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Ein Teil von uns Vier Fragen an Drehbuchautorin Esther Bernstorff

Stand: 27.06.2016

Esther Bernstorff, Drehbuchautorin "Ein Teil von uns" | Bild: Esther Bernstorff

EIN TEIL VON UNS thematisiert eine dunkle Seite unserer Gesellschaft, vor der sich viele Menschen scheuen, oft die Nase rümpfen und lieber wegschauen. Was gab den Impuls für die Geschichte?

Esther Bernstorff: Die Produzentin Kerstin Schmidbauer kam mit der Idee auf mich zu. Sie hatte eine Dokumentation über erwachsene Menschen mit obdachlosen Eltern gesehen und wollte zu dem Thema einen Spielfilm machen. Ich bin sofort darauf angesprungen. Ich hätte mich nicht getraut, die obdachlose und psychotische Mutter als Protagonistin zu erzählen, aber durch die Perspektive der Tochter wird es letztlich zu einer Familiengeschichte. Einer Geschichte, die mit Liebe, Scham, Schuldgefühlen, Wut und Hilflosigkeit zu tun hat. Gefühle, die wir alle kennen im Zusammenhang mit unseren Familien. Das machte es für mich als Autorin viel leichter anzuknüpfen, und es wird hoffentlich auch den Zuschauern eine Identifikation ermöglichen.

Wie sind Sie bei den Recherchen vorgegangen? 

Esther Bernstorff: Wir haben vor allem in der Obdachlosenszene selber recherchiert – in Berlin und in München. In München waren die Recherchen komplizierter, weil die Stadt gerne von sich behauptet, dass sie kein Problem mit Obdachlosigkeit habe. Da musste man tiefer graben. Wir haben auch versucht, Kontakt zu Angehörigen von Obdachlosen aufzunehmen, aber das war schlichtweg unmöglich. Diese Menschen fühlen sich offensichtlich sehr stigmatisiert und kämpfen mit Schuldgefühlen. Und es gibt tatsächlich wenig Verständnis für ihre Situation. Ich habe das in Foren beobachten können. Wenn jemand schreibt, dass ein Elternteil Alkoholiker ist, dann ist die Reaktion zumeist: Sieh zu, dass Du da weg kommst. Wenn jemand schreibt, dass die Mutter obdachlos ist, heißt es: Warum lebt sie nicht bei Dir?

Sie selbst kommen aus Essen und leben in Berlin. Warum haben Sie sich für München als Spielort entschieden

Esther Bernstorff: Die Entscheidung für München fiel zunächst mit der Entscheidung des BR, den Film zu realisieren. Ich hatte anfänglich Schwierigkeiten damit, weil ich München so wenig kenne und die Obdachlosigkeit dort wesentlich weniger sichtbar ist als in Berlin. Gerade diesen Aspekt fand ich dann aber zunehmend spannender, weil die Kontraste noch größer sind.

Keine der Figuren im Film wird verurteilt, der Blick ist neutral. Wie haben Sie es geschafft, diese Neutralität zu wahren, für niemanden aus der Familie Partei zu ergreifen? 

Esther Bernstorff: Ich bin beim Schreiben eigentlich nicht neutral – es gibt durchaus Figuren, denen ich mich näher fühle als anderen. Dennoch ist es mir wichtig, dass jede Figur in sich eine Berechtigung hat. Die Situation, die in unserem Film beschrieben wird, ist eine unglaubliche Herausforderung für die ganze Familie und es gibt keinen richtigen Weg, damit umgehen. Dazu machen es die festgeschriebenen Rollen innerhalb der Familie oft schwer, sich weiterzuentwickeln und etwas an der Situation zu verändern. Der eine reagiert mit übermäßigem Verantwortungsgefühl, der andere mit völliger Verdrängung. Beiden Reaktionen liegt ein Schmerz zugrunde und in dem Moment, wo die Verletzlichkeit sichtbar wird, hat für mich jede Figur eine Würde.


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