Contra NPD-Verbot Braune Soße zerschneiden?
Ohne Zweifel ist die NPD eine verfassungsfeindliche Partei, ihre menschenverachtende Ideologie offensichtlich. Doch wer das Instrument des Parteienverbots anwendet, sollte bedenken: Am Ende könnte es der Demokratie mehr schaden als die NPD.
Berlin ist nicht Weimar, die NPD – trotz ideologischer Parallelen – nicht die NSDAP. Die Weimarer Republik ging zugrunde, weil der Erhalt der Demokratie den meisten politischen und gesellschaftlichen Playern keine Herzensangelegenheit war. Den Aufstieg Hitlers unterschätzte man nicht zuletzt deshalb. Die Bundesrepublik ist demgegenüber eine konsolidierte Demokratie, Freiheit hierzulande ein anerkannt hohes Gut – und die NPD alles andere als eine nationalsozialistische Massenbewegung. Eine Partei mit großer Wählerschaft zu verbieten, wäre ohnehin kaum mehr durchzusetzen – selbst dann, wenn es (anders als zu Weimarer Zeiten) rechtlich erlaubt ist. Auf der anderen Seite: Einer kleinen Partei im Niedergang mit der Verbotskeule quasi endgültig den Garaus zu machen, hat eine stabile Demokratie nicht nötig und bringt wenig. Ein Parteiverbot passt selten. Es kommt entweder zu spät oder zu früh.
Zweischneidiges Schwert
Das anti-extremistische Instrumentarium, das die Verfassungsväter der bundesdeutschen Demokratie in die Hand legten, ist zweischneidig. Wer die Freiheit vor ihren Feinden schützen will, muss sich die Wahl der Waffen gut übergelegen.
Das Risiko ist groß, selbst zum Totengräber der Freiheit zu werden. Als Akteur politischer Willensbildung genießt eine Partei besondere Privilegien. Sie auszuschalten, ist immer auch ein Angriff auf die Meinungsfreiheit. Ist es in einem stabilen Gemeinwesen nicht eher Sache des gesellschaftlichen Diskurses, extremistischen Meinungen zu begegnen? Nur der Bundesrat nimmt einen zweiten Anlauf zum NPD-Verbot. Bundestag und Bundesregierung halten sich mit guten Gründen zurück, nicht nur wegen der Angst vor einer neuerlichen Blamage in Karlsruhe. Gefahr ist jedenfalls nicht in Verzug.
Die Militanz bleibt
Das zentrale Argument der Verbotsbefürworter: Die Strukturen einer gewalttätigen, extremistischen Partei müssten zerstört werden. Die niederschwelligeren Verbote militanter rechtsextremer Organisationen ohne Parteienprivileg (mehr als 30 waren es zwischen 1992 bis 2010) haben indes nicht zu weniger Gewalt geführt – obwohl genau das beabsichtigt war. Die verheerenden ausländerfeindlichen Anschläge in den 1990ern endeten nicht wegen der Vereinsverbote. Und die strammen Neonazi-Gruppen wie FAP oder ANS/NA diffundierten nach ihrer damaligen Zerschlagung in lose organisierten, schwerer zu kontrollierenden Kameradschaften. Die Militanz ist geblieben.
Am Ziel vorbei
Und die heutigen Brandstifter in Flüchtlingsheimen? Gut möglich, dass einige von ihnen etwas mit der NPD zu tun haben. Doch das Gewaltproblem wurzelt nicht in der NPD, sondern in einer für rechtsextreme Indoktrination empfänglichen Gesellschaft. Davon profitieren AfD und Pegida, nicht die NPD. Ohnehin kann man die Demagogie hinter jedem politisch motivierten Brandsatz nicht mit dem Verbot einer einzelnen Partei bekämpfen, sondern allein mit Aufklärung und politischer Bildung. Und der Brandsatz selbst ist ein Fall für Polizei und Justiz.
Bärendienst für die Demokratie
Die NPD zu verbieten kommt dem Versuch gleich, braune Soße mit einem scharfen Schwert zu zerschneiden. So ehrenwert und moralisch die Motive der Verbotsbefürworter auch sein mögen: Ein NPD-Verbot verfehlt das Ziel. Angesichts dessen ist es höchst bedenklich, ein Instrument anzuwenden, das selbst die Gefahr birgt, Freiheit einzuschränken. Ein NPD-Verbot erwiese der Demokratie einen Bärendienst.