Grete Schickedanz Die Frau hinter der Quelle
Am 20. Oktober wäre die Fürther Unternehmerin Grete Schickedanz 100 Jahre alt geworden. Ihr rasanter Aufstieg von der Auszubildenden zu Deutschlands Versandhaus-Königin ist einmalig.
Dass aus Grete Lachner einmal Deutschlands wohl berühmteste Unternehmerin werden würde, war nicht abzusehen. Die Kindheit der 1911 geborenen Fürtherin war von Verzicht geprägt. Obwohl sie Klassenbeste war, kam eine weiterführende Schule für sie nicht infrage. Stattdessen musste sie sich im Alter von 15 Jahren nach einer Ausbildungsstelle umsehen. Kurz zuvor hatte Gustav Schickedanz das "Versandhaus Quelle" gegründet und stellte die junge Grete auf Empfehlung seiner Frau Anna als fünftes Lehrmädchen ein.
"Fräulein Grete" wird zur Chefin
Die junge Grete ließ sich schnell vom Gründergeist anstecken, der Ende der 1920er-Jahre bei der Quelle herrschte. Sie packte kräftig mit an und verbrachte viele lange Tage in der Fürther Zentrale des aufstrebenden Unternehmens. Wann genau die Vertrautheit zwischen dem Firmengründer und dem 16 Jahre jüngeren "Fräulein Grete" zu Liebe wurde, lässt sich heute nicht mehr genau sagen. "Spätestens seit 1931 unterhalten die beiden eine enge Beziehung", schreibt der Schickedanz-Biograf Gregor Schöllgen. Zwei Jahre zuvor war die Frau des Quelle-Gründers Gustav Schickedanz bei einem Autounfall ums Leben gekommen. Später wurde Gustav Schickedanz immer häufiger mit seiner jungen Mitarbeiterin gesehen, die schnell eine wichtige Stellung in der Firma einnahm.
Aufstieg in den Jahren des Wirtschaftswunders
Klaus Mangold, Wolfgang Bühler, Grete Schickedanz und Helmut Kohl (v.l.) bei der Einweihung des Versandzentrums in Leipzig 1992
Im Laufe der boomenden Nachkriegsjahre entdeckte Grete Schickedanz, wie sie seit der Hochzeit 1942 heißt, ihr unternehmerisches Talent und spielte für den Einkauf eine zunehmend wichtige Rolle. Die Deutschen wiederum entdeckten ihre Lust am Konsum und Quelle liefert ihnen die Ware nach Hause. Vor allem in den 1950er- und 1960er-Jahren blühte das Geschäft und die Familie Schickedanz fand sich auf den Listen der reichsten Deutschen wieder. Trotz mehrerer Luxus-Immobilien und Reisen im Firmenjet: Die Arbeit stand für das Ehepaar Schickedanz an erster Stelle.
Harte Zeiten für Schickedanz
Die 1943 geborene Tochter Madeleine wuchs in den aufkeimenden Wohlstand der Eltern hinein. Viel Zeit hatten beide nicht für ihre Tochter, die sich aber auch rückblickend nicht beklagen will. Schließlich hat sie es nie anders kennen gelernt. Nach dem Tod ihres Mannes 1977 wurde Grete Schickedanz ein Teil der "Familientroika", zu der auch die beiden Schwiegersöhne gehörten. Doch die Zeiten wurden härter, das ging auch an Quelle nicht spurlos vorbei. 1993 befreite sich das Unternehmen von einer finanziellen Last und verkaufte 18 der 20 Warenhäuser, unter anderem an Hertie und Wöhrl.
Abschied von "der Chefin"
Als am 28. Juli 1994 in der Fürther Kirche St. Paul die Trauerfeier für Grete Schickedanz stattfand, wehten die städtischen Fahnen auf Halbmast. Bundespräsident Roman Herzog und Bundeskanzler Helmut Kohl schickten Kondolenztelegramme nach Fürth. In der Kirche sang der Windsbacher Knabenchor, um der verstorbenen Unternehmerin die letzte Ehre zu erweisen. Fünf Tage zuvor war die Frau des Quelle-Gründers Gustav Schickedanz im Alter von 82 Jahren an Altersschwäche gestorben.
Der Niedergang der Quelle
Über den anschließenden Niedergang der Quelle und die Rolle der Familie will sich Madeleine Schickedanz auch Jahre nach der Insolvenz nicht äußern. Sie legt aber Wert auf die Feststellung, dass sich die Familie bereits 1987 aus dem Unternehmen zurückzog und die Verantwortung in die Hand professioneller Manager gab. Die Insolvenz des späteren Mutterkonzerns Arcandor samt der Tochterfirmen miterleben zu müssen, blieb Grete Schickedanz erspart.
Viele Fotos wurden zur Verfügung gestellt vom Zentrum für Angewandte Geschichte in Erlangen.