Krankhaftes Fettgewebe Was hilft beim Lipödem?
Das Lipödem ist eine Störung der Fettverteilung im Körper. Dabei lagert sich vermehrt Unterhautfettgewebe an Beinen, Po und Armen an. Viele leiden unter ihrem Aussehen und den Folgen, wie Spannungs- und Druckschmerz. Ein Problem: Das Lipödem wird oft nicht erkannt und mit Adipositas verwechselt. Diät und Sport helfen aber nicht. Die richtige Therapie ist wichtig. Zwei Behandlungsmöglichkeiten gibt es: die konservative Therapie mit Entstauung und die operative Therapie mit Fettabsaugung. Aber helfen die Methoden?
Veronika ist 13 Jahre alt und in der Pubertät, als sie immer mehr zunimmt. Beine, Arme und Po werden immer dicker. Was sie nicht weiß: Sie leidet unter einem Lipödem.
Lipödem – Abnehmen nutzt nichts!
"Nimm halt ab", bekommt sie oft zu hören. Doch das funktioniert nicht. Zahlreiche Diäten und Sport helfen ihr nicht. Im Gegenteil, an den betroffenen Körperstellen nimmt sie weiter zu. Erst mit 27 Jahren bekommt sie die Diagnose: Lipödem.
"Es war gut zu hören, dass das einen Namen hat, dass es eine Krankheit ist und nicht meine Schuld. Ich hab vorher ganz schön an mir gezweifelt."
Veronika, Lipödem-Patientin, 29 Jahre
Lipödem: Was ist das?
Wasseransammlungen bereiten Schmerzen
Beim Lipödem sind die Fettzellen krankhaft vergrößert und verformt. Gleichzeitig kommt es zu einer Behinderung des Lymphabflusses. Es tritt verstärkt Flüssigkeit in die Zellzwischenräume. Dadurch bilden sich Wasseransammlungen, sogenannte Ödeme. Die Folge sind starke Schmerzen.
Drei Stadien des Lipödems
Beim Lipödem handelt es sich um eine chronische und voranschreitende Erkrankung. Sie wird in drei Stadien eingeteilt.
Stadium 1: feinknotige Hautoberfläche, Orangenhaut
Stadium 2: grobknotige Hautoberfläche mit Dellen
Stadium 3: große deformierende Hautlappen und Wülste
Ursachen des Lipödems
Betroffen sind fast nur Frauen. Als Ursache wird eine genetische Veranlagung vermutet, jedoch auch hormonelle Veränderungen durch Pubertät oder Schwangerschaft.
Oft verwechselt: Lipödem ist keine Adipositas
Oft wird das Lipödem mit der Adipositas verwechselt. Dabei ist gibt es eine klare Abgrenzung. Die Erkrankung betrifft die Beine und im Verlauf auch die Arme. Gesicht, Oberkörper, Taille, Füße und Hände bleiben vergleichsweise schlank. Zudem haben Betroffene oft Schmerzen, die Adipöse nicht haben.
„Wenn sie zum Beispiel einen Patienten mit Lipödem ein bisschen zwicken, der springt ihnen halb von der Liege. Der hat sehr, sehr starke Schmerzen. Das ist ein sicheres Kriterium. Zum anderen neigen die Patienten, das berichten sie immer wieder, häufig unter blauen Flecken, ohne sich großartig anzustoßen.“ Dr. med. Claudia Stautner-Brückmann, Fachärztin für Gefäßerkrankungen, München
Diagnose Lipödem
Die Krankengeschichte und auch die Begutachtung der Schwellungen erlauben häufig eine erste Diagnose. Ein Ultraschall kann einen Eindruck des Zustands des Unterhautfettgewebes liefern, ebenso eine Computertomografie.
Das Lipödem und die Folgen
Schreitet die Erkrankung fort, kommt es zu einer massiven Verschlechterung des Erscheinungsbildes mit Folgen wie Gelenkprobleme, Wundekzeme durch Aneinanderreiben der Haut oder Bildung von X-Beinen durch die breiten Oberschenkel. Neben den medizinischen Problemen leiden Betroffene auch sehr unter ihrem Aussehen.
"Die Blicke in der Tram, der S-Bahn, auf der Straße, die tun weh. Die Leute fangen an im Gesicht, das ist schmal, dann geht es runter zu dem überdimensionalen Hintern, den Beinen."
