Anleitung zum Bombenbau Terrorverdacht gegen Münchner
In Zeiten von Terrorattacken in Bayern muss sich die Justiz nach BR-Recherchen mit einem dubiosen Fall aus München beschäftigen. Ein 45-Jähriger hat im Internet wohl eine Anleitung zum Bombenbau verbreitet. Der Beschuldigte hält sich für einen Islamisten.

Es ist November 2015 – kurz nachdem islamistische Attentäter Paris in Angst und Schrecken versetzt haben. Boris H. aus München, wohl vor zwei Jahren in der inzwischen geschlossenen salafistischen Moschee Darul-Quran zum Islam konvertiert, freut sich ganz offensichtlich über den Terroranschlag. Der 45-Jährige selbsterklärte Islamist postet in sozialen Netzwerken das Kennzeichen der verbotenen Terrormiliz IS.
Anklage gegen Boris H. erhoben
Die Folge ist eine richterliche Durchsuchung. Der Computer wird sichergestellt. Der Ermittler finden auch eine Dose Haschisch. Aber so harmlos, wie sich der Fall auf den ersten Blick darstellt, ist er nicht. Sicherheitsbehörden müssen jede Bedrohung ernst nehmen, selbst wenn jemand "nur" verbotene Symbole im Internet postet. Boris H. ist vor allem ein Cyber-Dschihadist, könnte Menschen mit radikalen Gedanken infizieren, indem er IS-Propaganda verbreitet.
Sicherheitsbehörden fürchten nichts mehr als "einsame Wölfe", die im Hintergrund Anschlagspläne schmieden. Der Würzburger Attentäter soll so jemand gewesen sein. Auch der Attentäter von Ansbach hatte wohl Bezüge zur Terrormiliz IS. Jedenfalls beansprucht die Terrormiliz den Anschlag für sich. Ein Bekennervideo ist inzwischen im Netz aufgetaucht.
Bei Boris H. dagegen scheint der Fall rechtlich gesehen, klar zu sein: Ihm wird unter anderem vorgeworfen, eine Anleitung zum Bombenbau im Internet verbreitet zu haben. Das 88-seitige Handbuch lässt sich leicht finden und damit auch verbreiten. Der kiffende Islamist hat sich in Schwierigkeiten gebracht.
Gegen den Mann läuft eine Anklage. Ihm wird unter anderem die Vorbereitung einer staatsgefährdenden Gewalttat vorgeworfen. Der Prozesstermin beim Amtsgericht München ist noch unklar.
Zweifel an der Turbo-Radikalisierung
Boris H. mag unter gewissen Störungen leiden. Aber gerade sein Fall zeigt, wie schwierig es ist, zwischen einem militanten Islamisten und einem Menschen mit psychischen Problemen zu unterscheiden. Beim Attentäter von Würzburg beispielsweise heißt es, er sei traumatisiert gewesen. Er habe vom Tod eines Freundes in Afghanistan erfahren und habe sich deshalb radikalisiert. Experten zweifeln aber generell an der sogenannten Turbo-Radikalisierung.
"Ich glaube, wir haben ein Problem tiefer zu schauen, wie solche Phänomene entstehen", so etwa Ahmad Mansour, Psychologe und Mitarbeiter von Deradikalisierungs-Programmen, im Bayern-2-Magazin Dossier Politik. Laut dem Psychologen steckt die islamistische Ideologie schon tiefgreifend in vielen Menschen, hängt mit Erziehungsmethoden und patriarchalischen Strukturen zusammen. Das heißt: Es sind Jugendliche, die von ihrem Imam schon früh gesagt bekommen, wenn du eine Sünde begehst, dann landest du in der Hölle. Das schafft Unsicherheit. Und genau in diese Unsicherheit hinein wirken Salafisten. Menschen auf der Suche nach Halt und Orientierung sind anfällig.
