Katharina Rudolph Rebell im Maßanzug. Leonhard Frank
Der Würzburger Leonhard Frank gehörte zu den bekanntesten Autoren der Weimarer Republik. Doch dann verbrannten die Nazis seine Bücher, er musste ins Exil. Sein spannendes Leben ist nun in der ersten Biographie nachzulesen.
Am abenteuerlichen Leben von Leonhard Frank spiegelt sich exemplarisch die stürmische Geschichte des 20. Jahrhunderts. Aber es ist nicht nur das, was die Historikerin Katharina Rudolph am Leben des Autors fasziniert, der 1882 in Würzburg geboren wurde.
"Was ihn auszeichnet, das ist natürlich sein humanistisches Engagement. Es sind seine Werte, die total zeitlos sind. Aber es ist auch die Tatsache, dass er aus absolut armen Verhältnissen mit einer ganz geringen Schulbildung wirklich zu einem der berühmtesten Autoren der Weimarer Republik wurde. Und was, glaube ich, wenigen Menschen auch bewusst ist: Leonhard Frank hatte ein doppeltes Exil. Das haben ganz wenige Schriftsteller. Er war sowohl während des 1. Weltkriegs als auch während der NS-Zeit im Exil."
Die Autorin Katharina Rudolph im Interview.
Aufgewachsen im Würzburger Mainviertel zieht der Schlossergeselle Leonhard Frank nach München, um Kunstmaler zu werden. Doch erst in Berlin entdeckt er seine wahre Begabung. Er wird Schriftsteller und schreibt seinen ersten Roman "Die Räuberbande". Eine Coming-of-age-Geschichte über eine Clique Jugendlicher im Würzburg der Kaiserzeit, die stark autobiographisch geprägt ist.
"Ich glaubte, ich könne mich hinsetzen und einen Roman schreiben. Da habe ich aber an dem ersten Satz vier Wochen gearbeitet. Immer wieder ist dieser Satz zerfallen in Wortfetzen. Ich sah und hörte alles viel deutlicher als ich es in Worte fassen konnte. Und dann arbeitete ich drei Monate an der ersten halben Seite. Schließlich war ich zufrieden. Ich wollte so schreiben, dass der Leser sieht und hört, was er liest."
Der Autor Leonhard Frank im Interview 1952.
Das gesteht Leonhard Frank 1952 in einem Interview mit dem Bayerischen Rundfunk. Die Mühe hat sich gelohnt. Sein Erstlingsroman "Die Räuberbande" erhält den Fontane-Preis und wird ein großer Publikumserfolg. Doch das Schreiben bleibt für Frank zeitlebens immer auch ein Kampf mit dem Text.
"Er kam ja aus einem sehr einfachen Milieu. Er ist in bitterer Armut aufgewachsen. Er war Schlosserlehrling. Und er hat seine schriftstellerische Arbeit immer sehr stark als handwerkliche Arbeit verstanden. Er hat tatsächlich immer wieder an einem Text gefeilt, weggestrichen bis dann wirklich eine Art Konzentrat übrigblieb."
Die Autorin Katharina Rudolph im Interview.
Angewidert vom Chauvinismus der meisten Deutschen nach Beginn des 1. Weltkrieges, geht Leonhard Frank schließlich in die neutrale Schweiz ins Exil. Als Sozialist und Pazifist ist er konsequent.
"Ich war gegen den Krieg und ging in die Schweiz und schrieb ein Buch gegen den Krieg: 'Der Mensch ist gut'. Ich meinte damit nicht, dass der Mensch gut ist. Ich wollte damit sagen und habe es auch im Buch geschrieben, dass Verhältnisse geschaffen werden müssten, die dem Menschen erlaubten gut zu sein."
Der Autor Leonhard Frank im Interview 1952.
"Dieses Buch hat auf die Menschen damals unheimlich Einfluss genommen. Das ist total interessant. Jeder kennt heute 'Im Westen nichts Neues'. Zu Recht, weil es ist ein phantastisches Buch ist. Aber ganz wenige Menschen kenne heute 'Der Mensch ist gut'. Und dieses Buch war für einen kurzen Moment der Geschichte eines der einflussreichsten Antikriegsbücher in Europa. Dieses Buch hatte eine enorme Wirkung."
Die Autorin Katharina Rudolph im Interview.
Spätestens damit wird Leonhard Frank, der nach dem 1. Weltkrieg nach Deutschland zurückkehrt, einer der bekanntesten Schriftsteller der Weimarer Republik. Doch damit ist Schluss als die Nationalsozialisten 1933 seine Bücher verbrennen und ihn erneut ins Exil treiben. Erstaunlich dass eine wissenschaftliche Auseinandersetzung mit Leonhard Frank bislang kaum stattgefunden hat. Katharina Rudolph hat tatsächlich die erste Biographie dieses wichtigen Autors vorgelegt. Sie hat Archive durchforstet, ist auf Franks Spuren durch halb Europa gereist und hat etliche unbekannte Quellen aufgetan. Etwa aus Privatbesitz den Briefwechsel, den Leonhard Frank mit seiner damaligen Lebensgefährtin Maria Meinen geführt hat.
"Die beiden haben in Paris zusammengelebt 1939 und er ist dann aber interniert worden. Er hat eine ganz abenteuerliche Flucht in Frankreich gemacht, ist nach Marseille gekommen und hat dort verzweifelt auf sein Visum gewartet, das ihn in die USA bringen sollte. All das kann man anhand dieser Briefe unglaublich gut nachvollziehen. man spürt diese wahnsinnige Angst die er gehabt hat, diese bedrückende Situation auf der Flucht zu sein."
Die Autorin Katharina Rudolph im Interview.
Info & Bewertung
Katharina Rudolph: Rebell im Maßanzug Leonhard Frank. Die Biographie, Berlin 2020, Aufbau Verlag, 496 Seiten, 28,00 Euro, ISBN 978-3-351-03724-6
Es ist bemerkenswert, was Katharina Rudolph in ihrer spannenden Biographie alles zutage fördert. Auf 500 Seiten breitet sie nicht nur ein beeindruckendes Autorenleben, sondern das Panorama eines ganzen Zeitalters aus. Hervorragend recherchiert und anregend erzählt. Auf keiner Seite merkt man der Biographie an, dass dies die Doktorarbeit der Autorin ist. Ein absolut fesselndes Buch, das den bedeutenden Autor Leonhard Frank wieder ein wenig ins Licht rückt. Verdient hat er es.
"Alles zusammengenommen war mein Leben das eines kämpfenden deutschen Romanschriftstellers in der geschichtlich stürmischen ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts. Ich kann sagen, dass meine Bücher wirklich die Bildnisse meines Innern sind. ich habe mich von Jugend auf um Dinge gekümmert, die mich nichts angingen, und bin der Meinung, dass Menschen, die das nicht tun, die Achtung vor sich selbst verlieren müssen."
Der Autor Leonhard Frank im Interview 1952