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Steuervermeidung weltweit Die Wall Street und die Cum/Cum-Deals

Nicht nur in Deutschland werden mit Cum/Cum-Geschäften im großen Stil Steuern vermieden. Dem Bayerischen Rundfunk liegen Belege für derartige Deals in zahlreichen Ländern weltweit vor. Die USA sind nicht dabei: Dort ist man schon vor Jahren gegen Cum/Cum vorgegangen.

Von: Pia Dangelmayer, Wolfgang Kerler, Arne Meyer-Fünffinger

Stand: 02.05.2016 | Archiv

Ein Straßenschild der Wall Street in New York vor US-Flaggen. | Bild: picture alliance / dpa

Im Jahr 2008 wird es unruhig an der Wall Street. Der ständige Untersuchungsausschuss des US-Senats ermittelt zu Steuervermeidungsmodellen: zur so genannten "Dividenden-Arbitrage". Dabei nutzen Banken die Unterschiede in den Quellensteuersätzen weltweit, um Steuern zu vermeiden. In Deutschland sind diese Geschäfte als so genannte Cum/Cum-Deals bekannt.

In den USA lief es damals folgendermaßen: Da ausländische Aktienbesitzer amerikanischer Unternehmen bis zu 30 Prozent Steuern auf die Dividende zahlen müssen, halfen Großbanken in Amerika über Offshore-Fonds, diese Steuern zu senken oder zu vermeiden. Jahrelang.

Elise Bean, eine der einflussreichsten Steuerrechtsanwältinnen in den USA, leitete damals den Untersuchungsausschuss des US-Senats.

"Das amerikanische Recht ist eindeutig: Wenn man eine Dividende von einem amerikanischen Unternehmen ausgezahlt bekommt, muss man darauf Steuern zahlen. Aber viele ausländische Unternehmen wollten diese Steuern nicht zahlen. Also haben sie sich an finanziellen Turnübungen beteiligt, um diese Steuern nicht zahlen zu müssen."

Elise Bean

Die USA schließt Steuerschlupflöcher

Auch Goldman Sachs verdient an Cum/Cum-Geschäften.

Ein Jahr lang ermittelt der Senat, sichtet Akten, verhört Bankenvertreter. Das Ergebnis: ein 77-seitiger Report, der das Verhalten der Banken und der Finanzbehörden kritisiert und fordert, die Steuerschlupflöcher zu schließen. Seit dem Jahr 2010 sind solche Geschäfte zur Steuermeidung nicht mehr möglich. In den USA. Elise Bean ist jedoch nicht überrascht, dass es diese Art von Geschäften nach wie vor gibt.

"Das sind multinationale Konzerne, die in vielen Ländern gleichzeitig Geschäfte machen. Sie versuchen die gleichen Tricks in verschiedenen Ländern und schauen, wie sie damit durchkommen."

Elise Bean

Tatsächlich werden in vielen Ländern auch heute noch ähnliche Steuerschlupflöcher wie damals in den USA ausgenutzt. Belege dafür finden sich in den exklusiven Unterlagen, die der Bayerische Rundfunk, ProPublica, Washington Post und Handelsblatt jetzt ausgewertet haben. Hier werden die Deals positiv als Modelle zur "Gewinnsteigerung" angepriesen: In einer globalen Finanzwelt sollen sie Firmen, Investmentfonds und reichen Anlegern helfen, ihre Steuerlast zu reduzieren - mit Hilfe global tätiger Großbanken.

Die Profiteure

Viele große Finanzinstitute der Welt beteiligen sich offenbar an solchen Transaktionen. Investoren, die mit solchen Modellen Steuern sparen, sind große amerikanische Fonds wie Vanguard, Fidelity Investments oder BlackRock oder auch der norwegische Staatsfonds Norges. BlackRock nutzt ein eigenes Wertpapierleiheprogramm. Vanguard wollte nicht über einzelne Transaktionen sprechen. Sie antworten schriftlich, "Wertpapierleihe ist eine weit verbreitete Praxis, die wir klug einsetzen, um die Fonds-Rendite unserer Kunden zu steigern." Man spare damit keine Steuern, sondern erhalte eine "Wertpapierleihegebühr" und eine Zahlung, die der Dividende entspricht. Norges schreibt auf Anfrage: "Wertpapierleihgeschäfte sind ein wichtiger Teil unserer Investmentstrategie, aber wir beteiligen uns nicht am so genannten Dividenden-Stripping in Deutschland." Alle Transaktionen seien legal.

Auch die anderen Unternehmen berufen sich darauf, dass ihre Wertpapierleihgeschäfte im Einklang mit dem Gesetz stehen und aufgesetzt wurden, um Investoren zu helfen. Mike McNamee, Sprecher des Investment Company Institute in Washington, D.C., das große Finanzinstitute vertritt, geht noch weiter:

"Fonds haben die Verpflichtung, die Rendite für ihre Anleger zu maximieren. Wenn Fonds Wertpapiere verleihen, dann machen sie das im Einklang mit amerikanischen und internationalen Gesetzen zum Nutzen der Investoren."

Mike McNamee

Cum/Cum-Deals weltweit

Die Schweizer Bank UBS gehört auch zu den Cum/Cum-Profiteuren.

Vertrauliche Dokumente, die dem Bayerischen Rundfunk vorliegen, belegen, dass Cum/Cum-Geschäfte auf allen Kontinenten und in zahlreichen Ländern gemacht wurden oder immer noch werden: neben Deutschland auch in Frankreich, Italien, Schweden, der Schweiz, in den Niederlanden, in Ungarn, Norwegen, Dänemark, Finnland, Belgien, Österreich, Spanien, Kanada, Japan, Israel, Türkei, Singapur, Südafrika und Brasilien. Australien zum Beispiel ist inzwischen nicht mehr Teil des Marktes. Auch dort ist der Gesetzgeber schon tätig geworden.

"Wenn andere Staaten etwas von den Ermittlungen in den USA lernen können, dann das: Man kann diese Geschäfte stoppen - wenn man sie stoppen will."

Elise Bean

Dafür muss die Politik auch an die beteiligten Banken ran: Nicht nur die Commerzbank verdient an sogenannten Cum/Cum-Geschäften, auch die SEB, Barclays, HSBC, JPMorgan, Goldman Sachs, UBS, Morgan Stanley, Citigroup und Deutsche Bank sind beteiligt. SEB und deutsche Bank betonen, sie halten sich an die jeweils geltenden Steuergesetze. Andere wollten sich auf unsere Anfrage hin nicht äußern.

Rechercheteam

Die Recherche ist eine Kooperation des Bayerischen Rundfunks (BR Recherche / ARD-Politmagazin report München) mit dem New Yorker Recherchebüro ProPublica (Cezary Podkul), der Washington Post (Allan Sloan) und dem Handelsblatt (Sönke Iwersen und Volker Votsmeier).


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