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Kreisrunder, erblicher und diffuser Haarausfall Was hilft gegen Haarausfall bei Frauen?

Wenn über mehrere Wochen mehr als 100 Haare am Tag ausfallen, sollten Frauen zum Hautarzt gehen. Denn Haarausfall kann ganz verschiedene Ursachen haben. Und auch die Behandlungen unterscheiden sich sehr.

Von: Monika Hippold

Stand: 08.06.2024

Kreisrunder, erblicher und diffuser Haarausfall: Was hilft gegen Haarausfall bei Frauen?

Mit Anfang 20 merkt Kerstin Zienert, dass ihr immer mehr Haare ausgehen. Als sie plötzlich ganze Büschel in der Hand hat, bekommt sie Angst.

"Das ging stellenweise. Am Anfang hat jeder gesagt, na ja, das wächst wieder zu. Das kann mal auftauchen. Und dann ist es immer schlimmer geworden. Man schaut sich im Spiegel an, erkennt sich nicht mehr, wenn nur noch so lange Strähnen runterhängen. Man schaut aus wie eine alte Frau und das mit Anfang 20. Jeden Morgen ist man damit konfrontiert, und das macht einen einfach fertig. Es ist auch so eine Traurigkeit, weil einem niemand helfen kann."

Kerstin Zienert

Kreisrunder Haarausfall: Alopecia Areata

Kerstin Zienert hat kreisrunden Haarausfall, der Fachbegriff ist Alopecia Areata. Es ist eine Autoimmunerkrankung. Der Körper greift dabei die Haarfollikel an, die die Haarwurzel umgeben. Ein bis zwei Prozent aller Frauen sind davon betroffen. Oft tritt die Krankheit schon in der Kindheit das erste Mal auf. Bei knapp der Hälfte der Betroffenen wachsen die Haare innerhalb eines Jahres wieder nach – eine Spontanheilung ganz ohne Therapie. Doch die Erkrankung verläuft in Wellen, die Rückfallquote ist hoch.

Diffuser und erblich bedingter Haarausfall

Neben dem kreisrunden Haarausfall gibt es noch weitere Formen – wie den diffusen und den erblichen. Sie treten häufiger auf: Etwa jede dritte Frau leidet im Lauf ihres Lebens daran. Bei Frauen lichtet sich dabei meist das Haar um den Scheitel herum. Die Ursachen sind ganz unterschiedlich. Beim erblich bedingten Haarausfall, auch genannt androgenetische Alopezie, reagieren die Haarwurzeln empfindlich auf männliche Sexualhormone, die Androgene. Etwa 20 Prozent der Frauen sind davon betroffen. Ab einem Alter von 50 Jahren verdoppelt sich die Zahl.

Eisenmangel: Ein Grund für diffusen Haarausfall

Der diffuse Haarausfall ist eher ein Symptom – er kann zum Beispiel als Nebenwirkung eines Medikaments auftreten, nach einer Infektion, durch Vitamin-, Eisen- oder Zinkmangel, andauernden Stress oder als Folge einer chronisch-entzündlichen Erkrankung. Um die Ursache herauszufinden und dann zu behandeln, müssen Ärztinnen und Ärzte ihre Patientinnen genau untersuchen. Wichtig ist ein ausführliches Anamnese-Gespräch, anschließend werden Haare und Kopfhaut mit der Lupe, unter dem Mikroskop oder im Labor untersucht.  

Minoxidil und 17-Alpha-Estradiol gegen Haarausfall

Dema M. bemerkte vor rund zwei Jahren, dass ihre Haare immer weniger wurden. Ein Bluttest bei Hautarzt Prof. Christoph Luderschmidt zeigt: Ihr Eisenwert ist viel zu niedrig. Eisen ist aber wichtig für die Zellteilung der Haarzwiebel, dem unteren Ende der Haarwurzel. Dema M. bekommt deswegen nun Eiseninfusionen und -tabletten und trägt ein Medikament auf ihre Kopfhaut auf. Standard ist der Wirkstoff Minoxidil. Prof. Luderschmidt verschreibt seinen Patientinnen zusätzlich das Östrogen 17-Alpha Estradiol, auch genannt Alfatradiol.