Die Scheren-Attacke von München
Tatort Münchner Stadtteil Ludwigsvorstadt: Im Mai greift ein 26 Jahre alter Mann nahe der Agentur für Arbeit erst mehrere Passanten und dann zwei Polizisten mit einer Schere an. Der junge Mann hat nach BR-Recherchen Bezüge in die Münchner Salafisten-Szene, hat für die umstrittene Aktion "Lies!" Korane verteilt. Ein Youtube-Video zeugt davon. Eine islamistische Motivation für die Tat schließen die Ermittler dennoch aus. Eher sind psychische Probleme der Grund für die Scheren-Attacke.
Es ist erstaunlich, wie häufig die problematische Psyche bei Islamisten eine Rolle spielt. Fatma B. aus Augsburg ist so ein Beispiel. Die Frau ist 17 Jahre alt, als sie sich vor über einem Jahr einer Terrormiliz in Syrien anschließt. Auf der Internetseite einer Frau, die Mitbürgern in "schwierigen Lebenssituationen Hilfe" anbietet, hat Fatma B. einen vielsagenden Eintrag hinterlassen:
"Ich war bei Frau Z. mehrmals zur Beratung, um verschiedene Probleme zu lösen. Jedes Mal konnte die nette Frau mir helfen."
Auszug aus Forumseintrag von Fatma B.
Das Problem mit der Psyche
Psychische Probleme? Verteidiger von Dschihadisten, die vor Gericht stehen, führen diesen Grund gerne an. Das nimmt den Angeklagten ein bisschen aus der Schusslinie, macht deutlich, dass er doch ein Opfer der Gesellschaft sei – ein in die Irre geführter junger Mensch. Das soll das Strafmaß reduzieren. Bei Samir A. aus München-Neuperlach hat das nicht geholfen.
Der 27-Jährige soll versucht haben, Richtung Syrien auszureisen, stand deshalb im Mai vor Gericht. Der Verteidiger sprach über seine Depressionen, plädierte auf Freispruch. Staatsanwaltschaft und Richter waren da anderer Meinung. Denn Samir hatte eindeutige Dinge auf seiner Facebook-Seite gepostet. Ein Beispiel: "Viele sind jene, die beschlossen haben zu leben, um zu sterben. Ich aber habe beschlossen, zu sterben, um zu leben!"
Das Gericht verurteilte den Angeklagten zu zweieinhalb Jahren Haft. Ein Zeichen, dass ein Verweis auf eine psychische Störung nicht immer hilft. Sie muss eindeutig nachweisbar sein. Am Ende wirkt sie eher wie eine schlechte Ausrede. Im Falle des Würzburger Täters mag es gegenüber den Opfern und Angehörigen fast zynisch klingen, das Attentat auf eventuelle psychische Probleme zurückzuführen.
Der Mann galt als integriert, wollte Bäcker werden. Hat er sich verstellt, dass man ihm nicht auf die Schliche kommt? Nicht jeder Täter lässt sich ausfindig machen. Es gehört zur Strategie des Islamischen Staats, dass "Soldaten" ihre Motive verbergen. Schärfere Gesetze allein können deshalb wohl kaum verhindern, islamistisch motivierte Anschläge zu verhindern. Sicherheitsbehörden sind auf die Hilfe der Bevölkerung angewiesen. Das mag hilflos klingen, ist aber Realität.
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Retrospektiver, Montag, 25.Juli 2016, 14:25 Uhr
3. Früher war alles anders...
...da hatten sich verzweifelte und depressive Menschen von einer Brücke gestürzt oder sich vor die Bahn geworfen oder still im Kämmerlein die Tabletten geschluckt und heute mit Internet?
Antwort von Renate E., Montag, 25.Juli, 17:36 Uhr anzeigen
Das machen heutzutage wirklich Verzweifelte immer noch... Denn die Zahl "üblicher" Selbstmorde ist noch hoch. Aber in gewisser Weise haben Sie hinsichtlich früher den Finger drauf: Die Lebensqualität war besser...
Antwort von Manfred, Montag, 25.Juli, 17:38 Uhr anzeigen
.... tun sie auch heute noch in den meisten Fällen.
Aber manche bringen halt einen Jumbo zum Absturz oder so...
Wobei man schon vorsichtig sein muss: Depressionen ja, aber die allein reichen meiner Meinung nach nicht aus für eine solche Tat. (Sie sind allerdings "hilfreich" für das Gefühl hat, dass eh alles verloren ist.)
