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Pro NPD-Verbot Es wird Zeit, Zeichen zu setzen

Es gibt derzeit tatsächlich dringlichere Probleme am rechten Rand als die NPD. Das spricht aber nicht gegen ein Verbot der Partei. Im Gegenteil: Es wird Zeit, dass auch der Staat Zeichen setzt.

Von: Thies Marsen

Stand: 01.03.2016 | Archiv

Illustration: NPD-Logo in Verbotsschild neben grünem nach oben zeigendem Pfeil | Bild: picture-alliance/dpa; Montage: BR

Die NPD ist definitiv auf dem absteigenden Ast, selbst in ihrem Stammland Sachsen ist sie aus dem Landtag geflogen. Mit den Splitterparteien „Die Rechte“ und „Der Dritte Weg“ hat sie ernsthafte Konkurrenz von noch weiter rechts bekommen. Und die übrigen Rassisten wenden sich inzwischen ohnehin lieber AfD und Pegida zu, die längst eine Scharnierfunktion übernehmen zwischen Rechtsaußen und der sogenannten Mitte der Gesellschaft und die deshalb aktuell viel gefährlicher sind als die Dritte-Reich-Nostalgiker der NPD. Und doch ist es richtig, die NPD jetzt zu verbieten.

Programmatik und Propaganda der Partei, insbesondere die NS-Verherrlichung und die mehr oder weniger offene Holocaust-Leugnung, sind schlichtweg eine Beleidigung und unterschwellige Bedrohung all der Menschen, die vom Nazi-Regime verfolgt wurden, ebenso der jüdischen Gemeinden und anderer gesellschaftlicher Minderheiten heute.

Illustration: NPD-Logo in Verbotsschild neben rotem nach oben zeigendem Pfeil | Bild: picture-alliance/dpa; Montage: BR zum Artikel Contra NPD-Verbot Braune Soße zerschneiden?

Ohne Zweifel ist die NPD eine verfassungsfeindliche Partei, ihre menschenverachtende Ideologie offensichtlich. Doch wer das Instrument des Parteienverbots anwendet, sollte bedenken: Am Ende könnte es der Demokratie mehr schaden als die NPD. Von Jürgen P. Lang [mehr]

Ein Verbot der NPD würde der Neonaziszene wichtige Ressourcen entziehen: Die üppigen Staatszuwendungen aus Wahlkampfkostenerstattung, Abgeordneten-Diäten und Fraktionszuwendungen. Zum anderen aber stellt die NPD unter dem Schutz des Parteienprivilegs ihre Infrastruktur für rechte Aufmärsche, Neonazi-Konzerte und ähnliches zur Verfügung, die ohne diesen Schutz leichter zu verhindern wären.

In der NPD und in ihrem direkten Umfeld tummeln sich Volksverhetzer, Schläger und Rechtsterroristen. Die würden sich nach einem Verbot natürlich nicht in Luft auflösen, aber ihr Handlungsspielraum würde empfindlich eingeschränkt.

Symbolpolitik im besten Sinne

Ein NPD-Verbot wäre Symbolpolitik im besten Sinne. Denn im Kampf gegen Rechtsextremisten geht es immer auch darum Zeichen zu setzen. Und das kann nicht allein den Bürgerinnen und Bürgern überlassen werden, die sich Tag für Tag Neonazis auf der Straße in den Weg stellen oder ihnen im Netz Paroli bieten. Auch der Staat muss Zeichen setzen. Indem zum Beispiel Polizei und Justiz endlich anfangen, rechte Straftäter angemessen zu verfolgen. Oder eben indem Organisationen, die unserer freiheitliche Grundordnung durch ein autoritäres, rassistisches Regime ersetzen wollen, verboten werden. Ein solches deutliches Signal ist umso notwendiger in Zeiten wie diesen, da größer werdende Teile der Bevölkerung – siehe Pegida und AfD – Argumenten kaum mehr zugänglich sind.

Auch die Justiz hat Nazis Vorschub geleistet

Und ganz nebenbei: Ein Verbot der NPD, über das das Bundesverfassungsgericht zu entscheiden hat, wäre auch ein Signal seitens der Justiz in eigener Sache. Denn die Justiz ist mitverantwortlich dafür, dass Neonazis in der Bundesrepublik bis heute so frei agieren können, dass etwa Verwaltungsgerichte regelmäßig Aufmärsche erlauben und zwar selbst an historisch so kontaminierten Orten wie der Münchner Feldherrnhalle. Die bundesdeutsche Justiz wurde maßgeblich von Nazis aufgebaut und geprägt (der Bundesgerichtshof z.B. war bis in die 1970er Jahre hinein durchsetzt mit einstigen NSDAP-Mitgliedern).

Der maßgebliche Kommentar zum Grundgesetz wurde von einem NS-Juristen verfasst, der noch im Dritten Reich den Führerbefehl als oberste Rechtsnorm feierte und nach 1945 bayerischer Kultusminister und hochgeehrter Rechtsprofessor an der Münchner Uni wurde: Theodor Maunz. Ihm ist es maßgeblich zu verdanken, dass Artikel 139 des Grundgesetzes keine Anwendung mehr findet. Dieser Artikel legt eigentlich fest, dass die Entnazifierungsmaßnahmen der Alliierten weitergelten. Würde er angewandt, dann könnten sich Neonazis hierzulande deutlich weniger frei bewegen, dann gäbe es heute vermutlich auch keine NPD. Doch Maunz – und insbesondere sein Schüler Roman Herzog – erklärten Artikel 139 für nicht mehr wirksam. Und die Gerichte folgten ihnen.

Professor Maunz ist es übrigens auch zu verdanken, dass eine andere Neonazi-Partei nicht verboten wurde: Die DVU des millionenschweren Nazi-Verlegers Gerhard Frey, die inzwischen quasi in der NPD aufgegangen ist. Maunz und Frey waren eng befreundet. Und der Doyen der deutschen Justiz wappnete den Chef der Nazipartei mit juristischen Gutachten gegen ein mögliches Verbot.

Wie gesagt: Es wird Zeit, Zeichen zu setzen.


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