogenannte "Steinerne Haus" bei Ginolfs in der Rhön vorstellen: ein Wander-Highlight am Dreiländer-Eck von Unterfranken, Hessen und Thüringen, mitten im Biosphären-Reservat Rhön.
Entstanden ist dieses harte Gestein vor Millionen von Jahren durch Vulkanismus, genauer gesagt dadurch, dass sich die Lava an der Erdoberfläche abgekühlt hat. Bis in die 1960er-Jahre haben die Menschen den Basalt in der Rhön noch abgebaut, zum Beispiel für die Befestigung von Deichen an der Nord-See.
Lange vor dieser Zeit konnten sich die Menschen nicht erklären, was es mit diesen bis zu zwölf Meter hohen Basalt-Säulen auf sich hat. Weil ihre Anordnung an ein eingestürztes Haus erinnert, haben sie sich Geschichten dazu erzählt. So ist die "Sage vom Steinernen Haus" entstanden, die im Wanderführer "Sagenhafte Rhön – Elf Sagen aus der Rhön zum leichten Erwandern für die ganze Familie" enthalten ist. Herausgegeben hat das Büchlein Regina Rinke, die langjährige Vorsitzende des Rhön-Clubs, heute stolze 88 Jahre alt.
In der "Sage vom Steinernen Haus" geht es um ein junges Paar, das in der Rhön lebt. Die beiden sind sehr verliebt, aber arm. Als der junge Mann eines Tages in der Rhön arbeitet, stampft er mit dem Fuß auf und sagt: "Da baue mir der Teufel doch ein steinernes Haus". Im nächsten Moment steht der Teufel vor ihm und macht ihm ein Angebot: "Ich baue dir ein Haus, aber ihr dürft den Namen Gottes darin nicht aussprechen. Fluchen hingegen dürft ihr nach Herzenslust." Der Bursche schlägt ein. Schon am nächsten Tag steht in der Rhön ein hübsches steinernes Haus, das Paar zieht ein und ist glücklich. Dann aber kommt die junge Frau auf die Idee, sich zu bedanken: "Schau, wie schön wir hier eingerichtet sind. Lass uns die Hände falten, beten und Gott danken für all den Reichtum." Im nächsten Moment zuckt ein Blitz durch das Haus, Qualm steigt auf und mit einem lauten Krachen stürzen alle Mauern ein. Nur ein paar Säulen bleiben stehen. Dem Paar passiert nichts, aber die beiden müssen von da an wieder in Armut leben.
"Die Leute konnten ja früher nicht lesen und schreiben. Deshalb haben sie sich Geschichten mündlich erzählt, zum Beispiel abends am Ofen oder in den Spinn-Stuben", erklärt Regina Rinke. So sind die Sagen entstanden, also Erzählungen, die besondere Begebenheiten erklären. Beim Weitererzählen haben sich die Geschichten auch oft verändert. Jemand hat etwas dazu gedichtet, ein anderer etwas weggelassen.
Die Menschen haben versucht Natur-Phänomene zu erklären – etwa die dunklen Stein-Säulen, aber auch Höhlen oder schwere Gewitter. Vor allem in den Dörfern hatten die Pfarrer viel Einfluss. "Wenn den Menschen ein Unglück passiert ist, hieß es von der Kirche: Ihr seid selbst schuld, ihr führt ein sündiges Leben und geht zu wenig in die Kirche", erklärt Reinhold Albert, Heimatpfleger im Landkreis Rhön-Grabfeld. Oft liegen den Sagen auch geschichtliche Ereignisse zu Grunde, reale Personen oder eben Schauplätze wie eben auch das Steinerne Haus.
Regina Rinke war viele Jahre Vorsitzende des Rhön-Clubs, kennt die Region gut – und auch die Geschichten, die zu der Region gehören. Als ehemalige Grundschullehrerin hatte sie die Idee, besondere Geschichten für Kinder festzuhalten. Deshalb hat sie den Wanderführer mit elf Sagen herausgebracht, die zu den Original-Schauplätzen führen. Die Texte hat sie zum Teil umgeschrieben, so dass Kinder sie verstehen können. An jedem der elf Orte steht eine Tafel, auf der die Menschen die Texte nachlesen können. Ein Künstler hat die dazugehörigen Bilder gemalt. Am "Steinernen Haus" ist zum Beispiel der Teufel mit den typischen Hörnern abgebildet, der das neu gemauerte Haus zum Einstürzten bringen. Überall sind Flammen.
Auf den Tafeln ist seit kurzem auch ein QR-Code angebracht. Den können die Menschen mit dem Smartphone scannen und sich dann den Text der Sage von einer Schauspielerin vorlesen lassen. Auch damit will Regina Rinke Kinder erreichen. "Viele Leute sagen, die Geschichten sind grausam für Kinder. Es geht um den Teufel und ähnliche Themen. Aber wenn die Eltern mit ihren Kindern dorthin wandern wollen, müssen sie erklären, dass der Teufel das Böse ist, man davor aber keine Angst haben muss."
Zu jeder Sage gibt es eine Wegbeschreibung: Wo kann man das Auto parken? Wo kann man loslaufen? Wie weit sind die Strecken? Zum Teil sind auch Einkehrtipps aufgeführt. Die Wanderung zum "Steinernen Haus" lässt gut in Ginolfs starten, dort gibt es einen Wander-Parkplatz. Zum Einkehren eignet sich zum Beispiel Edwins Fischerhütte. Die Spezialität sind frisch gefangene Rhönforellen in allen möglichen Variationen. Auf dem Rhön-Rundweg 3 geht es zum Basalt-See, der zwischen Fichten und Buchen liegt und mit Schilf eingewachsen ist. Der Kiosk dort ist zwar aktuell geschlossen, aber wer seine eigene Brotzeit dabeihat, findet dort Bänke. Nach dem kleinen Anstieg zum "Steinernen Haus" geht es weiter auf dem Weg mit dem roten H auf weißem Grund zur Thüringer Hütte. Hier sind die Riesen-Windbeutel mit Kirschen, Vanille-Eis und Sahne zu empfehlen. Gratis dazu gibt es den weiten Ausblick über die typische hügelige Landschaft der Rhön. Von der Thüringer Hütte geht es entweder auf dem gleichen Weg zurück, dann sind es etwa sieben bis acht Kilometer. Oder man unternimmt eine Rundwanderung und geht weiter zum Gangolfsberg. Dort gibt es weitere spektakuläre Basalt-Säulen und Prismen-Wände aus Basalt zu sehen. Zurück in Ginolfs hat man dann etwa 14 Kilometer und 450 Höhenmeter zurückgelegt und war gut vier Stunden unterwegs.