Antwort von Amatör, Montag, 25.Juli, 23:44 Uhr anzeigen
Da das Thema nun mal angesprochen wurde: Wer keinen anderen Ausweg mehr sieht, soll bitte Tabletten nehmen, sich aber nicht vor einen Zug werfen. Außenstehende können sich gar nicht vorstellen, was es für einen Lokführer bedeutet, mit seinem Zug zehn oder zwanzig Sekunden lang auf einen Menschen auf dem Gleis zuzufahren, ohne etwas machen zu können – weil die Schnellbremsung es nicht mehr schafft und ein Ausweichen ja nicht möglich ist.
Bitte. Was kann der Lokführer dafür?
Manfred, Montag, 25.Juli 2016, 14:23 Uhr
2.
Das Thema "psychische Erkrankung" ist nicht einfach.
Zuerst sollte man mal unterscheiden zwischen Neurosen (also vor allem Depressionen und Angstörungen) und Psychosen (z.B. Schizophrenie und andere schwerwiegende Erkrankungen. (Und natürlich treten diese auch gemischt auf.)
Neurosen sind in unserer Gesellschaft weit verbreitet, manche wissen gar nichts davon und sollten für sich alleine nie Grund für eine Gewalttat sein. (Ausgenommen Selbstmord)
Wenn also eine an Depressionen leidende Person eine Gewalttat verübt, dann wohl kaum nur auf Grund dieser Depression. Sicherlich können die Depressionen dabei eine Rolle spielen ("eh schon alles egal") aber dazu müssen in jedem Fall noch ganz andere Faktoren hinzu kommen.
Psychosen hingegen können für sich allein quasi Grund für Gewaltausbrüche sein, hier ist dann statt Haftstrafe in der Regel eine Zwangsunterbringung in der Psychiatrie angezeigt. (Was im Endeffekt nicht viel Unterschied macht.)
Thomas, Montag, 25.Juli 2016, 13:33 Uhr
1. "Psychokarte"
Irgendwann (vielleicht schneller als mancher denkt) wird die "Psychokarte" ausgespielt haben und ehrlich gesagt, ich bin es mittlerweile leid wie sich solche Gewaltverbrecher hinter geistigen Störungen "verstecken" und "verteidigen" lassen können. Erst immer große Schnauze und den harten "Jihadisten" spielen und dann wenn es darum geht dafür Verantwortung zu übernehmen ist der Täter immer ein "armer psychisch" erkrankter der all seine Verantwortung auf die Gesellschaft abladen kann weil die ja "ursächlich" daran schuld sein soll dass er zu einem Verbrecher wurde.
Wie gesagt, ich bin es wirklich leid immer und immer wieder dieses entschuldigende Gefasel von Psychologen in den Nachrichten zu hören und zu lesen, weil sie eines bei ihren Erklärungsversuchen immer ausblenden und das ist die Eigenverantwortlichkeit als Individuum. Eine Strafmilderung in solchen Fällen sollte unterbleiben und der (lebende) Täter hart bestraft werden, allein um potenziellen Nachahmern ein Zeichen zu setzen.
Antwort von Eska Peter, Montag, 25.Juli, 14:05 Uhr anzeigen
Aus dem Beipackzettel eines gängigen Antidepressiva:
"...Wenn Sie depressiv sind oder unter Angststörungen leiden, können Sie manchmal Gedanken daran haben, sich selbst zu verletzen oder Suizid zu begehen.
Solche Gedanken können bei der erstmaligen Anwendung von Antidepressiva verstärkt sein, denn alle diese Arzneimittel brauchen einige Zeit bis sie wirken, gewöhnlich etwa zwei Wochen, manchmal auch länger.
Das Auftreten derartiger Gedanken ist wahrscheinlicher,
• wenn Sie bereits früher einmal Gedanken daran hatten, sich das Leben zu nehmen oder daran gedacht haben, sich selbst zu verletzen,
• wenn Sie ein junger Erwachsener sind. Ergebnisse aus klinischen Studien haben ein erhöhtes Risiko für das Auftreten von Suizidverhalten bei jungen Erwachsenen im Alter bis 25 Jahre gezeigt, die unter einer psychiatrischen Erkrankung litten und mit einem Antidepressivum behandelt wurden..."
