Franken - Buchtipps


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Christian Nürnberger Die verkaufte Demokratie

Das Buch von Christian Nürnberger sieht auf den ersten Blick nach populistischer Kapitalismuskritik aus. Doch es steckt mehr dahinter. Und das liegt auch an den vielen regionalen, fränkischen Vorbildern für eine "bessere Welt".

Von: Wolfram Weltzer

Stand: 14.07.2015 | Archiv

Buch-Cover: Christian Nürnberger - Die verkaufte Demokratie  | Bild: Ludwig-Verlag; Bild: BR-Studio Franken

Der in Lauf geborene, aber seit langem in Rheinland-Pfalz lebende Publizist Christian Nürnberger hat mit "Die verkaufte Demokratie - wie unser Land dem Geld geopfert wird" ein Buch vorgelegt, das auf den ersten Blick nach populistischer Kapitalismuskritik aussieht. Es steckt mehr dahinter, und das liegt auch an den vielen regionalen, fränkischen Vorbildern für eine "bessere Welt".

Die Welt ist schlecht. Diesen Eindruck muss gewinnen, wer die ersten 160 Seiten von Christian Nürnbergers "verkaufter Demokratie" liest:

"Alles spricht für Öko und Regio. Aber die Bürger haben in dieser Frage nichts zu entscheiden. Es ist der agroindustrielle Komplex."

Buchzitat

"Neue Dämonen, die auf den Namen Big Data hören, bergen ein vielfältiges Katastrophenpotential in sich."

Buchzitat

"In ganz Europa sehe ich nicht einen einzigen Politiker, der eine Vorstellung davon hat, wie wir die demokratische Ordnung unter den Bedingungen einer globalisierten Welt erhalten können."

Buchzitat

"So bewegen wir uns ohne Plan, nur von politischen und ökonomischen Kurzfristinteressen gesteuert, in eine Zukunft, die am Ende niemand gewollt haben wird."

Buchzitat

"Die verkaufte Demokratie": Christian Nürnberger liest

Die gesamte links-ökologische Gesellschaftskritik der letzten Jahrzehnte schlägt einem da entgegen - allerdings nicht populistisch platt als Sammelsurium, sondern analytisch geordnet. Auch dem häufigen Konsumenten von Büchern und Zeitschriften aus dem ökosozialen Spektrum dürften dadurch neue Zusammenhänge aufgehen. Und wer noch nicht so viel über den Zusammenhang von Marktliberalisierung und Demokratie nachgedacht hat, der bekommt eine Ahnung davon, warum weder der Markt noch der Staat die drängenden Probleme von Krieg, Flüchtlingselend und drohender Klimakatastrophe lösen können.

Wie wird die Welt wieder gut?

Rettet die Welt - nicht: Rettet die Wale, den Wald oder die Währung! - Rettet die Welt, das ist es, worum es sich bei Nürnbergers dreht. Auch wenn er in der Überschrift zur zweiten Hälfte etwas bescheidener fragt, wie sich die Bürger in unserer Demokratie unser Land zurückholen können.

Eigentlich kann so ein Buch nicht gelingen. Die Antworten sind vielfältig von Soziologen, Philosophen, Parteistrategen und Esoterikern auf den Buchmarkt geworfen worden. Gänzlich überzeugt hat davon kaum etwas. Wie also will Christian Nürnberger die Welt retten? Durch Konsumverzicht? Nein. Dazu ist er zu pragmatisch. Durch neue Technologien? Auch nicht. Die sind ihm eher suspekt, weil sie den Bürger eher entmachten; genauso wie die großen Player der Wirtschaft, deren immer weiter steigender Macht er letztlich die Schuld an all den sozialen und ökologischen Fehlentwicklungen gibt. Mit den Grünen? Denen traut es der links-alternativ argumentierende Publizist ebenso wenig zu wie seiner eigenen Partei. Nürnberger ist nämlich SPD-Mitglied, was - auf ungeplante Weise - viel zu seinem Buch beigetragen hat.

