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Anleitung zum Bombenbau Terrorverdacht gegen Münchner

In Zeiten von Terrorattacken in Bayern muss sich die Justiz nach BR-Recherchen mit einem dubiosen Fall aus München beschäftigen. Ein 45-Jähriger hat im Internet wohl eine Anleitung zum Bombenbau verbreitet. Der Beschuldigte hält sich für einen Islamisten.

Von: Joseph Röhmel

Stand: 25.07.2016 |Bildnachweis

Psychopathischer Ex-Junkie oder Islamist Boris H.  | Bild: facebook.com, BR, Montage BR

Es ist November 2015 – kurz nachdem islamistische Attentäter Paris in Angst und Schrecken versetzt haben. Boris H. aus München, wohl vor zwei Jahren in der inzwischen geschlossenen salafistischen Moschee Darul-Quran zum Islam konvertiert, freut sich ganz offensichtlich über den Terroranschlag. Der 45-Jährige selbsterklärte Islamist postet in sozialen Netzwerken das Kennzeichen der verbotenen Terrormiliz IS.

Anklage gegen Boris H. erhoben

Die Folge ist eine richterliche Durchsuchung. Der Computer wird sichergestellt. Der Ermittler finden auch eine Dose Haschisch. Aber so harmlos, wie sich der Fall auf den ersten Blick darstellt, ist er nicht. Sicherheitsbehörden müssen jede Bedrohung ernst nehmen, selbst wenn jemand "nur" verbotene Symbole im Internet postet. Boris H. ist vor allem ein Cyber-Dschihadist, könnte Menschen mit radikalen Gedanken infizieren, indem er IS-Propaganda verbreitet.

Sicherheitsbehörden fürchten nichts mehr als "einsame Wölfe", die im Hintergrund Anschlagspläne schmieden. Der Würzburger Attentäter soll so jemand gewesen sein. Auch der Attentäter von Ansbach hatte wohl Bezüge zur Terrormiliz IS. Jedenfalls beansprucht die Terrormiliz den Anschlag für sich. Ein Bekennervideo ist inzwischen im Netz aufgetaucht.

Bei Boris H. dagegen scheint der Fall rechtlich gesehen, klar zu sein: Ihm wird unter anderem vorgeworfen, eine Anleitung zum Bombenbau im Internet verbreitet zu haben. Das 88-seitige Handbuch lässt sich leicht finden und damit auch verbreiten. Der kiffende Islamist hat sich in Schwierigkeiten gebracht.

Gegen den Mann läuft eine Anklage. Ihm wird unter anderem die Vorbereitung einer staatsgefährdenden Gewalttat vorgeworfen. Der Prozesstermin beim Amtsgericht München ist noch unklar.

Zweifel an der Turbo-Radikalisierung

Boris H. mag unter gewissen Störungen leiden. Aber gerade sein Fall zeigt, wie schwierig es ist, zwischen einem militanten Islamisten und einem Menschen mit psychischen Problemen zu unterscheiden. Beim Attentäter von Würzburg beispielsweise heißt es, er sei traumatisiert gewesen. Er habe vom Tod eines Freundes in Afghanistan erfahren und habe sich deshalb radikalisiert. Experten zweifeln aber generell an der sogenannten Turbo-Radikalisierung. 

"Ich glaube, wir haben ein Problem tiefer zu schauen, wie solche Phänomene entstehen", so etwa Ahmad Mansour, Psychologe und Mitarbeiter von Deradikalisierungs-Programmen, im Bayern-2-Magazin Dossier Politik. Laut dem Psychologen steckt die islamistische Ideologie schon tiefgreifend in vielen Menschen, hängt mit Erziehungsmethoden und patriarchalischen Strukturen zusammen. Das heißt: Es sind Jugendliche, die von ihrem Imam schon früh gesagt bekommen, wenn du eine Sünde begehst, dann landest du in der Hölle. Das schafft Unsicherheit. Und genau in diese Unsicherheit hinein wirken Salafisten. Menschen auf der Suche nach Halt und Orientierung sind anfällig.      