"Minoxidil wirkt direkt an der Haarwurzel. Die Haarwurzel produziert ein dickeres Haar und produziert dieses auch schneller. Durch niederdosiertes Östrogen, wie zum Beispiel 17-Alpha-Estradiol, wird das Haar in der Wachstumsphase gehalten und die Wachstumsphase verlängert. Dadurch kommt es zu deutlich vermindertem Haarverlust."

Prof. Dr. med. Christoph Luderschmidt, Dermatologe, München

Die Studienlage ist bei Minoxidil gut – für die Wirkung von 17-Alpha-Estradiol gibt es noch keine ausreichenden Belege. Gesetzliche Krankenkassen zahlen normalerweise keines der beiden Mittel. Denn: Sie stufen Haarausfall nicht als Krankheit ein, sondern als kosmetisches Problem, als Lifestyle-Erkrankung.

Geduld nötig: Haare wachsen langsam nach

Das Gute: Bei diffusem Haarausfall kommen die Haare meist wieder zurück, sobald die Ursache behandelt ist. Doch bis die Patientinnen dies bemerken, dauert es. Denn:

"Das Haar wächst 0,3 Millimeter am Tag. Es dauert etwa sechs bis zehn Wochen, bis das Haar aus der Haut heraus und vorgewachsen ist. Erst dann kann die Patientin feststellen, dass ein neues Haar nachwächst."

Prof. Dr. med. Christoph Luderschmidt, Dermatologe, München

Dema M. sieht schon Verbesserungen, ihre Haare wachsen langsam nach. So geht es auch Christa Hitzler. Bei ihr tritt der diffuse Haarausfall als Nebenwirkung eines Medikamentes auf, das sie dauerhaft einnehmen muss. Und: Sie hat zusätzlich erblich bedingten Haarausfall.

"Am Oberkopf habe ich es hauptsächlich gesehen. Das ist nicht schön, das ist unangenehm als Frau, wenn dir da die Haare fehlen. Ich habe mich schon gar nicht mehr getraut, mir die Haare zu waschen. Das war beängstigend. Man kriegt Angst, wenn man mit so einer Platte rumläuft."

Christa Hitzler

Erblich bedingter Haarausfall: Minoxidil und PRP

Minoxidil ist auch bei erblich bedingtem Haarausfall die Standardtherapie. Christa Hitzler hat sich zusätzlich für eine relativ neue Therapie entschieden, die sogenannte PRP-Therapie. PRP steht für „platelet rich plasma“ – plättchenreiches Plasma. Das heißt: Ihr wird Blut entnommen, dieses wird dann speziell zentrifugiert, mit bis zu 4.000 Umdrehungen. Das Blutplasma trennt sich dabei von den roten Blutkörperchen. Es enthält nun Wachstumsfaktoren und Blutplättchen. Dieses Plasma spritzt ihr Arzt ihr dann wieder an die Haarzwiebeln. 

"Wir spritzen das Plasma relativ nah an die Zwiebel heran. Die Wachstumsfaktoren, die jetzt im Plasma vorhanden sind, wirken sich auf das Haarwachstum in der Zwiebel aus."

Prof. Dr. med. Christoph Luderschmidt, Dermatologe, München

Eine Sitzung kostet 240 Euro, eine Privatleistung. Prof. Luderschmidt empfiehlt, die Therapie über mindestens sechs Monate durchzuführen, anfangs wöchentlich, dann mit immer größeren Abständen. Christa Hitzler ist zufrieden:

"Ich sehe wirklich die Haare wachsen und das freut mich natürlich sehr. Die ganze Platte ist zu, was will ich noch mehr."

Christa Hitzler

Prof. Luderschmidt macht bei seinen Patientinnen gute Erfahrungen mit der Therapie. Skeptisch ist hingegen Prof. Sticherling vom Uniklinikum Erlangen - er findet die Studienlage dieser Therapie zu dünn. Und:

"Es gibt kein standardisiertes Verfahren dazu, weder in der Gewinnung der Plättchen, der Aufbereitung der Plättchen, noch dann in deren Anwendung an der Kopfhaut."

