Die Kapverden-Insel für Wanderer Santo Antao
Als Wanderziel sind die Kapverden – zum Glück – noch nicht so bekannt wie zum Beispiel die Kanaren. Die Inselgruppe der Kapverden ist benannt nach dem „grünen Kap“ im Senegal, auf dessen Höhe sie im Meer liegen, rund 500 Kilometer westlich der afrikanischen Küste.
Santo Antao, das nördlichste Eiland der Kapverden, besteht aus schroffen Gebirgszügen und ist die ideale Insel für Wanderer. Erst vor 50 Jahren wurde auf Santo Antao eine erste Straße gebaut - ein Meisterwerk, das mit 24 Millionen Pflastersteinen auf 36 Kilometern durchs Gebirge verlegt wurde. Wer davor irgendwohin wollte, musste wandern. Steile Wege, oft mit Treppen und meistens gepflastert, führen durch die wilde Natur dieser Kapverden-Insel. Und seit etwa 20 Jahren wurden viele der alten Kulturwege für den Wandertourismus entdeckt. Sehr lohnend ist zum Beispiel auch der Küstenpfad nach „Ponta do Sol“.
Die Mentalität der Steinklopfer
Nicolin Monteiro ist der Enkel eines der damaligen Bauarbeiter. Sein Opa hatte altes Werkzeug und war immer barfuß unterwegs auf diesen scharfen Steinen. 30 Kilometer ohne Schuhe waren kein Problem für ihn. Er hatte eine zentimeterdicke Hornhaut als natürlichen Schutz. So waren die Einheimischen auf Santo Antao naturgedrungen Wanderer. Das Netz abenteuerlicher gepflasterter Wege zieht sich kreuz und quer über die bizarren Felskämme.
Balkon in der Felswand
Auf einem dieser Wege sind wir unterwegs: auf dem Küstenweg von Cruzinhas nach Ponta do Sol, 15 Kilometer die Steilküste im Norden entlang. Gerade queren wir die überhängende Felswand der Klippe, 100 Meter tiefer rauscht das Meer. Unglaublich, wie sie diesen Felspfad aus dem harten dunklen Vulkangestein herausgemeißelt haben, mit Hammer Brecheisen und Machete, ohne Maschinen und Sprengstoff. In einer Arbeit wie Sklaven, mit ganz geringen Sicherheitsvorkehrungen und einem bemitleidenswerten Lohn. Aber genau das ist es, was den jungen Wanderführer Nicolin Monteiro beeindruckt, denn er sieht es als Beispiel für die Hingabe und Anstrengung der Menschen - und auch für ihren Mut. Hier in der überhängenden Wand haben sie es geschafft, einen Weg herauszuschlagen und zu befestigen, um die Dörfer mit der Hauptstadt zu verbinden.
Orte, die nur zu Fuß erreichbar sind
Jetzt verbreitert sich der grasüberwachsene Pfad und führt in ein von bizarren Basalttürmen umgebenes grünes Tal. Schmale Terrassen staffeln sich bis in steilste Lagen, von einstigen Steinhäusern stehen noch einzelne Ruinen da. Der Ort heißt Aranhas, was so viel wie „Spinnen“ bedeutet. In den 1970er Jahren lebten noch 100 Menschen hier. Es waren Bauern und Hirten. Sie hielten Ziegen, Esel für den Transport und ein paar Kühe. Ein älterer Mann ackert noch zwischen ein paar Maispflanzen. Nicolin spricht Kreol mit Joan, die einzige Sprache, die er beherrscht. Er kam zum Unkraut jäten, kümmert sich um seine Bienenvölker und pflanzt Kürbis, damit die Tradition des verlassenen Dorfs nicht komplett abreißt. Dann biegt der Weg um den Felsrücken und führt weiter durch die Steilwand.
Danke an die Touristen
Im nächsten kleinen Dorf kleben die Häuser wie Bienenwaben am Felsen. Im Haus von Sonia brutzelt Öl im rußgeschwärzten Kochtopf. Sie bereitet eine Fritura, einen Eintopf aus Fleisch und Gemüse für Wanderer, die vorbeikommen. Sonia ist hier geboren und geblieben mit ihren fünf Kindern. Erreichbar ist das Haus nur zu Fuß, die Kinder wachsen in dieser Ruhe auf und laufen jeden Tag über den Pfad in die Schule in die Hauptstadt Ponta do Sol und zurück. Nur durch die Einnahmen durch Touristen und Wanderführer können sie an diesem abgelegenen Platz überleben.
Die Initiative eines Österreichers
Angefangen hat es mit Alfred und Christine Mandl. Als ihr inzwischen verstorbener Mann Alfred 1982 hierherkam, gab es gar nichts, erzählt Christine Mandl. Sie steht an der offenen Kochstelle unter der hölzernen Dachkonstruktion, wo sie mit ihren einheimischen Mitarbeiterinnen die Gäste bewirtet. Alfred sei dann die Insel abgewandert und habe die Wege gefunden, die dann instandgesetzt wurden und heute noch von den Reiseveranstaltern benutzt werden. Gerade der Tourismus hält - solange er mit der gewachsenen Kultur verbunden ist - junge Menschen auf der Insel oder bringt sie zurück.
Nicolin kam als junger Mann zum Bergbauernhof der Mandls und wurde dank seiner raschen Auffassungsgabe und der Lernfreude Wanderführer. Inzwischen hat sich ein Verband der Bergwanderführer mit 70 Mitgliedern entwickelt. Odair Gomez, dem wir auf einer unserer Touren begegnen, ist der Vorsitzende. Er betont die wichtige Funktion der Wanderführer: „Wir müssen unseren ländlichen Tourismus fördern, das Trekking, den nachhaltigen Tourismus mit den Dorfgemeinschaften. Wir erarbeiten das in Workshops, die von der Regierung ausgerichtet werden, und natürlich haben wir viel über sanften Tourismus gelesen. Die Natur ist unser größter Schatz hier.“ Die Grundidee stimmt also und Nicolin Monteiro, der junge energiegeladene Guide, ist einer ihrer besten Vertreter. Wie in vielen anderen Gebirgsgegenden der Erde ist es ein Wettlauf zwischen den Lockungen der Konsumwelten und dem nachhaltigen Lebensstil, der auf der gewachsenen Kultur und der extensiven Bewirtschaftung des Lands beruht. Santo Antao ist so abgelegen und wild, dass es klappen könnte, zumindest so lange Menschen wie Nicolin die überlieferte Mentalität weitertragen.