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Jenny von Sperber "Fritz, der Gorilla"

Viele erinnern sich noch an Gorilla Fritz, Publikumsliebling im Nürnberger Tiergarten. Er starb 2018. Die Wissenschaftsjournalistin Jenny von Sperber hat eine Biographie über den Silberrücken geschrieben, die auch eine Geschichte der Zootierhaltung der Menschenaffen ist.

Von: Dirk Kruse

Stand: 25.05.2022 12:05 Uhr | Archiv

Buchcover "Fritz, der Gorilla" von Jenny von Sperber | Bild: BR / Dirk Kruse

Fritz, der älteste Gorilla Europas, war so etwas wie der Star des Nürnberger Tiergartens. Auch wenn er am 20. August 2018 im Alter von 55 Jahren starb, erinnern sich noch immer viele Zoobesucher an den charismatischen Gorilla-Chef. Die Wissenschaftsjournalistin Jenny von Sperber hat jetzt die Biographie "Fritz, der Gorilla. Biografie eines faszinierenden Menschenaffen" über diesen Silberrücken geschrieben und erzählt dabei auch die Geschichte der Primaten-Zootierhaltung.

Ein Silberrücken mit Charisma

Menschenaffen sind unsere engsten tierischen Verwandten. Deshalb fasziniert Zoobesucher besonders der Besuch im Affenhaus bei Gorillas, Schimpansen und Orang-Utans. Doch wie kommt eine gestandene Wissenschaftsjournalistin wie Jenny von Sperber dazu, ein Buch über einen einzigen Gorilla und seine weitläufige Familie zu schreiben? Nun, der Gorillamann Fitz hat sie im Nürnberger Tiergarten gewissermaßen dazu aufgefordert.

Buchtipp: "Fritz, der Gorilla" von Jenny von Sperber

"Ich war für einen Dreh für Arte im Tiergarten Nürnberg. Und wir hatten Mittagspause gemacht und saßen im Affenhaus und haben unsere Brote gegessen. Und die Gorillas setzten sich auf der anderen Seite der Panzerglasscheibe dazu. Und die Tierärztin vom Tiergarten sagte auf einmal: 'Was ist dann da los? Der Fritz starrt Sie die ganze Zeit an.' Und dann hatte ich dieses Gefühl. Wenn man einem Gorilla in die Augen schaut und sich die Blicke treffen, da hat man das Gefühl: Da ist jemand. Da guckt mich jemand an und der denkt sich gerade irgendwas dabei. Und dann habe ich mich gefragt: Was denkt der? Woran erinnert sich dieser Gorilla? Der ist uralt. Das war damals der älteste Silberrücken Europas. Was hat der alles erlebt in diesen über 50 Jahren? Und im Zuchtbuch stand nur: 'Geboren in Kamerun. Wild.' Mehr nicht."

Jenny von Sperber, Autorin

Brutaler Weg nach Europa

Jenny von Sperber nimmt den Leser mit auf Recherchereise durch die Tiergärten Europas. Sie interviewt Dutzende von Experten, vor allem Tierpfleger und Zootierärzte, aber auch Psychologen, Verhaltensforscher, Leiter von Aufzuchtstationen.

Sie findet heraus, dass Wildtierhändler auf Bestellung des Zoos lieferten. Bei der in den 1960er-Jahren noch legalen Jagd in Afrika wurde die Gorillafamilie mit Speeren und Macheten getötet, damit man an die Gorillababys herankam. Auch Fritz hat 1966 vermutlich das traumatische Abschlachten seiner Familie erlebt und die einsame Reise per Schiff in einer dunklen Kiste überlebt, ehe er im Münchener Tiergarten Hellabrunn ankam.

"Als Fritz als Kind nach Deutschland geholt wurde, da wusste man noch fast nichts über Gorillas. Da hat man denen Hammelfleisch zum Mittageessen gegeben. Gorillas sind aber Vegetarier. Man hat den Gorillakindern Löffel in die Hand gegeben zum aus Schüsseln essen und mit Lätzchen umgehängt. Das würde man heute alles nicht mehr tun. Einem Gorilla in Basel musste man mal das Lätzchen rausoperieren, weil er es aufgefressen hatte."

Jenny von Sperber, Autorin

Fehler und Lernen bei Menschenaffenhaltung

Auch Fritz hielt sich Zeit seines Lebens die Hand vor den Mund beim Niesen. Das hatte er in München gelernt. Als der damals 7-jähige Fritz in die Pubertät kam, wurde er 1970 für teure 32.000 Mark nach Nürnberg verkauft. Im Tiergarten dort gab es zwei Gorilladamen namens Liane und Delphi und man hoffte auf Nachwuchs.

