Interview mit Winfried Ruß Mit einem Studium zur eigenen Brauerei
Neben der Ausbildung zum Brauer und Mälzer bietet die Hochschule Weihenstephan-Triesdorf den Studiengang Brau- und Getränketechnologie an. Wer meint, ein Fach gefunden zu haben, in dem man nur Bier trinkt, ist hier allerdings falsch.
Herr Ruß, was vermittelt der Studiengang "Brau- und Getränketechnologie" grob den Studierenden?
Professor Dr.-Ing. Winfried Ruß: Wir bilden einen klassischen Ingenieur aus. Zuerst lernen die Studierenden die Grundlagen in Mathematik, Physik, Chemie und bekommen dazu eine Einführung in die Getränkeproduktion und technische Kommunikation. Das heißt: Sie lernen, technische Inhalte mit Beschreibungen, Vorträgen und technischen Zeichnungen darzustellen. Dann teilt sich das Studium in vier Bereiche auf:
· Technologie: Wie stelle ich Getränke her? Warum muss ich welche biochemischen Grundlagen berücksichtigen? Mit welchen Anlagen lassen sich die Prozesse umsetzen?
· Technik: Wie funktionieren die Anlagen zur Getränkeherstellung? Wie kann ich Anlagen auslegen und berechnen. Welche Nebenanlagen zum Beispiel zur Energiebereitstellung gibt es und wie funktionieren diese?
· Analytik und Qualitätssicherung: Chemische-technisch und mikrobiologisch selbst analysieren können, aber auch entsprechende Ergebnisse interpretieren. Wie schmecken Getränke? Wie kann ich sie sensorisch beurteilen?
· Betriebswirtschaftslehre: Wie kann ich einen Betrieb betriebswirtschaftlich darstellen, beurteilen und verbessern? Investitionen berechnen und auf Rentabilität überprüfen können.
Wie gewährleisten Sie, dass der Praxisbezug während des Studiums nicht zu kurz kommt?
Winfried Ruß: Bei uns absolvieren die Studierenden im fünften Semester ein Praktikum im Betrieb und etwa ein Drittel der Studienzeit sind weitere Praktika. Neben den typischen Laborpraktika haben wir dafür ein Technikum mit eigener Brauerei und Nebenanlagen, die die Studierenden teilweise auch außerhalb der offiziellen Praktika nutzen können.
Worin unterscheidet sich der Studiengang zu einer Ausbildung zum Brauer und Mälzer?
Winfried Ruß: Studium an einer Hochschule heißt, naturwissenschaftliches und ingenieurstechnisches Wissen erwerben und dieses direkt auch auf Fragestellungen und Aufgaben aus der Industrie anwenden können. Das ist viel mehr als eine handwerkliche Ausbildung, die nicht das Wissen hinter der Anwendung hinterfragt.
Für wen eignet sich der Studiengang?
Winfried Ruß: Für Fachabiturienten, Abiturienten und ganz wichtig auch für beruflich Qualifizierte, also Personen, die schon mehrere Jahre im Beruf waren und nun weitermachen wollen. Wir haben eine Frauenquote von zirka 25 Prozent. Das darf gerne mehr werden. Wir haben Studierende, die bereits ihre Lehre oder sogar ihren Meister abgeschlossen haben. Wichtig ist: Das ist kein Studiengang in Biertrinken, sondern ein Studiengang der auf Mathematik, Physik, Chemie und biologischen Grundlagen aufbaut, auch anspruchsvoll ist, aber sehr gute Berufschancen bietet.
Ist der Studiengang für jemanden geeignet, der später selbst eine Brauerei führen möchte?
Winfried Ruß: Klar! Gerade die Führung von Betrieben oder Abteilungen ist das Berufsziel unserer Absolventen. Deshalb studieren bei uns auch viele Betriebsnachfolger.
An Ihrer Hochschule kann man nicht nur das reine Studium absolvieren, sondern auch dual, das heißt mit Einsätzen in einem Betrieb, lernen. Welchen Mehrwert bietet ein duales Studium?
Winfried Ruß: Die Lehre gibt nochmals eine andere Sichtweise auf die Aufgaben im Beruf, fördert das Verständnis für Zusammenhänge und ist ein anspruchsvolles aber gutes Training für den Berufseinstieg. Die "Dualis" oder auch "Azudenten" werden früh in die betrieblichen Abläufe eingebunden und können sofort nach Studien-Ende in verantwortungsvollere Aufgaben eingebunden werden.
In welchen Bereichen arbeiten Studierende, die ihr Studium erfolgreich abgeschlossen haben?
Winfried Ruß: Ich zähle mal auf was mir einfällt: Brauereien, Hopfenlieferanten, Mälzereien, Keltereien, Softwarehäuser, Reinigungs- und Desinfektionsmittelhersteller, Brauereianlagenbauer, Limonadengrundstoffhersteller und vieles mehr.
Vielen Dank für das Gespräch!