Naturschutz-Begehung am Geigelstein Mit Fachleuten unterwegs zu neuralgischen Punkten
Damit die Natur nicht unter den Bergsportlern leidet, verfolgt der Deutsche Alpenverein seit 30 Jahren das Konzept naturverträglicher Skitouren. Jedes einzelne Gebiet wird dabei immer wieder begutachtet, wie kürzlich der Geigelstein.
Manfred Scheuermann vom Deutschen Alpenverein (DAV) ist der erste, der an diesem Morgen auf dem alten Almweg aufsteigt zum Geigelstein. In den vergangenen Jahren hat sich reichlich Gesprächsstoff angesammelt, denn es wurden neue Auerhuhn-Vorranggebiete ausgewiesen, in denen die streng geschützten Vögel nicht gestört werden sollen.
Dieses Miteinander von Schutzgebieten für Tiere und Tourenmöglichkeiten für Bergsportler muss vor allem für den Winter, wenn die Tiere aufgrund der Nahrungsknappheit besonders Ruhe brauchen, feinfühlig ausbalanciert werden. Bei der aktuellen Begehung sind Vertreter der Behörden sowie Experten von Forst, Naturschutz und den Alpenvereinssektionen dabei.
Mit am besten kennen die Mitarbeiterinnen auf der Priener Hütte die Situation und beobachten im Schnee regelmäßig Skispuren in Wildschongebieten, wo sie nicht hingehören. Hauptgrund für solche Übertretungen der Schutzbestimmungen sei das Nichtwissen, sagen sie. Auf der DAV-Karte und den großen Hinweistafeln unten an den Startpunkten ist zwar alles genau verzeichnet, doch oben am Berg und erst recht im Winter schaut es dann aber anders aus, und die digitalen Routenplattformen zeigen die gesperrten Bereiche oft nicht an. Dabei wäre das Interesse an Informationen oder naturkundlichen Führungen am Geigelstein groß, beobachtet das Hüttenteam.
Der legendäre Blumenberg des Chiemgaus mit seinen Lebensräumen für Auer- und Birkhühner, Haselhühner und Waldschnepfen ist gleich mehrfach geschützt: Naturschutzgebiet, Vogelschutzgebiet und Natura-2000-FFH-Gebiet. Entsprechend komplex schaut die Karte mit Routen und Schutzgebieten aus. Auf dem Weg hinauf zum Bergkamm zeigt sich der Arbeitsgruppe das vielfältige Gelände mit freien Hängen, Almwiesen, Baumgruppen, Felsköpfen und Latschenmulden.
Es ist das Besondere an diesem Projekt, dass die Argumente der verschiedenen Seiten offen ausgetauscht werden, zwischen Tourengehern, Förstern, Vogelschützern und Behördenvertretern. Zudem wird diskutiert: Reichen die bisherigen Regelungen zum Schutz der Wildtiere aus? Sollten Schutzgebietsgrenzen oder zeitliche Betretungsverbote angepasst werden, auch deshalb, weil sich die Schneelage im Winter immer weiter verändert? So ist auch am Geigelstein eine rasante Zunahme von Winterwanderern zu beobachten, deren Auswirkung auf den Naturschutz jetzt überprüft wird.
Mehr Information an Ort und Stelle und bei der Tourenplanung - das kristallisiert sich immer wieder als entscheidende Aufgabe heraus, bilanziert Manfred Scheuermann vom DAV. Damit das Nebeneinander von Naturschutz und Naturnutz erhalten bleibt, denn der Geigelstein war immer schon ein traditioneller Skitourenberg.
Trotz des hohen natürlichen Werts kann er ein Tourenberg für alle Jahreszeiten sein, wenn besonders sensible Areale ausgespart und geschützt bleiben. Entscheidend ist, dass alle, die in den Bergen unterwegs sind, diese Spielregeln akzeptieren – Spielregeln wie sie hier am Geigelstein durch intensive Ortsbesichtigungen erarbeitet werden. Dann ist genug Platz für alle Lebewesen - und es ist sicher ein Erfolg, dass der naturfreundliche Bergsport jetzt schon seit Jahrzehnten auf der Basis einer freiwilligen Mitwirkung aller recht gut funktioniert.