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Planetary Health Diet Insekten und Algen essen?

Mehr pflanzliche, weniger tierische Nahrung: Die EAT-Lancet Kommission hat die "planetary health diet" zusammengestellt. Die Proteinzufuhr soll in Zukunft auch aus Quellen wie Insekten und Algen kommen. Kann das klappen?

Von: Florian Heinhold

Stand: 09.09.2024

Heuschrecken als Snack | Bild: BR

Der Klimawandel und die explodierende Weltbevölkerung sorgen dafür, dass sich unsere Ernährung ändern muss.

"Der wichtigste Punkt ist die Reduktion der tierischen Lebensmittel."

Prof. Dr. oec. troph. Bernhard Watzl, Ernährungswissenschaftler, Präsident der Deutschen Gesellschaft für Ernährung

Nur: wie realistisch ist das? Gerade der Verzicht auf Fleisch, fällt vielen schwer. Brauchen wir ganz neue Lebensmittel? Könnten Algen und Insekten die Proteinquellen der Zukunft werden?

Heuschrecken auf der Speisekarte

In der Australian Bar in Nürnberg von Wirt Richard Karatay stehen jetzt schon Heuschrecken mit zweierlei Dip auf der Speisekarte. Der Geschmack: nussig.

"Man kann ein ganzes Gericht daraus kreieren wie einen Burger. Die schmecken super und sind sehr gesund."

Kevin Kösegy, Australian Bar and Grill, Nürnberg

Tatsächlich haben Heuschrecken jede Menge Proteine. Der Heuschreckensnack ist für viele Gäste aber noch gewöhnungsbedürftig und vor allem eine Mutprobe.

Planetary Health Diet: sich gesund und klimaschonend ernähren

Die Suche nach alternativen Proteinquellen läuft weltweit auf Hochtouren. Der Klimawandel wird unseren Speiseplan verändern. Der Fleischkonsum ist eine der Hauptursachen für die globale Erwärmung: Die Tierhaltung verursacht mehr Treibhausgase als der weltweite Verkehr.

Ein internationales Forscherteam hat deshalb die "planetary health diet" entwickelt: Eine Empfehlung dafür, wie wir uns gesund und klimaschonend ernähren können. Ein Umdenken ist unbedingt notwendig, sagt auch der Präsident der Deutschen Gesellschaft für Ernährung, Bernhard Watzl:

"Im Prinzip haben wir gar keine Alternative, wir müssen das ändern, damit wir die Klimaveränderung nicht so negativ beeinflussen, wie wir es derzeit machen. Bei einer fleischbetonten Ernährung ist nicht nur viel Fleisch da, sondern es fehlen die pflanzlichen Lebensmittel. Das hat Folgen zum Beispiel für die Dickdarmkrebsentstehung, für das Risiko Herzkreislauferkrankungen zu bekommen, Diabetes oder Adipositas."

Prof. Dr. oec. troph. Bernhard Watzl, Ernährungswissenschaftler, Präsident der Deutschen Gesellschaft für Ernährung

Pflanzliche Lebensmittel im Fokus

Wie die Empfehlungen für die "planetary health diet" genau aussehen, erklärt Ernährungswissenschaftlerin Dr. Nicole Erickson. Die Tagesration an bestimmten Lebensmittelgruppen ist darin festgelegt - also für Obst und Gemüse, Getreide, Nüsse, Hülsenfrüchte, Fette, Zucker und tierische Produkte. So sollte man pro Tag im Schnitt 200 Gramm Obst, 300 Gramm Gemüse und 75 Gramm Hülsenfrüchte essen. Dagegen im Durchschnitt pro Tag nur noch 14 Gramm rotes Fleisch, nicht mehr als 28 Gramm Geflügel und die gleiche Menge Fisch.

"Sie können auch Fleisch essen. Aber nicht in den großen Mengen, wie wir es in einem Restaurant auf den Teller bekommen. Die Betonung liegt wie bei jeder gesunden Ernährung auf pflanzlichen Lebensmitteln. Wenn wir mit unseren Großeltern reden, die haben Fleisch auch nur als Sonntagsbraten gegessen."

Dr. hum. biol. Nicole Erickson, Ernährungswissenschaftlerin, Klinikum Großhadern, München

Insekten als Tierfutter

Andererseits: Könnte man Fleisch selbst nicht klimafreundlicher machen? Die Firma Farminsect in Oberbergkirchen bei Mühldorf hat genau das vor. Sie setzen auf Insekten als Tierfutter. Dadurch soll der CO2-Fußabdruck eines Schnitzels aus dem Supermarkt deutlich sinken.

Denn ein großer Teil des Problems ist die Tiernahrung. Bisher wird vor allem Soja und Fischmehl verfüttert und Tierfutter über die ganze Welt verschifft. Regional gezüchtete Insekten haben aber einen um 40 Prozent kleineren CO2-Fußabdruck.

"Zum einen ist die Sojaproduktion sehr energieintensiv, erfordert sehr viel Dünger und muss um den halben Erdball gefahren werden, bis es bei uns ankommt. Und aktuell sind wir in vielen Bereichen an den planetaren Grenzen angekommen. Das heißt, um mehr Soja anzubauen, müssen wir Regenwald abbrennen und andere Ökosysteme zerstören. Wohingegen wir mit den Insekten unsere regionalen Ressourcen effizient nutzen und so wieder eine Kreislaufwirtschaft stattfinden kann."

Wolfgang Westermeier, Farminsect, Oberbergkirchen  

Algen als Eiweißlieferanten

Aber auch im Meer schlummern Proteinquellen. Meeres-Algen spielen in der asiatischen Küche schon länger eine Rolle. In Dolceacqua in Ligurien kultiviert Landwirt Nuccio Garoscio Mikroalgen in Süßwasser. Spirulina, eine Gattung der auch Blaualgen genannten Cyanobakterien, zählt zu den ältesten Lebewesen der Welt.

"Spirulina ist ein altes Lebensmittel, das uns in die Zukunft führt. Es bindet CO2 und braucht wenig Wasser – wir produzieren mit geschlossenem Kreislauf. Und es besteht zu über 60 Prozent aus Proteinen."

Nuccio Garoscio, Landwirt, Dolceacqua, Ligurien

Er macht daraus zum Beispiel zu Nudeln, aber auch Pulver als Protein-Zugabe zu anderen Speisen. Noch sind Algen und Insekten oft eher Lifestyle-Produkte. Doch Experten sehen Potenzial.

"Ob es Insekten oder Algen sind: Ich bin absolut sicher, dass wir solche Quellen in Zukunft viel intensiver nutzen werden."

Prof. Dr. oec. troph. Bernhard Watzl, Ernährungswissenschaftler, Präsident der Deutschen Gesellschaft für Ernährung


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