Habib Bektas Hinterhof des Paradieses
Der kurdische Junge Memo lebt mit seiner Familie in einer Baracke an der türkischen Westküste. Eigentlich sollte das nur ein Zwischenstopp sein. Doch die Menschenhändler verlangen sehr viel Geld.
Der kurdische Junge Memo lebt mit seiner Familie in einer Baracke an der türkischen Westküste. Eigentlich sollte das nur ein Zwischenstopp auf dem Weg in den Westen sein. Doch die Menschenhändler, die die kurdischen Flüchtlinge über das Mittelmeer bringen sollen, verlangen sehr viel Geld. Da begegnet Memo, der noch kein Türkisch spricht, der jungen Frau Öykü Abla.
"Nach morgen ging ich wieder zu ihr. Damals konnte ich noch nicht am nächsten Tag sagen. Ich sagte immer morgen. Ich schlich mich bis an die Oleanderbäume heran. Damals kannte ich keine Oleanderbäume. Es waren nur Bäume mit schönen Blüten."
Habib Bektas
Öykü, die junge türkische Autorin, die nach dem politischen Mord an ihren Freund hierher flüchtete und der Kurdenbub Memo freunden sich an. Die Allianz zweier Außenseiter. Öykü will über die Geschichte von Memos Flucht einen Roman schreiben.
"'Schreibst du das gleiche auf, was ich dir erzähle?'
'Nein, dann wäre es kein Roman. Ich erfinde etwas hinzu.'
'Dann schreibst du Lügen.'
'Das sind keine Lügen. Das ist etwas anderes.'
'Ich verstehe gar nichts. Wenn ich lüge, dann sind das Lügen. Wenn aber Öykü Abla lügt, dann ist es ein Buch.'"
Habib Bektas
Info und Bewertung
Habib Bektas: Hinterhof des Paradieses, Roman, Erlangen 2008, Sardes Verlag, 384 Seiten, 14,80 Euro, ISBN 978-3-941025-06-6
Habib Bektas hat einen großartigen Roman über ein aktuelles Thema geschrieben, über das wir jeden Tag in der Zeitung lesen können: Flucht und Vertreibung, Migration vor Krieg und Armut, Gewalt und Unfreiheit.
Doch hat der Erlanger Autor mit "Hinterhof des Paradieses" kein platt politisches Buch vorgelegt, sondern ein hochpoetisches, eines das bei aller Härte des Themas immer wieder auch sehr humorvoll ist.
Und das liegt daran, dass Bektas das Buch aus der Perspektive des Jungen erzählt. Der Romancier steckt voller Empathie für die kindliche Seele:
"Das hat damit zu tun, dass ich selbst ein persönliches Problem damit habe, groß zu werden, reif zu werden, älter zu werden. Ich möchte gerne Kind bleiben. Damit hat das einmal zu tun. Und zweitens haben die Kinder einen gewissen reinen Kern in sich. Kinder sprechen Wahrheiten aus, die wir Erwachsenen nicht sagen können."
Habib Bektas
Stichwort: Habib Bektas
Der 1951 in der Türkei geborene Habib Bektas ist eine Institution in Erlangen. Seit vielen Jahren betreibt er dort das Theatercafé, der Treffpunkt für Künstler, Literaten, Musiker und Schauspieler in der Stadt. Doch ist der bescheidene Habib Bektas nicht nur erfolgreicher Gastwirt, sondern auch ein hervorragender Schriftsteller und Poet an der Schnittstelle zwischen Abend- und Morgenland.
In der Türkei gilt er als einer der führenden Autoren, dessen Romane verfilmt werden und der mit Literaturpreisen ausgezeichnet wird. In Deutschland ist Habib Bektas lange nicht so bekannt. Dabei hat er alle seine Bücher in Franken geschrieben. Bereits als junger Mann mit 22 Jahren kam Bektas nach Mittelfranken, jobbte in der Fabrik und war jahrelang in Nürnberg als Streetworker tätig, bis er Gastwirt wurde. Lauter Brotberufe, die ihm das Schreiben ermöglichten.
In den vergangenen Jahren sind im Erlanger Sardes-Verlag nach und nach seine Bücher auch auf Deutsch erschienen. Zuletzt der Gedichtband "Das Gedächtnis der Spiegel" und der Roman "Hinterhof des Paradieses".