Franken - Buchtipps


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Buchtipp Martina Bogdahn – "Mühlensommer"

Wer sich in dem Roman "Mühlensommer" die Schilderung eines idyllischen Landlebens erhofft – der wird enttäuscht. Aber alle, die lesen möchten, wie das Leben früher als Kind in einer Müllers-Familie auf dem Land wirklich war, können in das Erstlingswerk von Martina Bogdahn abtauchen.

Von: Julia Hofmann

Stand: 24.06.2024

Spiegel-Bestseller: Buchtipp "Mühlensommer" von Martina Bogdahn

Bücher, in denen gestresste, überarbeitete oder kranke Menschen aus der Stadt irgendwie Heilung durch das Landleben erfahren, erfreuen sich ja seit ein paar Jahren großer Beliebtheit. Dabei wird das Landleben oft glorifiziert, die eigentlich harte Knochenarbeit vergangener Zeiten wird verbal in weichem Licht serviert – kurz: Das beschriebene Leben auf dem Land hat wenig mit der Realität zu tun. Die in Weißenburg geborene Autorin Martina Bogdahn geht in ihrem ersten Roman einen ganz anderen, sprich viel ehrlicheren Weg.

Leben mit und in der Mühle – zupacken inbegriffen

Martina Bogdahn steht zusammen mit ihrem Vater vor einer bemehlten Arbeitsfläche. Sie kneten und formen Brotlaibe und sind ein eingespieltes Team. Hier in der Mühle ihrer Eltern im fränkischen Seenland hat sie das Zupacken gelernt. Und das braucht die Autorin auch, als Mutter von drei Jungs. Martina Bogdan lebt mit ihrer Familie in München, aber es zieht sie auch immer wieder zurück in ihre Heimat.

"Ich bin oft hier und helfe meinen Eltern beim Brotbacken und ich bin hier aufgewachsen mit Nutztieren. Und wie bei vielen Kindern in der Landwirtschaft gab's halt keinen Urlaub in den Sommerferien und sonst nicht. Die Tiere müssen versorgt werden. Es hat sich diese Frage aber auch nie gestetllt. Aber wir sind so ganz gut zurecht gekommen und vielleicht habe ich es ja geschafft, das in dem Buch zu transportieren."

Autorin Martina Bogdahn

Erstlingswerk mit Geschichten aus dem eigenen Leben

Der Roman "Mühlensommer" ist das erste Buch der 48-Jährigen. Die Mäusleinsmühle am Brombach bei Pleinfeld ist ihre Heimat und der autobiografische Boden, so sagt sie, auf dem ihre Geschichten gewachsen sind.

Als junge Frau hat sie den Einödhof allerdings verlassen und arbeitet heute als freiberufliche Fotografin in München. Diese Gegensätzlichkeiten von Stadt- und Landleben liefern ihr zusätzlich viel Stoff als Autorin.

"Ich lebe tatsächlich in der Großstadt mit meinen Kindern und habe da meinen Beruf. Aber ich merke, wie gerne ich hierher fahre und es gibt einen Satz in dem Buch der heißt: 'Man weiß nie, wohin einen das Leben führt, aber man weiß immer, woher man kommt.'"

Autorin Martina Bogdahn

Buchtipp: "Mühlensommer" von Martina Bogdahn

Protagonistin Marie muss in ländliche Heimat zurückkehren

Die Protagonistin in ihrem Roman "Mühlensommer" muss das allerdings noch schätzen lernen. Marie, eine alleinerziehende Mutter zweier halbwüchsiger Töchter, ist überzeugter Stadtmensch. Doch ein Unglücksfall führt sie zurück in die Mühle, in der sie aufgewachsen ist. Und während sie ihrer Mutter hilft, die demente Großmutter zu pflegen, die Mühle am Laufen zu halten und die Tiere zu versorgen, kehren die Erinnerungen an früher zurück. Und es brechen alte Konflikte auf – zum Beispiel mit dem Bruder bezüglich der Frage, wer die Mühle weiterbewirtschaften wird.

Statt verklärter Erinnerungen ungeschöntes Landleben

Dabei serviert Martina Bogdan ihren Leserinnen und Lesern keine verklärten Erinnerungen. Sie beschreibt drastisch und ungeschönt die nicht enden wollende Arbeit auf dem Hof oder das blutige Schweineschlachten – und die Hänseleien, denen Bauernkinder auf weiterführenden Schulen ausgesetzt waren. Das alles hat die Autorin selbst erlebt und durchlitten.

Als ihre Mitschüler mit 14 auf den Mofa-Führerschein hinfieberten, durfte Martina den Traktorführerschein machen – überhaupt war vieles anders für Kinder, die auf dem Land aufwuchsen... Damals wollte sie dem unbedingt entfliehen – aber inzwischen hat sie erkannt, was für ein Schatz ihr da mitgegeben wurde.

"Ich glaube, die Geschichte dieses Buches war irgendwie schon da. Das war schon in mir drin – das musste einfach raus. Ich habe geschrieben wie besessen, ein halbes Jahr lang. Ich konnte jeden Abend nichts anderes machen als mich hinsetzen und schreiben ... Als Ziel habe ich vielleicht, dass eine neue Tür aufgeht. Und vielleicht gibt’s jetzt ja zwei Welten für mich, als Fotografin und als Autorin. Das würde ich mir, glaube ich, wünschen."

Autorin Martina Bogdahn

Martina liebt das Fotografieren und das Schreiben. Damit sind ihre Tage gut gefüllt, trotzdem will sie das Backen auf keinen Fall aufgeben. Zusammen mit ihrem Vater schiebt sie gerade mit großen Holzschaufeln die geformten Brotlaibe in den Holzbackofen.

"Nach ein paar Stunden mit den Händen was geschaffen zu haben, was gut riecht, was man essen kann und wo Leute kommen, um es auch zu genießen, ist etwas anderes wie mein Job als Fotografin, der oft sehr theoretisch ist. Wo man oft Monate lang auf das Ergebnis warten muss. Und noch schlimmer als Autorin, weil ich vier Jahr lang dran geschrieben habe."

 Autorin Martina Bogdahn

Martina Bogdahn muss jetzt warten, bis die Brote fertig sind. Und sie ist gespannt, was ihr erster Roman mit ihr und ihrem Leben so macht. Schreiben will sie aber weiter – eine Idee für ein zweites Buch hat sie bereits.

Mit Herzenswärme und Humor – unterhaltsam und spannend

Martina Bogdan wechselt in ihrem Roman immer wieder von der Gegenwart in die Vergangenheit und erzählt mit Herzenswärme und Humor. Sie lässt die Sorgen, die Erschöpfung und die Konflikte, die so ein Landleben unweigerlich mit sich bringen, für die Leserinnen und Leser lebendig werden. Statt Schönmalerei und Verklärung setzt sie auf Ereignisse oder Tätigkeiten. Es passiert immer etwas, das die Handlung vorantreibt.

Wertung: 4 Frankenrechen von 5 | Bild: BR

Martina Bogdahn: Mühlensommer, Roman, Kiepenheuer und Witsch 2024, 336 Seiten, 23,00 Euro, ISBN 978-3-462-00478-6

Die handelnden Personen um die Protagonistin Marie herum bleiben dabei allerdings etwas blass. Was lässt die Mutter von Marie durchhalten? Was hat den Bruder so bitter werden lassen? Aber ein Roman muss nicht zwingend auf alle Fragen eine Antwort geben – unterhaltsam und spannend bleibt "Mühlensommer" trotzdem bis zur letzten Seite.


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