Die Scheren-Attacke von München

Tatort Münchner Stadtteil Ludwigsvorstadt: Im Mai greift ein 26 Jahre alter Mann nahe der Agentur für Arbeit erst mehrere Passanten und dann zwei Polizisten mit einer Schere an. Der junge Mann hat nach BR-Recherchen Bezüge in die Münchner Salafisten-Szene, hat für die umstrittene Aktion "Lies!" Korane verteilt. Ein Youtube-Video zeugt davon. Eine islamistische Motivation für die Tat schließen die Ermittler dennoch aus. Eher sind psychische Probleme der Grund für die Scheren-Attacke.

Es ist erstaunlich, wie häufig die problematische Psyche bei Islamisten eine Rolle spielt. Fatma B. aus Augsburg ist so ein Beispiel. Die Frau ist 17 Jahre alt, als sie sich vor über einem Jahr einer Terrormiliz in Syrien anschließt. Auf der Internetseite einer Frau, die Mitbürgern in "schwierigen Lebenssituationen Hilfe" anbietet,  hat Fatma B. einen vielsagenden Eintrag hinterlassen:

"Ich war bei Frau Z. mehrmals zur Beratung, um verschiedene Probleme zu lösen. Jedes Mal konnte die nette Frau mir helfen."

Auszug aus Forumseintrag von Fatma B.    

Das Problem mit der Psyche

Psychische Probleme? Verteidiger von Dschihadisten, die vor Gericht stehen, führen diesen Grund gerne an. Das nimmt den Angeklagten ein bisschen aus der Schusslinie, macht deutlich, dass er doch ein Opfer der Gesellschaft sei – ein in die Irre geführter junger Mensch. Das soll das Strafmaß reduzieren. Bei Samir A. aus München-Neuperlach hat das nicht geholfen.

Der 27-Jährige soll versucht haben, Richtung Syrien auszureisen, stand deshalb im Mai vor Gericht. Der Verteidiger sprach über seine Depressionen, plädierte auf Freispruch. Staatsanwaltschaft und Richter waren da anderer Meinung. Denn Samir hatte eindeutige Dinge auf seiner Facebook-Seite gepostet. Ein Beispiel: "Viele sind jene, die beschlossen haben zu leben, um zu sterben. Ich aber habe beschlossen, zu sterben, um zu leben!"

Das Gericht verurteilte den Angeklagten zu zweieinhalb Jahren Haft. Ein Zeichen, dass ein Verweis auf eine psychische Störung nicht immer hilft. Sie muss eindeutig nachweisbar sein. Am Ende wirkt sie eher wie eine schlechte Ausrede. Im Falle des Würzburger Täters mag es gegenüber den Opfern und Angehörigen fast zynisch klingen, das Attentat auf eventuelle psychische Probleme zurückzuführen.

Der Mann galt als integriert, wollte Bäcker werden. Hat er sich verstellt, dass man ihm nicht auf die Schliche kommt? Nicht jeder Täter lässt sich ausfindig machen. Es gehört zur Strategie des Islamischen Staats, dass "Soldaten" ihre Motive verbergen. Schärfere Gesetze allein können deshalb wohl kaum verhindern, islamistisch motivierte Anschläge zu verhindern. Sicherheitsbehörden sind auf die Hilfe der Bevölkerung angewiesen. Das mag hilflos klingen, ist aber Realität.

        







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Emma D., Montag, 25.Juli 2016, 17:55 Uhr

8. Krieg macht seelisch krank

Wenn ein Erdteil über viele Jahrzehnte hinweg von Blut-für-Öl-Kriegern mit Medienhetze diffamiert, mit bezahlten Oppositionen verunsichert, von Auftragsrebellen staatlich destabilisiert, mit Sanktionen verelendet und von fremden Militärs schikaniert und sogar bombardiert wird, können dort seelische Schäden nicht ausbleiben, sowohl bei unmittelbar Betroffenen als auch bei Angehörigen als auch transgenerational bei den Nachkommen. Wenn Volksverhetzung strafbar ist (§130 StGB), dann muss das m.E. auch für hiesige amtliche und mediale Kriegsantreiber gelten.

Ein Bayer, Montag, 25.Juli 2016, 17:52 Uhr

7. Schmeisst die Salafisten endlich raus

Um es nochmals zu sagen: Schuld an der allgemeinem Misere haben auch die Medien, weil sie sofort alles berichten und möglichst mit vielen Kameras alles festhalten wollen. Wenn diese Terror-Möchtegerns keine Medien-Plattform mehr finden, dann können sie sich auch nicht selbst beweihräuchern. Wo sind die Verantwortlichen a l l e r Medienanstalten, die endlich eine klaren Kodex schmieden, was sie sagen und zeigen? Ich fürchte, Gladbeck lässt mal wieder grüßen.