Veronika, Lipödem-Patientin, 29 Jahre
Therapie bei Lipödem
Nach der Diagnose sollte direkt mit der konservativen Therapie begonnen werden, um Beschwerden zu lindern und eine Verschlimmerung zu vermeiden. Ziel der konservativen Therapie ist die Entstauung der Extremitäten von überschüssiger Lymphflüssigkeit.
Veronika zieht die konservative Therapie durch, zweimal pro Woche Lymphdrainage und das Tragen der Kompressionsstrümpfe.
"Die Schmerzen sind weniger geworden. Die Waden waren teilweise steinhart, die sind schön weich geworden. Wenn ich die zweimal pro Woche nicht zur Lymphdrainage gehe, dann merke ich das sofort, dann kommen die Schmerzen wieder."
Veronika, Lipödem-Patientin, 29 Jahre
Lipoedem: Die konservative Therapie
Therapie mit drei Bausteinen
Zur konservativen Therapie, die von der Krankenkasse übernommen wird, gehören drei Bausteine:
- Lymphdrainage
- Kompression
- Bewegungstherapie
Lymphdrainage bei Lipödem
Vor der Kompressionsbehandlung und der wöchentlichen Lymphdrainage beginnt die Therapie mit einer komplexen physikalischen Entstauung (KPE) des Lymphsystems. Dies beinhaltet eine mehrwöchige tägliche manuelle Lymphdrainage mit anschließender Wicklung, d. h. einer Bandagierung durch einen speziell geschulten Therapeuten. Anschließend wird die manuelle Lymphdrainage in einer Physiotherapiepraxis 1-2 Mal pro Woche weitergeführt.
„Sinn und Zweck der Lymphdrainage ist, dass durch den Druck und Zug der speziellen Griffe ein mechanischer Reiz erzeugt wird. Dieser soll die Lymphgefäße zu Mehrarbeit anregen. Die pumpen mehr Lymphe aus dem betroffenen Gebiet ab, außerdem ist der mechanische Reiz schmerzlindernd.“ Markus Kubista, Physio- und Lymphtherapeut, München
Kompression bei Lipödem
Zur konservativen Therapie gehört auch das tägliche Tragen von Kompressionsbestrumpfung. Die sogenannte Flachstrick-Kompression wird maßgefertigt.
Sport bei Lipödem
Sportarten wie Schwimmen, Aquajogging, Spazierengehen, Langlaufen, Walking oder Nordic Walking sind besonders geeignet. Sport sollte, wenn möglich, mit Kompressionsbekleidung durchgeführt werden.
"Der Nutzen der konservativen Therapie ist klar. Die Patienten verlieren einige Liter Wasser, die Lymphe geht weg. Das ist die Entstauung, von der man spricht. Das geht durch Lymphdrainage, Kompression in Verbindung mit Bewegung weg. Nebenwirkungsfrei." Markus Kubista, Physio- und Lymphtherapeut, München
Erfolge der konservativen Therapie
Die Symptome werden durch die konservative Therapie zwar gelindert, aber das überschüssige Fett verschwindet nicht. Eine effizientere Methode könnte die operative Fettabsaugung sein, die sogenannte Liposuktion.
Therapie Liposuktion: Fettabsaugung bei Lipödem
Bei der Liposuktion, beziehungsweise Fettabsaugung, soll das überschüssige, krankhafte Körperfett entfernt werden. Marlies ist 25 Jahre alt und hat ein Lipödem im ersten Stadium. Sie leidet unter Schmerzen und ihrem Aussehen. Damit die Krankheit nicht weiter fortschreitet, hat sie sich für eine Liposuktion entscheiden. Das Problem: Die Krankenkassen zahlen die Liposuktion normalerweise nicht, sie steht nicht im Leistungskatalog. Die Frisörin wird etwa 20.000 EUR für die zwei Operationen selbst zahlen.
"Da ich weiter meinen Beruf ausüben möchte, am Leben teilhaben möchte, Radfahren und Skifahren möchte, ist es für mich die einzige Chance, die ich sehe."
Marlies, Lipödem-Patientin, 25 Jahre
Dr. Markus Klöppel ist Plastischer Chirurg. Er ist auf die Liposuktion spezialisiert. Aus seiner Sicht scheint eine frühzeitige Fettabsaugung sinnvoll. Zum einen schreitet die Krankheit nicht weiter fort, zum anderen sind die Ergebnisse bei Patientinnen in der Regel besser, je jünger sie sind.
