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Kinderwunsch Ethische und rechtliche Aspekte der Reproduktionsmedizin

Forschung, Reproduktionsmedizin und medizinische Praxis entwickeln sich schnell weiter. Die Gesetze, die sie regulieren, hinken den Entwicklungen hinterher. Entsprechen sie noch den heutigen Anforderungen und dem Stand der gesellschaftlichen Debatte?

Von: Bernd Thomas

Stand: 28.03.2022

Kinderwunsch: Ethische und rechtliche Aspekte der Reproduktionsmedizin

Die Sorge um das „Designerbaby"

1978 gelingt mit der Geburt von Louise Brown, die als erstes Kind im Reagenzglas gezeugt wird, ein Durchbruch. Der wirft Fragen auf: Was ist erlaubt? Kommt das „Designerbaby“, wird Fortpflanzung zum Geschäft?

Hierzulande setzt das Embryonenschutzgesetz von1990 strafrechtliche Grenzen, Missbrauch soll verhindert werden. Doch Forschung und Medizin entwickeln sich weiter. eSET, Eizellspenden, Leihmutterschaft: In vielen Ländern sind die Verfahren heute schon legal. Gibt es bei uns Missbrauch, wie damals befürchtet? Die Göttinger Medizinethikerin Claudia Wiesemann meint nein.  

"Von einem pauschalen Missbrauch kann nicht die Rede sein. Und es ist auch wichtig, dass die Familien einmal von diesem generellen Verdacht befreit werden. Es gibt immer Gefahren fortschrittlicher Techniken. Aber wir haben gelernt in den letzten 30, 40 Jahren, dass wir mit diesen Gefahren konstruktiv umgehen können, dass wir sie einhegen können."

Prof Dr. med. Claudia Wiesemann, Medizinethikerin, Universitätsmedizin Göttingen

Auch die Kinder des bayerischen Landtagsabgeordneten Martin Hagen wurden mithilfe der Reproduktionsmedizin geboren.  Er kämpft als Politiker schon lange für eine juristische Reform der Reproduktionsmedizin. 

"Es gibt natürlich Gründe, bestimmte medizinische Dinge aus ethischen Erwägungen auszuschließen. Aber da ändert sich auch die gesellschaftlichen Debatte und ich denke, in einigen Punkten sind wir da auch schon weiter als wir das vor dreißig, vierzig Jahren waren."

Martin Hagen, Mitglied des Bayerischen Landtags    

Was ist in Deutschland erlaubt, was verboten?

  • Der Handel mit menschlichen Keimzellen ist grundsätzlich verboten, auch Leihmutterschaft und Eizellspenden. Samenspenden aber sind erlaubt.
  • Legal ist pro Behandlungszyklus die Erzeugung von maximal drei Embryonen aus den Eizellen der Frau, die eine Behandlung in Anspruch nimmt. Die so genannte Dreierregel.
  • Verboten sind die Selektion und die Herstellung überzähliger Embryonen, ebenso wie die Forschung damit.
  • Die Präimplantationsdiagnostik, kurz PID, mit der Merkmale wie das Geschlecht bestimmt werden können, ist nur bei wenigen Erbkrankheiten erlaubt.

Viele Regelungen fallen noch unter das Strafrecht und sind außerdem veraltet, kritisiert Claudia Wiesemann: „Es ist dringend an der Zeit, das Embryonenschutzgesetz zu reformieren und es durch ein modernes Fortpflanzungsmedizingesetz zu ersetzen. Es sind so viele Bereiche ungeregelt, und es gibt zu viele Verbote."

Beispiel eSET

Der elektive Single Embryo Transfer zeigt, wie komplex das Zusammenspiel von Gesetz, Ethik und medizinischer Praxis ist. Bei Kinderwunschbehandlungen treten Mehrlingsschwangerschaften bis zu siebzehnmal häufiger auf als sonst, da mehrere Embryonen übertragen werden. Das geschieht heute am fünften Tag der Entwicklung, wenn sich auch natürlich gezeugte Embryonen in die Gebärmutter einnisten.

Um erhöhte Risiken von Mehrlingsschwangerschaften zu vermeiden, wird zum Beispiel in Schweden ein Embryo gezielt ausgesucht und übertragen, der so genannte elektive Single Embryo Transfer. Die Chancen einer Geburt verringern sich zwar etwas, aber die Zahl der Mehrlingsgeburten war 2019 mit unter 5% deutlich geringer als in Deutschland mit 18,3%. Doch bei uns ist der eSET, wie Selektion grundsätzlich verboten. Zu Recht?

"In dieser sehr frühen Phase der Embryonalentwicklung gelangen allenfalls etwa die Hälfte der Embryonen tatsächlich zur Implantation und entwickeln sich weiter. Wir schützen hier eine Entität, die in der Natur sehr viel weniger geschützt ist. Und stattdessen gefährden wir aber die Frau und ihre Kinder in der Schwangerschaft. Denn Mehrlingsschwangerschaften sind riskant für beide, für die Frau und für die Kinder."

