Winterwandern auf dem Gunthersteig Auf den Spuren des Benediktinermönchs im Böhmerwald
In Dobrá Voda – auf Deutsch Gutwasser – starb 1045 der Benediktiner-Mönch und Eremit Gunther. Im Böhmerwald wurde er zum Volksheiligen, heute gleichermaßen verehrt in Bayern und Tschechien. Der „Gunther-Steig“ ist eine beliebte Pilger- und Wanderroute, die auf den Spuren des Missionars bzw. der Salzsäumer und Kaufleute von Niederalteich im Landkreis Degendorf in vier Etappen durch den Bayerischen Wald tief hinein nach Böhmen führt.
Auf den Spuren des „Rodungsmönchs“ verläuft der Gunther-Steig über Lalling, Rinchnach und Lindberg bis zum Grenzübergang Gsenget. Von dort aus erreicht man Gunthers letzte Wirkungsstätte, das tschechische Dobrà Voda.
Gunther war Spross eines thüringischen Adelsgeschlechts. Mit 50 Jahren verließ er den „Goldenen Käfig“ und trat in die Benediktinerabtei Hersfeld ein. Sein väterlicher Freund Abt Godehard holte ihn nach Niederalteich. Man betraute Gunther mit der Rodung und Besiedelung des Bayerischen Waldes. Missionsreisen führten ihn bis in die Slowakei. Seine sterblichen Überreste liegen im Benediktinerkloster Břevnov bei Prag.
Es ist einsam und still im Hinterland von Železná Ruda (Böhmisch Eisenstein) zwischen Prášily (Stubenbach) und Dobrá Voda. Die Wanderung auf dem Gunther-Steig kann man im Winter mit oder ohne Schneeschuhe angehen, natürlich auch im Sommer – reizvoll ist es immer.
Vom Startpunkt Prášily geht es eine knorrige Allee hinauf zum Friedhof mit deutschen und tschechischen Namen auf den Gräbern – und bunten Wegweisern zu den Wanderwegen. Prášily-Stubenbach ist ein böhmisches Dorf am Gunther-Steig, gleich hinter der bayerischen Grenze. Hier beginnt die Schlussetappe der 88 Kilometer langen Fernwanderung. Kultur-Wanderführer Klaus Kreuzer verspricht den Gästen einen Weg voller Geschichte und Geschichten. Das beginnt schon damit, dass hier über Generationen Deutsche und Tschechen friedlich neben- und miteinander gelebt haben. Glasschleifereien gab es, Glashütten und rauchende Kohlenmeiler. Interessant – und fast schon vergessen - ist auch, dass im Kalten Krieg im Bereich zwischen Železná Ruda (Böhmisch Eisenstein) und Dobrá Voda das größte Panzerübungsgelände der Tschechoslowakei entstand.
Bis ins Frühjahr hinein braucht man gutes Schuhwerk, Stöcke, unter Umständen auch Krampen. Denn es liegt Schnee im Böhmerwald, traditionell ein Hort des Winters. Da es wenig Einkehrmöglichkeiten gibt, ist es wichtig, genügend Getränke dabei zu haben.
Wir folgen der gelben Markierung ins Frauental, über eine sanfte Kuppe in eine weiß verschleierte Senke. Schneetreiben, keine Spuren vor uns, nur das sanfte Rauschen der Křemelná, die sich in Mäandern durch die Winterlandschaft schlängelt. Durch die weitläufige Region Železná Ruda (Böhmisch Eisenstein) verläuft die Europäische Hauptwasserscheide. Das Wasser aus Mooren, breiten Sümpfen und Quellgebieten endet entweder im Fluss Řezná (Regen), der in Deutschland in die Donau mündet und sich dann zusammen mit ihr ins Schwarze Meer ergießt, oder im Flüsschen Křemelná, das später auf den vielleicht schönsten Fluss Böhmens trifft: auf den wilden steinigen Vydra, mit dem zusammen es in Čeňkova Pila den Fluss Otava bildet.
Von den Glasfabriken im Frauental ist nichts mehr zu erahnen. Auch, dass wir uns in einem früheren Panzerübungsgelände befinden, ist nicht mehr sichtbar, und das liegt nicht nur an der dichten Schneedecke. Die Natur hat in wenigen Jahrzehnten verlorenes Terrain zurückerobert. Wir wandern durch eine Tundra-artige Landschaft. Luchse gibt es hier, auch Wölfe wurden gesichtet, und Klaus Kreuzer ist hier sogar schon einem Elch begegnet. Elche würde man weiter nördlich vermuten, aber tatsächlich: Rund 200 Elche gibt es wieder im Böhmerwald, die meisten davon aber in der Region Nova Pec am Moldau-Stausee.
In Rovina stoßen wir auf die Straße nach Hartmanice. Das Gasthaus lädt zur Rast ein. Wir wollen noch eine halbe Stunde weiter zum Sterbeort des Mönchs, der auf 1006 Metern Höhe versteckt im Wald liegt. Hasenspuren kreuzen, Spatzen tschilpen. Ein Pärchen kommt uns entgegen. Sie stammt aus Pilsen, er aus der Slowakei. Der Březník (Gunther-Berg) befindet sich drei Kilometer südwestlich von Hartmanice auf dem Gebiet der Gemeinde Prášily. Der mit Fichten bestandene Březník bildet einen aus zwei Schuttgipfeln bestehenden Kamm. Der Hauptgipfel ist der nördliche, der Südgipfel hat eine Höhe von 998 Metern. Unterhalb des Hauptgipfels befinden sich die Vintířova Skála (der Guntherfelsen) und die Guntherkapelle. Hier hatte der Eremit seine letzte Klause. Rötlich eingefärbt ist die winzige Kapelle, mit einem grünen Gitter davor. Nach drei Stunden Gehzeit sind wir am Ziel. Wir läuten die Friedensglocke und steigen auf den Gipfel-Felsen über der Kapelle.
Dann machen wir uns auf den Weg nach Dobrá Voda, wo uns Mesner Emanuel die Kirche aufsperrt. Die Wallfahrtskirche des Heiligen Gunther hat eine bewegte Geschichte hinter sich. Sie wurde zwischen 1734 und 1735 anstelle einer älteren Kapelle errichtet und war lange Zeit die einzige Kirche mit dem Patrozinium Sankt Gunther. 1754 wurde sie erweitert und 1777 der Turm angebaut. Zu Zeiten des Truppenübungsplatzes Dobrá Voda diente die Kirche als Lager für Artilleriegranaten. Zwischen 1992 und 1995 wurde sie instandgesetzt und neu geweiht. Mit der kostbaren Ausstattung der Glaskünstlerin Vladimíra Tesařová ist die Kirche zu einem künstlerischen Kleinod geworden.
Dobra Vodá ist das vorläufige Ende des Gunther-Steigs. An der Fortführung bis Prag wird gearbeitet. Von Dobrá Voda bzw. Hartmanice aus fährt mehrmals täglich der Linienbus zurück nach Prášily oder Zelezna Ruda. Informationen zu Fahrzeiten, Übernachtungsmöglichkeiten und auch praktische Karten gibt es unter: www.arberland-bayerischer-wald.de sowie www.ostbayern-tourismus.de