"Sie haben mir für 40 Jahre Leiden an der SPD die silberne Ehrennadel verliehen. Da bin ich dann von Mainz nach Schönberg gefahren, das ein Ortsteil von Lauf ist. Und plötzlich saß da der Thomas Beyer, damals Fraktionsvorsitzender oder Stellvertreter im Bayerischen Landtag, und hat gesagt, wie es denn wär, weil bald Wahlen sind und die Personaldecke dünn ist, da könnten sie einen brauchen. Er hat nicht gesagt, wir könnten ein Dummen brauchen, er hat nur gesagt wir könnten einen brauchen."

Autor Christian Nürnberger

Nürnberger schaffte es nicht in den Bundestag, machte aber prägende Erfahrungen. Desillusionierende in der eigenen Partei, Ermutigende dagegen in der alten Heimat im Nürnberger Land. Das Projekt "Heimat aufm Teller" mit regionalen Lebensmitteln in der Gastwirtschaft, einen Ökobauern auf für den Naturschutz wertvollen Weiden oder die Schreinerei "Möbelmacher" von Herwig Danzer in Unterkrumbach, die ausschließlich auf regionales Buchenholz setzt.

"Es ist schön, so ein Holz anzufassen. Es ist schön, von so einem Holz umgeben zu sein. Es ist aber auch das Wissen darum, dass hinter dieser ganzen Arbeit, die hier gemacht wird, auch eine andere Einstellung zur Welt steht und auch zum Markt und zur Wirtschaft. Und wenn diese Einstellung sich verbreiten würde, wäre die Welt eine bessere. Sie wäre entschlechtert."

Autor Christian Nürnberger

Der erfolgreiche Unternehmer Danzer macht da ein bisschen auf Understatement - und tippt doch die richtige Frage an: Retten dezentrale Projekte wirklich die Welt? Christian Nürnberger weiß um die Problematik. Regionalwirtschaftsideen von unten lediglich aneinanderzureihen, wird nicht ausreichen, um dem zuvor beschriebenen Machtwirtschaftskomplex der Großbanken und -Konzerne etwas entgegensetzen?

"Die Lösung ist natürlich, dass die sich alle integrieren und miteinander verzahnen. Noch sind das Insellösungen Die Schreinerei ist eine Insel, Heimat aufm Teller ist eine Insel - und da gibt's noch mehr Möglichkeiten sich zu vernetzen und das zu einem Gesamtkonzept zu integrieren und dann so eine regionale Wirtschaft von unten wachsen."

Autor Christian Nürnberger

Dass Nürnberger so sehr darauf setzt, hat einen Grund: Während in der Politikwissenschaft oft gestritten wird, ob Fehlentwicklungen eher als Marktversagen zu interpretieren sind oder als Staatsversagen, vertraut Nürnberger beiden Institutionen nicht. Und sieht deshalb die Bürger in der Pflicht.

"Die Politiker funktionieren nicht, aber auch der Konsument, auch der Medienkonsument, der Bürger funktioniert nicht. Das hab ich auch den Bürgern im Wahlkampf gesagt. Vor allem diesen Wutbürgern, die maulend abseits stehen, hab ich gesagt: Leute, wenn etwas schlecht läuft, dann gibt es die Möglichkeit in eine Partei einzutreten und dafür zu sorgen, dass es besser läuft. Also hängt es auch davon ab, dass wir einen mündigen Bürger haben, der sagt, ich mach da nicht mehr mit."

Autor Christian Nürnberger

Info & Bewertung

Wertung: 4 Frankenrechen von 5 | Bild: BR

Christian Nürnberger: Die verkaufte Demokratie - Wie unser Land dem Geld geopfert wird. Ludwig Verlag, München, 2015. 368 Seiten, 19,99 Euro, ISBN 978-3-453-28070-0

Ob es dazu kommen wird? Christian Nürnberger, der brillant schreibende Skeptiker, ist nicht entschieden. Denn er ist kein ideologischer Prophet. Aber ist er ist ein protestantischer Christ, auch wenn er davon im Buch nicht spricht - und insofern ist sein Buch auch ein großes "Tut Buße und kehrt um!" Wer das Buch komplett gelesen hat, muss nicht gläubig sein, um sich dieser Forderung tätig anzuschließen.


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