Prof Dr. med. Claudia Wiesemann, Medizinethiker/in Göttingen         

Beispiel: Überzählige Embryonen und Vorkernzellen

Nächstes Beispiel sind überzählige Embryonen. Sie entstehen, obwohl grundsätzlich verboten, auch heute schon. Ihre Adoption ist zwar erlaubt, aber das ist bei den so genannten Vorkernzellen nicht der Fall. Eizellen zu gewinnen, birgt Risiken. Oft werden mehr gewonnen als nötig und für weitere Versuche eingefroren. Zuvor werden sie „imprägniert“.

Das bedeutet: Ein Spermium ist bereits in der Zelle, männliches und weibliches Erbgut aber noch nicht verschmolzen. Ist der Kinderwunsch erfüllt, sind diese so genannten Vorkernzellen überzählig. Rechtlich zählt ihre Weitergabe aber als Eizellspende.

"Wenn man die Vorkernstadien auftauen und sich entwickeln lässt, dann entsteht nach deutschem Embryonenschutzgesetz erst ein Embryo. Und der darf nur auf die Frau übertragen werden, von der die Eizelle stammt. Das heißt, Eizellspende ist in Deutschland verboten. Also müssen diese Vorkernstadien verworfen werden, wenn sie nicht weiter genutzt werden sollen. Und das ist eigentlich paradox. Das ist sogar sinnlos, denn es gibt viele Paare, die auf eine solche Spende warten würden."

Prof Dr. med. Claudia Wiesemann, Medizinethiker/in Göttingen

Beispiel Eizellspende und Leihmutterschaft

Eizellspenden nutzen viele heute schon in Spanien. In Tschechien beispielsweise ist auch die Leihmutterschaft erlaubt. Einrichtungen werben gezielt in Deutschland. Zumindest das Verbot der Eizellspende hält Claudia Wiesemann für überholt. Denn es gibt zwar Risiken bei der Behandlung, die sind aber inzwischen gut zu kontrollieren. Außerdem hält sie das frühere Argument der gespaltenen Mutterschaft für überholt, auch da bei der Samenspende niemand von einer gespaltenen Vaterschaft spreche.

"Mittlerweile gibt es viele Studien, die zeigen, dass Kinder nach Samenspende und nach Eizellspende normal aufwachsen, eine glückliche Kindheit haben. Und dass es allenfalls Probleme geben kann, wenn es um die Identität des Spenders oder der Spenderin geht", so Prof Dr. Claudia Wiesemann.

Angesichts erlaubter Samenspenden: Wäre die Legalisierung der Eizellspende nicht gerecht? Nein, meint Anne Meier-Credner vom Verein der Spenderkinder. Sie sieht die Gefahr einer Kommerzialisierung und finanziellen Abhängigkeit.

"Wir wissen das aus anderen Ländern wie Spanien, aber eben auch aus Großbritannien, dass dort sich nicht genügend Frauen finden. Wenn es eben wirklich nur eine reine Aufwandsentschädigung ist."

Anne Meier-Credner, Verein Spenderkinder

Außerdem beobachtet der Verein Spenderkinder vereinzelt auch die Tendenz zur Kommerzialisierung bei bereits existierenden Samenbanken hierzulande.

Recht auf Information

Heute gilt bei uns das Samenspenderregistergesetz: Es schützt Spender vor finanziellen Ansprüchen. Nicht zuletzt durch das Engagement des Vereins der Spenderkinder wurde durchgesetzt, dass die Kinder heute das Recht haben zu erfahren, wer ihr genetischer Vater ist. Eine weitere Forderung des Vereins ist die Eintragung der Zeugung mit einem Vermerk ins Geburtenregister. Denn immer noch würden viele Kinder nicht aufgeklärt, wer ihr genetischer Vater ist. Eine weitere Forderung ist, die Zahl der genetischen Vaterschaften innerhalb einzelner Personen in Samenbanken zu beschränken.

Würden Eizellspenden und Leihmutterschaft ebenfalls zugelassen, wird die Sache schnell noch komplizierter. Grundsätzlich lehnt Anne Meier-Credner außerdem die Begriffe Samenspender und Eizellspenderin ab, denn:

"Es geht ja immer um Menschen. Und wenn auch Eizellgabe und Leihmutterschaft zugelassen werden, können bis zu fünf Menschen an einer Familie beteiligt sein: Der genetische Vater, die genetische Mutter, die Leihmutter und die Eltern, bei denen das Kind aufwächst. Und die Personen müssen die Kinder alle integrieren. Wenn Kinder nicht aufgeklärt werden, kommt es immer wieder vor, dass sie das Gefühl haben, irgendetwas stimmt nicht. Wir haben außerdem die Erfahrung gemacht, dass eben über 80 Prozent der aufgeklärten Spenderkinder diese Menschen kennenlernen möchten. Und sie möchten dann nicht nur einen Namen wissen oder ein Geburtsdatum, sondern sie möchten sie als Person wahrnehmen und eventuell auch mögliche Halbgeschwister kennenlernen. Sie möchten mit ihnen einmal sprechen, sie möchten etwas Greifbares haben, und sie möchten eben selbst auch als Person wahrgenommen werden."

Anne Meier-Credner, Verein Spenderkinder

Fazit: Die Reproduktionsmedizin bleibt ein Feld mit vielen Herausforderungen. Reformen scheinen dringend notwendig. Die hat die Koalition zwar angekündigt, aber ob und wann sie kommen, ist noch nicht abzusehen.


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