Andreas Thamm "Wenn man so will, waren es die Aliens"
Josh ist 17, Schulabbrecher und lebt bei seinem Vater. Als der plötzlich verschwindet, macht sich sein Sohn auf die Suche nach ihm. Dabei helfen ihm seine Freunde. Der in Nürnberg lebende Autor Andreas Thamm stellt mit seinem zweiten Jugendroman eine gelungene, tragikomische Coming-of-age-Geschichte vor.
Mit "Heldenhaft" hatte der junge Bamberger Autor Andreas Thamm vor zwei Jahren einen beachtlichen Jugendroman über die Gefühlswelt eines 17-Jährigen geschrieben, dessen bester Freund aus dem Jugendarrest zurückkehrt. Mittlerweile lebt der 31-jährige Andreas Thamm in Nürnberg und arbeitet als Journalist beim Stadtmagazin "curt", als Literaturveranstalter und Schriftsteller.
Gerade ist von ihm, nach einem Kriminalroman, ein weiterer Jugendroman im Bamberger Magellan Verlag erschienen. Der trägt den ungewöhnlichen Titel "Wenn man so will, waren es die Aliens" und hat wieder einen 17-jährigen Ich-Erzähler im Zentrum.
Ein Jahr vor dem Abitur hat der 17-jährige Josh die Schule geschmissen. Er hilft seinem Vater das kleine Familienhotel an der Nordsee zu führen. Denn Joshs einsilbiger Vater Frank hat sich immer mehr in sich zurückgezogen.
"Papa verbrachte seine Arbeitszeit mittlerweile fast komplett in dem fensterlosen Kabuff hinter der Rezeption, seinem Büro, wo er tippend auf den alten Röhrenbildschirm (Windows 98, kein Scheiß!) glotzte, Buchungsanfragen bearbeitete und sich mit Gästen, die eine schlechte Bewertung hinterlassen hatten, in den Kommentarspalten der Buchungsportale aufs Übelste beschimpfte. – 'Auf ein undankbares Pack wie Sie, das in seinem Leben wahrscheinlich keinen Tag lang ehrlich gearbeitet hat, kann das Hotel Knutt in Zukunft gerne verzichten!'"
Zitat aus dem Roman 'Wenn man so will, waren es die Aliens'
Doch plötzlich ist Joshs Vater eines Morgens mitten in der Hochsaison verschwunden ohne eine Nachricht zu hinterlassen. Von einem Tag auf den anderen ist der 17-Jährige auf sich allein gestellt, muss ein Hotel führen, Entscheidungen treffen, die er sonst nicht treffen müsste, und vor allem seinen Vater wiederfinden.
"Ab wann beginnt man damit, einen Menschen zu suchen? Ab wann muss man zur Polizei, eine Vermisstenanzeige aufgeben? Ab wann macht man sich nicht mehr lächerlich, wenn man Angst hat, weil einer verschwunden ist?"
Zitat aus dem Roman 'Wenn man so will, waren es die Aliens'
Während Hausdame Frau Severin und Koch Gino das Hotel einigermaßen am Laufen halten, sucht Josh zusammen mit seinen Freunden Lasse und Fips nach seinem Vater. Auch die seltsame Schulkameradin Kia gesellt sich zum Trio, die ähnlich wie Luna Lovegood in den Harry Potter-Romanen, einen großen Hang zu Esoterik und UFOs hat und ihre ganz eigene Theorie über das Verschwinden des Vaters entwickelt, erklärt Autor Andreas Thamm.
"Kias Theorie ist eben, völlig logisch, dass es eine Alien-Entführung ist, die hier vorliegt. Ich habe mich auch in diese Phänomene eingelesen. Da gibt es sehr viele Geschichten. Und die hat die Kia auch alle gelesen. Sie setzt hier aus ihrer Sicht eins und eins zusammen und möchte nun die anderen drei davon überzeugen, dass das die einzige Erklärung ist. Sie hat auch Theorien, warum die Aliens diesen alten Hotelier entführen. Und es steht natürlich immer im Raum, ob es nicht vielleicht doch am Ende die Aliens waren. Aber das möchte ich nicht verraten."
Andreas Thamm im Interview
Wahrscheinlicher aber ist, dass Joshs Vater eine Auszeit brauchte, weil ihm alles über den Kopf wuchs. In verschiedenen Rückblenden erfährt man, wie Frank in eine tiefe Depression fiel, nachdem seine Frau ihn verlassen hatte, wie er sich in einer Klinik helfen ließ und wie er erneut langsam in ein dunkles Loch rutschte. Etwas, was Josh lange nicht sehen und wahrhaben wollte. Wie hier mit feinem Humor, grundiert von sanfter Melancholie, die Gedanken- und Gefühlswelt eines 17-Jährigen dargestellt wird, ist von großem Einfühlungsvermögen getragen.
"Ich glaube, es liegt mir auf eine gewisse Art nahe, so eine jugendliche Gedankenwelt abzubilden. Es ist aber immer ein Versuch, das sprachlich hinzukriegen, weil ich mir nicht hundertprozentig sicher bin wie das Vokabular von heute 17-Jährigen wirklich ist. Es ist immer nur eine Annäherung."
Andreas Thamm im Interview
Der Roman "Wenn man so will, waren es die Aliens" behandelt nicht nur wichtige Themen wie Depression und Toleranz. Auch sprachlich ist er gelungen, gerade weil Andreas Thamm nur dezente Anleihen an die Jugendsprache macht.
"Ich habe den Wunsch und die Hoffnung, dass auch Erwachsene das mit Freude und Gewinn lesen können, weil es ernste Themen sind und nicht exklusiv jugendliche Themen und Probleme sind. Und es ist auch nicht überdreht oder quatschig, sondern etwas Ruhigeres."
Andreas Thamm im Interview
Info & Bewertung
Andreas Thamm: "Wenn man so will, waren es die Aliens", Bamberg 2021, Magellan Verlag, 240 Seiten, 16,00 Euro, ISBN 978-3-7348-5050-9
Und das ist dem Nürnberger Autor Andreas Thamm tatsächlich gelungen. Obwohl im Jugendbuchprogramm des Magellan Verlags erschienen, ist dies ein vollgültiger Coming-of-age-Roman für alle Generationen. Tragikomisch, nachdenklich im Ton, mit wohl dosierten Pointen und Wesentliches verhandelnd.