Prof. Dr. med. Michael Sticherling, Stv. Klinikdirektor Hautklinik, Uniklinikum Erlangen

Behandlung von kreisrundem Haarausfall schwierig

Die schlechtesten Chancen bei einer Behandlung haben Patientinnen mit kreisrundem Haarausfall. Standard ist eine lokale Therapie mit Kortison oder immunstimulierenden Mitteln. Doch:

"Die Erfolgschancen der bisher verfügbaren Medikamente sind entweder nicht gut dokumentiert, also in Studien untersucht, oder relativ schlecht mit Antwortraten zwischen 30 bis 40 Prozent."

Prof. Dr. med. Michael Sticherling, Stv. Klinikdirektor Hautklinik, Uniklinikum Erlangen

Als Kerstin Zienert ihren Haarausfall bemerkt, geht sie zu verschiedenen Ärzten. Verzweifelt versucht sie alles, damit die Haare wiederkommen – ohne Erfolg.

"Ich habe sämtliche Therapien ausprobiert, die es gibt. Einmal die Apotheke rauf und runter. Ich war bei Hautärzten, Wunderheilern, Schamanen, ich bin über grüne Wiesen gelaufen. Ich habe Lepra Mittel genommen, bis meine Leber gesagt hat, sie macht nicht mehr mit."

Kerstin Zienert

Januskinase-Hemmer gegen kreisrunden Haarausfall zugelassen

Relativ neu gegen kreisrunden Haarausfall zugelassen sind sogenannte Januskinase-Hemmer. Bisher wurden die Medikamente in der Onkologie und Rheumatologie eingesetzt.

"Das sind Substanzen, die in der Zelle die Signalübertragung zum Zellkern und damit das Entstehen von Entzündungsstoffen beeinflussen. Nachdem wir den kreisrunden Haarausfall lange nur bedingt gut behandeln konnten, bilden diese Januskinase-Hemmer einen ganz erheblichen Fortschritt. Eine große Zahl von Patienten mit kreisrundem Haarausfall zeigt wieder Haarwachstum."

Prof. Dr. med. Michael Sticherling, Stv. Klinikdirektor Hautklinik, Uniklinikum Erlangen

Schwere Nebenwirkungen möglich

Zugelassen ist das Medikament aber nur für die schweren Fälle des kreisrunden Haarausfalls, ab etwa 50 Prozent Haarverlust auf der Kopfhaut. Und Prof. Sticherling empfiehlt das Medikament nur ganz bestimmten Patientinnen: Jungen, gesunden Frauen, ohne Vorerkrankungen. Denn das Mittel kann sonst schwere Nebenwirkungen hervorrufen, Nieren und Leber schädigen, Magen-Darmprobleme und sogar Hirnblutungen verursachen.

"Mögliche Nebenwirkungen sind im Herz-Kreislauf-System beispielsweise Herzinfarkte, das Entstehen und Weitertragen von Blutgerinnseln, sogenannte Embolien, und das Entstehen von bösartigen Erkrankungen."

Prof. Dr. med. Michael Sticherling, Stv. Klinikdirektor Hautklinik, Uniklinikum Erlangen

Das Medikament ist deswegen umstritten. Und: Patientinnen müssen es dauerhaft einnehmen. Setzen sie es ab, fallen die Haare wieder aus. Für Kerstin Zienert ist das keine Option.

"Weil die Nebenwirkungen einfach zu heftig sein könnten. Mir ist der Preis zu hoch für vorübergehenden Haarwuchs. Ich möchte gerne gesund sein."

Kerstin Zienert

Perücken statt Medikamente

Ihre Lösung: Sie trägt Perücken. Rot, dunkelblond, braun - lang oder kurz - ihre Frisuren wechselt sie durch.

"Ich komme hier supergut klar mit meinen Perücken und fühle mich damit auch wohl. Das sind meine Haare, die style und frisiere ich nach Lust und Laune. Und ja, selbst da freut man sich mal über einen Bad Hair Day."

Kerstin Zienert

Haarausfall bei Frauen: eine Erkrankung mit vielen Ursachen – die oft eine individuelle Lösung braucht. 


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