Das sollte einem zu denken geben...
Antwort von Ruland, Montag, 25.Juli, 14:06 Uhr anzeigen
@Thomas
Die Psycho-Karte kann man nicht unbedingt ausspielen. Die letzten Fälle belegen eben, dass eine psychische Erkrankung schon vorher vorlag. Ausserdem gibt es keine Strafmilderung für Krankheiten. Es gibt die verminderte Schuldfähigkeit und die Schuldunfähigkeit nach § 20,21 StGB. Das bedeutet in der Praxis, dass diese Personen in die Sicherungsverwahrung als Patienten gehen. Die kann länger dauern als die Verurteilung wegen der betreffenden Straftat. Ich sehe keine Veranlassung mich darüber aufzuhalten, was denn nun die bessere Sanktion ist. Das Gesetz sieht das so vor, daß es einer tatbestandmäßiger Handlung, der Rechtswidrigkeit und der Schuldhahftigkeit bedarf.
Meines Erachtens müssen früher schon die Ursachen angegangen werden. Kindheit, Eltern, Schule, soziales Umfeld usw. Die Kinder und Jugendlichen sind zu oft sich selbst überlassen. Mobbing muss massiv bekämpft werden.
Antwort von PS_ED, Montag, 25.Juli, 14:08 Uhr anzeigen
Diese Täter, die erst einen auf dicke Hose machen und dann am Ende mit voller Hose dastehen, sind geistig verwirrt!
Diese gehören in sog Sicherheitsverwahrung (wenn man sie rechtzeitig erkennt) und unter medizinischer Beobachtung!
Mir geht es ähnlich, nur ich versteh nicht, wie man diesen Verwirrten auch noch eine politich, religiöse bzw. kulturelle Rechtfertigung abnimmt / geben kann!
Dies ruft m.E. Nachahmer auf den Plan und fördert durch Heldenverehrung auch noch die jeweilige Gruppierung!
Der Bürger sollte sich fragen, wie lange wollen wir noch Werbung machen oder wollen wir endlich das Kind beim Namen nennen und diese Menschen als schwer psychisch geschädigt bezeichnen und uns auf die Suche nach den Ursacvhen machen!
Warum spielt man Ego-Shooter, was fasziniert am IS, wie kommt man auf die Idee etwas besseres zu sein, etc...
Antwort von Manfred, Montag, 25.Juli, 17:46 Uhr anzeigen
Eska Peter:
Ja das ist allgemein bekannt. Aber Suizid beinhaltet in aller Regel KEINE Gewalttat. - Für eine Gewalttat müssen schon noch andere Ursachen vorliegen als "nur" Depressionen bzw. Antidepressiva.
Antwort von Eska Peter, Montag, 25.Juli, 20:46 Uhr anzeigen
@Manfred: "Ja das ist allgemein bekannt. Suizid beinhaltet in aller Regel KEINE Gewalttat..."
Bekannt (vielleicht) in Fachkreisen, aber sicherlich nicht der Allgemeinheit!
Aus einer Verkehrsmeldung: "...Bei einem Verkehrsunfall auf der Bundesstraße xy starben in den Morgenstunden zwei Menschen. Der Unfallverursacher kam aus unerklärlichen Gründen auf die Gegenfahrbahn..."
Antidepressiva können einem Depressiven erst die Kraft geben, Suizid zu begehen, die er ohne sie nicht hatte.
Antwort von Smombie, Montag, 25.Juli, 20:59 Uhr anzeigen
Bei einem Verkehrsunfall auf der Bundesstraße xy starben in den Morgenstunden zwei Menschen. Der Unfallverursacher kam aus unerklärlichen Gründen auf die Gegenfahrbahn..."
Noch grössere Wahrscheinlichkeit: Ablenkung durch Smartphone
Vgl. unerklärliche Auffahrunfälle durch LKW am Stauende und ähnliche.