Tatsächlich wurde 1972 Fritz erster Sohn Schorschla geboren, eine Sensation damals. Denn Gorillageburten im Zoo waren noch eine extreme Seltenheit. In schneller Folge zeugte Fritz sechs Gorillababys. Die wurden aber nicht wie heute bei der Mutter in der Gruppe gelassen, sondern von Tierpflegern mit der Flasche aufgezogen. Man hatte Sorge, dass ihnen was zustoßen könnte oder sie krank würden. Der Nürnberger Tierpfleger Willi Stillhammer hat einige von Fritz Kindern betreut.

"Ich war ja damals auch noch sehr jung. Ich war ja schon verheiratet und hatte eine kleine Tochter. Also, für mich waren die wie kleine Kinder. Sie haben sich auch so benommen. Sie wollten immer rausgenommen werden. Wir hatten sie in einem Laufstall, weil man sie nicht allein rumkrabbeln lassen konnte. Und sie wurden dann gewickelt. Das sind so Sachen, die man heute nicht mehr machen würde."

Willi Stillhammer, Tierpfleger Tiergarten Nürnberg

Man hatte es gut gemeint mit den Gorillababys damals, stellte dann aber fest, dass man sie damit fehlprägte. Diese Gorillas hielten sich oft nicht für Affen, sondern für Menschen und kamen mit anderen Gorillas später schlechter zurecht, weil sie bestimmte Gorillaverhaltensweisen einfach nicht gelernt hatten. Jenny von Sperbers Buch über den Gorilla Fritz ist auch eines über die Geschichte der Menschenaffenhaltung mit all ihren Fehlern und Erkenntnissen.

"Man hat in den Lebensjahren von Fritz gelernt: Man muss die Gorillas soweit es geht Gorillas sein lassen. Man kann nicht so tun, als wären es Menschen. Und trotzdem hat man gleichzeitig gelernt: Die sind uns viel, viel ähnlicher als wir dachten. Die können unheimlich viel. Wir können mit denen kommunizieren. Man kann Gorillas Zeichensprache beibringen. Die können planen, die erinnern sich, die haben eine Art autobiografisches Gedächtnis. Mit vielen Studien und Experimenten an verschiedenen Forschungsstationen hat man sehr viel über die Gorillas gelernt."

Jenny von Sperber, Autorin

Interview

Buchtipp: "Fritz, der Gorilla", Interview mit Autorin Jenny von Sperber

Fritz und seine Nachkommen

Gorillas können lachen und weinen. Und sogar trauern, wenn jemand aus ihrer Gruppe stirbt. Es sind sehr sensible Tiere mit ganz unterschiedlichen Charakteren. Zunehmend wurden die hygienisch gekachelten Affenhäuser artgerecht umgebaut und dazu Außengehege geschaffen. Der Artenschutz trat in den Vordergrund. So wurde auch Gorillamann Fritz an andere Zoos ausgeliehen, um dort für Nachwuchs zu zeugen, was aber nicht klappte.

"Warum, das weiß keiner. Es kommt aber wohl manchmal vor, dass Gorillas sehr viele Kinder kriegen in jungen Jahren und dann gar keine mehr. Es hat nicht daran gelegen, dass er nicht wollte. Er war zum Beispiel in der damaligen Tschechoslowakei und hat die beiden Gorilladamen da sehr gemocht. Und die ihn auch. Aber er hat sie eben nicht befruchtet. In Berlin hat es auch nicht geklappt. Aber da kam er mit den Damen nicht klar. Die hat er immer gebissen. Gorillas sind nämlich sensibler als Schimpansen oder andere Menschaffen. Wenn die sich mit jemanden nicht verstehen, dann funktioniert das auch nicht."

Jenny von Sperber, Autorin

In ihrem Buch erzählt Jenny von Sperber auch von Fritz‘ Familie. Etwa vom Sohn Schorsch, der in einem Zoo in Teneriffa in der ersten Junggesellenbande lebt. Oder vom armen Sohn Toni, der einsam in einem Käfig im Zoo von Kiew vegetierte, ehe ihm Vitali Klitschkos Schwägerin half. Oder vom draufgängerischen Enkel Ivo, der mehrfach versuchte auszubrechen und als Baby sogar in Michael Jacksons Armen lag.

Info & Bewertung

Wertung: 5 Frankenrechen von 5 | Bild: BR

Jenny von Sperber: "Fritz, der Gorilla. Biografie eines faszinierenden Menschenaffen", Stuttgart 2022, Hirzel Verlag, 228 Seiten, 20,00 Euro, ISBN 978-3-7776-2969-8

"Fritz, der Gorilla" ist eine gelungene Mischung aus ergreifender Familiensaga, einfühlsamen Biologiebuch, spannender Recherche und kritischer, aber gerechter Geschichte der Zootierhaltung. Informativ, unparteiisch und berührend. Und Leserinnen und Leser werden nach der Lektüre Gorillas beim nächsten Tiergartenbesuch mit ganz anderen Augen betrachten.


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