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Tobias Rüther "Herrndorf. Eine Biographie"

Er galt als Ausnahmekünstler, dessen früher Tod eine große Lücke hinterlässt: Wolfgang Herrndorf. Der Autor des Bestsellers "Tschick" war auch Maler, lebte eine Zeit lang in Nürnberg. Wie diese Zeit ihn prägte, auch das verrät "Herrndorf. Eine Biographie" von Tobias Rüther.

Von: Dirk Kruse

Stand: 26.02.2024 | Archiv

Kultur: Buchtipp: "Herrndorf. Eine Biographie" von Tobias Rüther

Im Sommer 2013 nahm sich der Schriftsteller Wolfgang Herrndorf, der den Weltbestseller "Tschick" geschrieben hat, in Berlin das Leben. Der Grund: ein Hirntumor im Endstadium. Der Literaturredakteur Tobias Rüther hat die erste Biografie über den Maler und Schriftsteller Wolfgang Herrndorf geschrieben. Was viele nicht wissen: Zehn Jahre seines Lebens hat der Ausnahmekünstler in Nürnberg gelebt.

Drei literarische Meisterwerke im Wettlauf mit dem Tod

Im Jahr 2010 erhält der erst 45 Jahre alte Schriftsteller Wolfgang Herrndorf die Diagnose bösartiger Hirntumor. In einem ungeheuren Kraftakt vollendet der noch recht unbekannte Autor nicht nur seinen Jugendroman "Tschick", der zum Weltbestseller wird, sondern auch den mit dem Leipziger Buchpreis ausgezeichneten Agentenroman "Sand". Gleichzeitig schreibt er in seinem Blog "Arbeit und Struktur" gegen den drohenden Tod an. Das digitale Tagebuch wird 2013, kurz nach Herrndorfs Selbstmord, posthum als Buch veröffentlicht. Drei literarische Meisterwerke, findet nicht nur sein Biograph Tobias Rüther.

"Herrndorf ist ein Schriftsteller mit großem Humor, mit einer ungeheuren Prosa und einem ganz, ganz sicheren Ton, in dem was er an Geschichten erzählt."

Tobias Rüther, Biograph von Herrndorf

Buchtipp: "Herrndorf. Eine Biographie" von Tobias Rüther

Wer war Wolfgang Herrndorf?

Geboren wird Wolfgang Herrndorf 1965 in Hamburg und wächst in Norderstedt vor den Toren der Hansestadt auf. Ein vielseitig begabter Junge, groß und blond, der zugleich Eigenbrötler und Anführer sein kann und das Abitur als Jahrgangsbester besteht. Aber auch ein schwieriger Charakter, der mitunter arrogant und herablassend spricht, so Rüther in seiner Biographie.

"Eine Überheblichkeit mit der er zeit seines Lebens immer wieder Menschen vor den Kopf stoßen wird. Kann sein, dass es ein Missverständnis ist und er gar nicht anders kann, kann sein, dass es ihm nicht wichtig ist, wie er wirkt. Und dass er es eh nicht böse meint: Die, die ihn lieben, beteuern das immer sofort. Aber auf den ersten Blick wirkt Wolfgang Herrndorf einschüchternd. Unnahbar. Eingenommen von sich selbst.“ Zitat aus "Herrndorf. Eine Biographie"

An der Akademie der bildenden Künste in Nürnberg

Weil Herrndorf gut und gern malt, entscheidet er sich für ein Kunststudium und wird 1986 an der Akademie der bildenden Künste in Nürnberg angenommen. Für die nächsten zehn Jahre bezieht Wolfgang Herrndorf ein Studentenzimmer in der Altstadt am Westtorgraben. Auf der einen Seite führt er ein normales Studentenleben. Er geht in seine Lieblingskneipe "Treibhaus", fährt Rollschuh, hat eine Freundin und findet seinen besten Freund Calvin. Doch an der Akademie kommt er nicht klar.

