Digitale Lehre in der Krisenzeit Howto Homestudying: Studium in Zeiten von Corona
Videokonferenzen, Online-Vorlesungen und WhatsApp-Gruppen: Zum Start des Sommersemesters 2020 ist diesmal alles digital. Aber wie sieht dieses digitale Lehren und Lernen eigentlich konkret aus und wo stoßen die digitalen Möglichkeiten an ihre Grenzen? Lehrende und Studierende geben Einblick in ihren Uni-Alltag aus dem Homeoffice.
Morgens, 9.30 Uhr: Professorin Claudia Bader sitzt an ihrem Schreibtisch und richtet ihren Computer für die bevorstehende Online-Vorlesung ein. Acht Studierende sitzen zeitgleich an ihren Schreibtischen und warten darauf, dass Claudia Bader den Online-Raum für die Vorlesung eröffnet. Das ist nur ein Beispiel dafür, wie die Lehre an Hochschulen und Universitäten derzeit stattfindet. Neben Online-Vorlesungen gibt es teilweise auch kreative Konzepte, wie zum Beispiel den Einsatz von virtuellen Avataren:
Die Umstellung auf Unterricht Digital ist eine Herausforderung
Claudia Bader unterrichtet an der Hochschule Fresenius in München im Studienfach “Physician Assistance“. Hier qualifizieren sich Studierende für die Ausübung von ärztlichen Tätigkeiten, um im Anschluss an das Studium als ein Bindeglied in der Patientenversorgung zu arbeiten. Dabei handelt es sich um ein Berufsbild zwischen Pflege und Arzt.
Mit ihren Studierenden kommuniziert Claudia Bader über den Messenger-Dienst WhatsApp und ihre Vorlesungen hält sie über den Web-Dienst ‘GoToMeeting‘. Für Claudia Bader ist die Umstellung auf digitale Lehrmethoden eine Herausforderung. Normalerweise steht sie in ihren Präsenzveranstaltungen gerne an der Tafel und vermittelt den Studierenden die Inhalte persönlich.
"Es fällt eigentlich das ganze Gefühl der Menschlichkeit weg. Oft kann ich über den Bildschirm nicht sehen, wenn jemand stutzig ist. Im Hörsaal ist das ganz klar – da sehe ich in den Gesichtern, wenn etwas überhaupt nicht angekommen ist und kann darauf reagieren und diejenigen auch namentlich ansprechen. Das fällt mir bei der digitalen Lehre schwer."
Claudia Bader, Hochschule Fresenius in München
Der persönliche Kontakt fehlt
Studentin Nathalie Boghdady (22) in ihrer heimischen Lernumgebung mit ihrer Katze gerade auf dem Fensterbrett
Eine von Claudia Baders Studierenden ist die 22jährige Nathalie aus München. Ihr fehlt in erster Linie der Kontakt zu ihren Kommiliton*innen. Normalerweise würden sie in Pausen gemeinsam lernen oder über die Vorlesungsinhalte sprechen. Online ist das nur bedingt möglich. Außerdem fühlt sich Nathalie in der Uni als Lernumgebung wohler. Zuhause wird sie schneller abgelenkt – besonders durch ihren acht Monate alten Kater. "Er braucht viel Aufmerksamkeit", erzählt sie,"„manchmal springt er auf meinen Schoß oder läuft an der Laptop-Kamera vorbei – da haben mich auch schon Dozenten drauf angesprochen, dass sie das stört."
Klarinettenunterricht ohne persönlichen Kontakt
Besonders herausfordernd ist die digitale Lehre für Studiengänge, die Praxis-nah konzipiert sind – wie zum Beispiel an der Hochschule für Musik und Theater in München. Prof. Georg Arzberger unterrichtet im Fach Klarinette. Er muss den Einzelunterricht mit seinen Studierenden derzeit per Video-Übertragung realisieren und stößt hierbei immer wieder an Grenzen:
"Es macht die Ausbildung schon sehr schwer. Bei einer Übertragung kann ich rein technisch kaum etwas beurteilen. Dann kommt natürlich in unserem Beruf die Komponente noch dazu, dass wir nicht nur Instrumentalisten ausbilden wollen, die ihr Instrument irgendwie beherrschen, sondern wir wollen doch auch Künstler ausbilden – Persönlichkeiten, die eine Idee von Musik kriegen sollen. Es ist absolut notwendig, dass man interagiert und dass man persönlich kommuniziert und dieser Punkt fehlt natürlich im Moment total."
Prof. Georg Arzberger, Hochschule für Musik und Theater in München
Der Wunsch nach Präsenzlehre ist groß
Die Studentin Arabella Purucker (Studienfach Klarinette) wünscht sich so schnell wie möglich wieder Einzelunterricht als Präsenzlehre. Sie ist der Meinung, dass sich die theoretischen Fächer gut online umsetzen lassen, dass es für den Einzelunterricht allerdings wichtig sei, bald wieder in einem Raum gemeinsam kommunizieren und Musik spielen zu können. Für sie sei der Online-Unterricht viel zu oberflächlich und klanglich schwierig zu beurteilen. "Man verbringt echt viel Zeit damit nachzufragen, was der andere gesagt hat. Die Technik ist ein Zeitfresser", betont sie.
Auch positive Effekte der digitalen Lehre
Wegen der schlechten Tonqualität im Online-Unterricht bekommt Prof. Dr. Arzberger alle zwei Wochen gute Tonaufnahmen zugeschickt.
Für Prof. Dr. Claudia Bader und Prof. Georg Arzberger gibt es auch positive Entwicklungen, die sie nach der Krisenzeit beibehalten möchten. Claudia Bader schätzt zum Beispiel den Kontakt zu ihren Studierenden über den Messenger-Dienst WhatsApp. So kann sie schnell auf Fragen ihrer Studierenden reagieren. Prof. Georg Arzberger hat aufgrund der schlechten Tonqualität bei der Video-Übertragung eingeführt, dass seine Studierenden ihm mindestens alle zwei Wochen Aufnahmen schicken, in welchen sie auf der Klarinette ein Stück spielen. Hierbei hat er festgestellt, dass die Studierenden sich viel Mühe geben und sehr selbstkritisch und reflektiert mit dieser Aufgabe umzugehen scheinen. "Das finde ich sehr fruchtbar und werde das in Zukunft sicherlich beibehalten", erklärt er.