(Zitat von Adel al-Jubeir - junger arabischer Führer aus Saudi-Arabien gegenüber Politico,eu): “We don’t have imams we send to Europe. If they are in your country teaching hate, stop them from preaching. If they are Saudi, kick them out of your country. But don’t go around blaming others. Deal with it.”(Ende Zitat)
Warum schmeisst der deutsche Staat die Hassprediger nicht raus. Was diese machen, hat nichts mit Religionsfreiheit zu tun. Auch Herr Hermann darf sich nicht wundern, wenn er nichts dagegen tut.

  • Antwort von Schweiger im Walde, Montag, 25.Juli, 20:06 Uhr anzeigen

Geradeheraus, Montag, 25.Juli 2016, 17:26 Uhr

6. Da bleibt den Willkommensjublern beim nächsten Zugang der Ton im Halse stecken.

Genau wie die Zuwanderer wissen, welche Hilfen ihnen zustehen, kennen die natürlich auch die hiesige Rechtsprechung. Da ist es doch ein Leichtes, sich wegen Depressionen in Behandlung zu geben oder anderer psychischer Wehwehchen. Die wir vielleicht alle haben, jedoch nicht weiter beachten können. Denn wir sind mit dem Sichern unseres (und ihres) Lebensunterhaltes beschäftigt. Man denke gründlich nach über die Überlebenden des Zweiten Weltkrieges: Trotz aller Traumata mussten die so wieder werden! Aber ohne Arbeit, also Leistung, gab es damals kein Essen. Anhand der vielen schlimmen Ereignisse dieses Jahr wird klar: Das Migrantenhätscheln ist der falsche Weg gewesen. Nur wer strenge Regeln vorgibt, bekommt Respekt zurück. Man auch könnte schlichtweg argumentieren: Nur die allerdümmsten Kälber wählen ihre Schlachter selber...

  • Antwort von Hysteriker, Montag, 25.Juli, 20:13 Uhr anzeigen

Axel Schoert, Montag, 25.Juli 2016, 16:18 Uhr

5. Probleme

Jedem Gewalttäter werden psychische Probleme unterstellt. Damit soll der Leser beruhigt werden. Das war schon immer so.
Der Täter sollte seine Probleme beweisen können. Kann der dies, hat er gar keine psychischen Probleme.
Womit eine Milderung des Strafmasses grundsätzlich nicht in Betracht kommen sollte.

  • Antwort von Sachsendreier, Montag, 25.Juli, 17:34 Uhr anzeigen

  • Antwort von Manfred, Montag, 25.Juli, 17:44 Uhr anzeigen

  • Antwort von Ruland, Montag, 25.Juli, 20:26 Uhr anzeigen

Wolfgang Kuhn, Montag, 25.Juli 2016, 16:14 Uhr

4. Terror? Amok?

Mir ist das langsam egal, ob die Medien solche Sachverhalte wie in Heidingsfeld, im OEZ, in Ansbach als terroristischen Akt oder als Amoklauf "klassifizieren". (Ich habe allerdings Verständnis dafür, dass die Polizei hier aus verschiedenen Gründen Rubriken bildet.) Auch Amok kann wie in München terrorisieren. Man fragt sich nur, wo bezieht ein angeblich depressiver 18-jähriger Schüler solch eine Waffe her? Reicht da das sog. Darknet als Erklärung? Hat er die Waffe wieder schussfähig gemacht? Wo bekommt man solche Mengen an Munition? Das erinnert - mit Verlaub - eher an die RAF. Und das war unzweifelhaft Terror. Unsere Medien sind heute sehr schnell mit der Feststellung, es handle sich um psychisch kranke Einzeltäter. (Vgl. auch Grafing.) Früher hatte auch nicht ein psychisch kranker Einzeltäter gleich eine Machete oder Bombe zur Hand. Liegt das alles wirklich nur am Internet??

  • Antwort von Manfred, Montag, 25.Juli, 17:42 Uhr anzeigen

  • Antwort von Gunter, Montag, 25.Juli, 19:54 Uhr anzeigen

  • Antwort von Ulf, Montag, 25.Juli, 20:44 Uhr anzeigen