"Nürnberg ist auch der Ort, an dem er zehn Jahre lang probiert mit einer Malerei glücklich zu werden, die eigentlich keiner so richtig haben will. Er kommt an die Akademie, um die altmeisterlichen Techniken zu studieren und noch besser zu erlernen und stößt auf Widerstände und Zurückweisung und Unverständnis."

Tobias Rürher, Herrndorf-Biograph

Frustriert gibt Herrndorf, der Vermeer verehrt und von moderner Malerei nichts hält, schließlich nach langem Ringen das Malen auf. 1996 verlässt er Nürnberg in Richtung Berlin. Er malt, zeichnet ab und zu Illustrationen für das Satiremagazin "Titanic" und stattet einige Buchcover aus, doch leben kann er davon nicht. In einem seiner ganz wenigen Interviews erinnert sich Wolfgang Herrndorf, mit dem ihm eigenen Humor, an diese Zeit.

"Ich bin eigentlich Zeichner. Mein Problem war, ich hatte irgendwann keine Aufträge mehr. Ich hatte kein Geld. Ich hatte nichts zu tun. Und ich habe dann einfach getan, was alle jungen Leute in dieser Situation tun. Ich habe einen aufsehenerregenden Roman geschrieben."

Wolfgang Herrndorf über sich selbst

Wirkliches Aufsehen erregt erst sein drittes Buch "Tschick". Zuvor ist Herrndorfs Schreibschule das Internetforum "Wir höflichen Paparazzi", in dem er bald eine führende Stimme wird. Sein erster Roman "In Plüschgewittern" erscheint dann 2002. Das Debüt wird gut besprochen, verkauft sich aber schlecht.

Viel aus Herrndorfs Leben auch in seinen Werken

Ähnlich ergeht es auch Herrndorfs zweitem Buch, dem Erzählband "Diesseits des Van-Allen-Gürtels" von 2007. Und das, obwohl der auch die Erzählung enthält, mit der Herrndorf den Publikumspreis beim Bachmann-Wettbewerb geholt hat. Zwei der Geschichten beziehen sich auf Herrndorfs Erfahrungen in Nürnberg.

"Die größte Überraschung bei der Recherche dieses Buches über Wolfgang Herrndorf war, dass ich nicht darauf vorbreitet war, dass sich in allem, was er gemacht hat – egal ob es seine Comics und Gemälde waren oder später die Bücher, die er geschrieben hat – dass es dort überall autobiographische Spuren gibt. Ich habe es geahnt bei ein paar Dingen, aber welches Ausmaß das hatte, das war wirklich eine große Überraschung."

Tobias Rürher, Herrndorf-Biograph

Der Perfektionist Herrndorf braucht sehr lang, ehe er ein Werk in den Druck entlässt. Erst mit der Diagnose des unheilbaren Krebserkrankung folgen Schlag auf Schlag die Meisterwerke "Tschick", "Sand" und "Arbeit und Struktur". Dass Wolfgang Herrndorf das Malen aufgab und sich für das Schreiben entschied, ist möglicherweise ein Verlust für die Kunst, aber ganz sicher ein Gewinn für die Literatur.

Info & Bewertung

Wertung: 5 Frankenrechen von 5 | Bild: BR

Tobias Rüther: Herrndorf. Eine Biographie, Berlin 2023, Rowohlt Berlin Verlag, 384 Seiten, 25,00 Euro, ISBN 978-3-7371-0082-3

Das und vieles mehr weist Herrndorfs Biograph Tobias Rüther mit großer Kennerschaft nach. Zwar hatte Herrndorf testamentarisch verfügt "Niemals Germanisten ranlassen" und "Journalisten mit der Waffe in der Hand vertreiben", aber seine Witwe und seine Eltern haben sich glücklicherweise darüber hinweggesetzt und Tobias Rüther den Nachlass zugänglich gemacht.

Der recherchierte intensiv und sprach mit zahlreichen Zeitzeugen aus dem Umfeld des Malers und Autors. Rüther erzählt das kurze Leben des Wolfgang Herrndorf anschaulich, geistreich und mit großer Empathie. Eine ganz hervorragende Biographie.


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