NSU-Prozess Jahresrückblick zum 400. Verhandlungstag
Der NSU-Prozess befindet sich in seiner Schlussphase. Bereits seit Mai 2013 verhandelt das Münchner Oberlandesgericht gegen die Hauptangeklagte Beate Zschäpe. Heute ist der 400. Verhandlungstag. Wo steht das Verfahren Ende 2017?
Der NSU-Prozess ist nichts für Ungeduldige. Das zeigte sich auch im Jahr 2017. Das Jahr sollte mit dem lange erwarteten Zschäpe-Gutachten des Psychiaters Henning Saß beginnen. Doch die Verteidigung von Beate Zschäpe verlas überraschend eine Erklärung, in der Zschäpe ein weiteres Mal versuchte zu retten, was zu retten ist. Vergebens. Der Psychiater trug schließlich seine Einschätzungen vor: Er hält die Hauptangeklagte im NSU-Prozess für voll schuldfähig und weiter gefährlich. Die Einschätzungen des Sachverständigen sind ganz im Sinne der Nebenklage, also der Vertreter der Opfer.
"Er hat ausführlich dargelegt, dass Frau Zschäpe jemand ist, der sehr stark eigene Verantwortlichkeiten auf andere schiebt. Der sehr schlecht in der Lage ist Eigenverantwortung zu erkennen und auch zu übernehmen. Ein Mensch der ein sehr distanziertes Verhältnis zu dem hat was tatsächlich geschehen ist."
Doris Dierbach, Nebenklage-Anwältin
Plädoyer der Bundesanwaltschaft beginnt
Rechtsanwältin Doris Dierbach vertritt die Familie von Halit Yozgat, dem neunten Opfer der sogenannten Ceska-Mordserie des NSU. Folgt das Gericht dem Gutachten von Saß, muss Zschäpe mit einer Verurteilung rechnen. Ihre Verteidiger greifen es deshalb in den folgenden Wochen und Monaten scharf an. Die juristische Auseinandersetzung um das Gutachten dauert über ein halbes Jahr, doch nach zähem Ringen wird die Beweisaufnahme im NSU-Prozess schließlich geschlossen.
Noch im Juli beginnt die Bundesanwaltschaft mit ihrem Plädoyer, das insgesamt acht Verhandlungstage dauert. Bundesanwalt Herbert Diemer fordert die Verurteilung von Beate Zschäpe zu einer lebenslänglichen Haftstrafe mit Feststellung der besonderen Schwere der Schuld. Außerdem hält er die Anordnung der anschließenden Sicherungsverwahrung für geboten.
"Ich meine, dass klar geworden ist, dass es sich bei der Angeklagten tatsächlich um einen eiskalt kalkulierenden Menschen handelt, für den Menschenleben zur Durchsetzung ihrer wirtschaftlichen und ideologischen Ziele keine Rolle spielen und dass sie eine bedeutende und wichtige Rolle in der terroristischen Vereinigung NSU gespielt hat, die durch ihre Tatbeiträge, die wir auch dargelegt haben auch dazu geführt hat, dass sie als Mittäterin verurteilt werden müsste."
Herbert Diemer, Bundesanwalt
Hohe Haftstrafen auch für Mitangeklagte gefordert
Laut Bundesanwaltschaft ist Beate Zschäpe schuldig an zehn Morden, über 30 versuchten Morden, drei Sprengstoffanschlägen, 15 Banküberfällen und der Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung. Für die vier mitangeklagten mutmaßlichen Unterstützer fordert der Bundesanwalt zum Teil ebenfalls hohe Haftstrafen. Auch für André E., der wohl am engsten mit dem NSU-Trio verbunden war. Er wird wegen Fluchtgefahr noch im Gerichtssaal festgenommen und sitzt seit Mitte September wie Beate Zschäpe und Ralf Wohlleben in Untersuchungshaft. Andre E. bringt den Prozess anschließend durch rund 20 Befangenheitsanträge für Wochen nahezu zum Erliegen. Nach langer Verzögerung beginnen im November die rund 60 Nebenklage-Anwälte mit ihren Plädoyers. Auch sie sehen die Schuld der Angeklagten als erwiesen an. Aber sie attackieren auch die Bundesanwaltschaft.
"Die These ist, von der Bundesanwaltschaft befördert, der NSU bestand lediglich aus drei Personen, die abgeschottet gelebt haben und weil die so abgeschottet waren, so professionell waren, wussten auch die Sicherheitsbehörden nichts von der Existenz. Und wir sagen: Nein, es ist nicht so gewesen. Es gab in Thüringen und in Sachsen in Chemnitz und in Zwickau unzählige Helfer."
Antonia von der Behrens, Nebenklage-Anwältin
Noch sind die Schlussvorträge der Nebenklage nicht abgeschlossen. Inzwischen zählt der NSU-Prozess 400 Verhandlungstage und befindet sich in seiner Schlussphase. Wie lange die noch dauern wird? Prozessbeteiligte rechnen mit einem Urteil im Frühjahr 2018.