"Der große Vorteil der Liposuktion ist, dass wir die Volumina des Oberschenkels bis zu drei Hosengrößen reduzieren können und die Möglichkeit geben, an den Beinen die Wassereinlagerungen zu reduzieren und damit erhebliche Einsparungen und Verminderungen der Schmerzen haben, bis zur vollständigen Auflösung der Schmerzen."
Dr. med. Markus Klöppel, Plastischer Chirurg, München
Therapie Liposuktion beim Lipödem
Liposuktion: Die Operation
Die Operation: Durch vier Millimeter große Schnitte wird der Patientin eine Lösung aus Kochsalz, örtlichem Betäubungsmittel und Adrenalin gespritzt. Das Gemisch wirkt schmerzstillend, blutungshemmend und aufquellend. Die Fettzellen sollen so aufgelockert und das Absaugen erleichtert werden.
Eine oder mehrere Operationen?
In der Regel handelt es sich beim Lipödem um große Mengen an vorhandenem Fett. Obwohl sechs bis neun Liter in einer OP abgesaugt werden können, sind fast immer mehrere Operationen notwendig.
Voraussetzungen für eine Liposuktion
Voraussetzungen für die Liposuktion sind:
Die Patientin muss gesund sein und sollte keine Grunderkrankungen haben. Zudem gehört die Liposuktion bei Lipödem in Hände von Spezialisten. Die Technik sollte perfekt beherrscht werden, sonst können Nerven oder Gefäße verletzt werden.
Allgemeine Risiken bei der Liposuktion:
- Thrombose und Embolie
- Infektionen
- Blutung und Bluterguss
- Narbenbildungsstörungen, hypertrophe Narben
- Verletzung benachbarter Strukturen
Erfolge der Liposuktion
Da durch eine Liposuktion die Fettzellen aus dem Körper entfernt werden, können sich in den behandelten Bereichen keine neuen Fettpolster mehr bilden.
Nach der Liposuktionstherapie
Im Idealfall fallen eine dauerhafte Lymphdrainage und Kompressionstherapie nach der Liposuktion weg.
Nach der Liposuktion bekommen die Patientinnen sofort ein Kompressionsmieder angezogen, das mindestens vier Wochen getragen werden muss, damit sich die Haut gut anpasst. Es kann trotzdem passieren, dass Hautüberschüsse nach der Fettabsaugung verbleiben. Eine Garantie für ein zufriedenstellendes Ergebnis gibt es nicht. Der Erfolg hängt auch von Faktoren wie Alter, Gewicht, Hautbeschaffenheit und eigenem Verhalten nach der OP ab.
Liposuktion bei Lipödem: Kosten und Kostenübernahme
Die Kosten für Liposuktionen werden im Regelfall nicht von den Krankenkassen übernommen, da es sich nicht um eine Regelleistung im Sinne des Leistungskataloges handelt. Die Höhe der Kosten sind von Arzt zu Arzt unterschiedlich und belaufen sich auf circa 4.000 bis circa 8.000 € pro Operation, meist sind mehrere Eingriffe nötig. Trotzdem sollte man einen Antrag auf Kostenübernahme bei der Krankenkasse stellen. Man muss allerdings mit einem langen Widerspruchs- und eventuell sogar Gerichtsverfahren vor dem Sozialgericht rechnen. Auch Veronika will die Liposuktion machen lassen, ihr Antrag wurde von der Kasse abgelehnt. Dennoch gibt sie nicht auf. Sie will sich in einer Privatklinik in Essen operieren lassen.
"Es ist ungerecht, es wird so viel von den Krankenkassen bezahlt. Es gibt Frauen mit Lipödem, die mit 40 einen Rollator brauchen oder im Rollstuhl sitzen. So weit soll es bei mir nicht kommen. Ich zahle die 16.000 EUR selbst. Andere kaufen sich ein Auto, ich kauf' mir die Gesundheit."
Veronika, Patientin
Die Erfolge ermöglichen vielen mehr Lebensqualität, auch wenn die eigentlichen Ursachen nicht beseitigt werden können.
"Eine letztliche Heilung der genetischen Fehlinformation ist nicht möglich, aber man kann die Bindegewebefettvermehrung nachhaltig und nicht wiederkehrend heilen. Bleibt ein Restbestand von Fettzellen übrig, könnte sich dieser vergrößern aber nicht vermehren, nicht mehr in dem Ausmaß wie früher. Insofern sprechen wir von einer Art Heilung."
Dr. med. Markus Klöppel, Plastischer Chirurg, München