Ein Teil von uns Produzentin Kerstin Schmidbauer über den Filmstoff
Fast alle Obdachlosen hatten einmal ein ganz normales bürgerliches Leben, die meisten von ihnen waren verheiratet, haben Kinder, auch wenn der Kontakt meist mit vielen Schwierigkeiten verbunden ist, soweit er überhaupt noch besteht. Dass der eigene Vater oder die Mutter ein Leben auf der Straße führt, das in der Regel mit schweren psychischen und physischen Abstürzen und einem "würdelosen Lebenszustand" verbunden ist, belastet oftmals auch das Leben der Angehörigen schwer und kann das eigene Selbstwertgefühl auf eine harte Probe stellen. "Ein Teil von uns" erzählt ein Tabuthema unserer Gesellschaft. Kinder von Obdachlosen verleugnen oft ihr Elternteil und damit auch einen Teil von sich.
Es geht in diesem Fernsehfilm für den Bayerischen Rundfunk/ARD FilmMittwoch (Redaktion: Claudia Simionescu und Amke Ferlemann) um die Herausforderungen, die ein Leben mit einem obdachlosen Angehörigen, in unserem Fall mit einer psychisch kranken Mutter, mit sich bringt. Zusammen mit der Drehbuchautorin Esther Bernstorff (u.a. "Vier Könige") haben wir das Thema intensiv recherchiert, auf das ich durch Reportagen und Bücher gestoßen bin, wie z.B. dem autobiografischen Bilderbuch-Roman "Sinus" von Naema Gabriel, die aus heutiger Perspektive einer erwachsenen Frau über ihre spezielle Kindheit mit einer manisch-depressiven Mutter erzählt.
Während der Entstehung dieses Films haben wir festgestellt, dass das Thema in unserer Gesellschaft breit verankert ist. Psychische Erkrankungen und Alkoholismus sind ohnehin keine Randerscheinung und dennoch sind diese immer noch mit Tabus und Scham belegt. Uns ging es um die Familiensituation ausgehend von "Nadja" – gespielt von Brigitte Hobmeier – die nach Jahren ohne Kontakt wieder mit ihrer psychisch kranken und obdachlosen Mutter "Irene" (Jutta Hoffmann) konfrontiert wird.
Die Regisseurin Nicole Weegmann (u.a. "Ihr könnt euch niemals sicher sein", "Mobbing") ist bereits mit ihren früheren, oftmals preisgekrönten Arbeiten aufgefallen. Ihre Filme zeichnet ein präzises Psychogramm ihrer Figuren aus. In "Ein Teil von uns" ist sie mit den Schauspielern sehr weit gegangen. Der Film besticht für mich auch durch die Intensität und besondere schauspielerische Leistung des früheren DEFA-und Theater-Stars Jutta Hoffmann, die hier seit Jahren erstmalig wieder in einer großen Hauptrolle zu sehen ist, und des Münchner Kammerspiel-Stars Brigitte Hobmeier. Auch die weiteren Rollen sind u.a. mit Volker Bruch, André Jung und Lena Stolze hochkarätig besetzt.
Unser Anliegen war es, diese hochemotionale Familiengeschichte immer auch so authentisch wie möglich zu erzählen Der Kameramann Alexander Fischerkoesen (u.a. "Zielfahnder", "Tatort", "Mobbing") zeigt München von einer bislang nicht bekannten Seite. Wir haben das Obdachlosenmilieu an Originalschauplätzen und teilweise mit Laien aus dem Milieu gedreht. Im besten Fall wird diese Geschichte hoffentlich zu Denkanstößen anregen. Denn unsere Gesellschaft ist weit davon entfernt, dieses Thema reflektiert zu haben, zu sehr sind Menschen wie "Irene" mehr denn je stigmatisiert, in der Regel selbst von ihren eigenen Angehörigen. Daher müssen wir uns selbst hinterfragen. Und das Angebot, das unsere Gesellschaft für Menschen wie "Irene" bereithält.
Kerstin Schmidbauer (Produzentin)