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Making of Wie alles begann...

Alles beginnt in New York. Mit einem Daten-Leck. Journalisten des amerikanischen Recherchebüros ProPublica erhalten vertrauliche Papiere aus der Finanzindustrie: E-Mails, Transaktionsprotokolle, Kundenpräsentationen. Sie alle drehen sich um ein Thema: Steuervermeidung. Im Fachbegriff „Dividenden-Arbitrage“ oder „Cum/Cum-Geschäfte“ – von der Finanzindustrie positiv als „Gewinnsteigerung“ vermarktet.

Von: Pia Dangelmayer, Wolfgang Kerler

Stand: 02.05.2016 | Archiv

New York - Manhattan mit One World Trade | Bild: picture-alliance/dpa

Über ProPublica

ProPublica ist ein unabhängiger, gemeinnütziger Newsroom, der 2008 vom ehemaligen Chefredakteur des Wall Street Journal, Paul Steiger, gegründet wurde und sich der investigativen Recherche im öffentlichen Interesse verschrieben hat. Die Gründung war möglich durch eine langfristige Großspende der Sandler-Stiftung, die dem Recherche-Newsroom 30 Millionen Dollar zur Verfügung gestellt hat. ProPublica hat seine Arbeit im Januar 2008 aufgenommen, die ersten Veröffentlichungen folgten im Juni des Jahres. Seitdem hat ProPublica mit mehr als hundert anderen Medien zusammen publiziert und zahlreiche Preise, darunter mehrere Pulitzer-Preise, gewonnen. www.propublica.org

Aus den Unterlagen wird schnell klar: Das Steuerkomplott ist von internationaler Dimension. Und Deutschland ist Hauptziel der Steuervermeider. Hier sind die Dividenden besonders hoch, und besonders viele Aktien deutscher Unternehmen liegen im Ausland. Deshalb kontaktieren die Journalisten von ProPublica eine befreundete Redaktion in Deutschland: BR Recherche vom Bayerischen Rundfunk. Auch die Washington Post und das Handelsblatt werden Teil der Recherche-Kooperation.

"In Deutschland gibt es eine recht aggressive investigative Kultur – ich glaube es ist kein Zufall, dass die Panama Papers an eine deutsche Zeitung geleakt wurden. Und in Amerika gibt es ein größeres Gespür dafür, diese Recherchen über Grenzen hinweg zu führen. Wir haben das bei den Snowden Papers gesehen, da haben der Guardian und die Times kooperiert, auf jeden Fall bei den Panama Papers und bei dieser Geschichte hier. Es gibt so viele interessante Möglichkeiten. In dieser Geschichte hier geht es um Arbitrage in der Wirtschaftsbranche über Grenzen hinweg, und wir machen Journalismus, das ist auch eine Art Arbitrage über Grenzen hinweg. Wir nutzen die Vorteile unserer einzigartigen Quellen und eurer einzigartigen Quellen, und wir schaffen etwas Größeres, als jeder von uns alleine hätte schaffen können."

Steve Engelberg

Es beginnt eine aufwändige Recherche. Tausende Seiten Dokumente müssen sortiert und eingeordnet werden. Was stammt aus welcher Quelle? Existieren die genannten Personen wirklich? Und gibt es auch in öffentlichen Registern Hinweise auf die so genannten Cum/Cum-Geschäfte?

In Finanzkreisen sind die Geschäfte scheinbar ein offenes Geheimnis. Wir sprechen mit Experten von Wirtschaftsprüfungsgesellschaften, Finanzbehörden, Steuerberatern. Fast alle wissen davon, einige raten ihren Kunden sogar aktiv zu solchen Geschäften. Doch Politik und Öffentlichkeit wissen bisher eher wenig von den milliardenschweren Deals. Viele Gesprächspartner wollen deshalb lieber nicht vor die Kamera.

Auch in Finanzmarktdaten sind die Cum/Cum-Geschäfte leicht zu erkennen: Analysen des Unternehmensregisters und von amerikanischen Finanzmarktdaten belegen die Transaktionen der geheimen Unterlagen. In graphischen Auswertungen können wir immer das gleiche Muster erkennen: Eine extreme Steigerung des Wertpapierhandels kurz vor dem Dividendenstichtag. Das gilt für die Wertpapierleihe im Allgemeinen, aber auch für die Geschäfte der Commerzbank im Besonderen. Hier helfen unsere „einzigartigen Quellen“: Das Unternehmensregister ist kein Begriff in Amerika – wir wiederum profitieren vom Wall Street-Netzwerk der Amerikaner.

Am Ende wird aus vielen Puzzleteilen ein Gesamtbild. Es wirft kein gutes Licht auf die Finanzindustrie, und noch weniger auf die Politik, die offenbar jahrelang bei fragwürdigen Deals zugeschaut hat.

"Das ist es doch, worum es im investigativen Journalismus geht: Genau hinschauen, wie diese Unternehmen arbeiten. Wir erleben gerade, wie VW hohe Strafen zahlen muss, das ist natürlich eine große Geschichte in Deutschland und den USA. Und das hier ist eine große Geschichte auf eine andere Art und Weise. Beide Geschichten sind nicht analog, aber in beiden geht es darum, dass die Unternehmen etwas verheimlichen wollten, und wenn wir das jetzt veröffentlichen, dann ist es interessant für die Menschen auf beiden Seiten des Atlantiks."

Steve Engelberg

Rechercheteam

Die Recherche ist eine Kooperation des Bayerischen Rundfunks (BR Recherche / ARD-Politmagazin report München) mit dem New Yorker Recherchebüro ProPublica (Cezary Podkul), der Washington Post (Allan Sloan) und dem Handelsblatt (Sönke Iwersen und Volker Votsmeier).


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