Ein Teil von uns Vier Fragen an Brigitte Hobmeier
Was hat Sie an dem Drehbuch fasziniert und dazu bewogen, an diesem Film mitzuarbeiten?
Mich hat die Sichtweise des Films sofort in den Bann gezogen. Ich gestehe, dass mir, wenn ich einen Obdachlosen auf der Straße gesehen habe, nie der Gedanke kam, ob dieser Mensch eine Familie hat? Mann, Frau, Kinder? Diese Menschen, die wir doch fast tagtäglich auf der Straße sehen. Ihnen aus dem Weg gehen, sie beäugen und den Blick wieder abwenden.
Und jetzt ist in diesem Drehbuch bis ins Mark hinein die Geschichte einer Tochter erzählt, die eine Pennerin als Mutter hat. Für mich war klar: Das ist eine gute Geschichte. Und natürlich war mir Nicole Weegmann ein Begriff, eine Regisseurin, die intensiv mit den Schauspielern arbeitet.
Wie haben Sie sich Ihrer Figur genähert?
Es gibt manchmal Drehbücher, die lese ich, und ich weiß intuitiv, wer dieser Mensch ist. Das ist nicht alltäglich, klar. Vielleicht ist das vergleichbar mit einem Musiker, dem auf einmal eine Melodie in den Kopf kommt. Ich habe natürlich auch Bücher über Obdachlose gelesen und Dokumentarfilme gesehen. Aber intuitiv war mir die Rolle der Nadja schon von Anfang an greifbar.
Was war die besondere Herausforderung?
Die größte Herausforderung war für mich die Ausweglosigkeit der Figur. Sie will meilenweit wegrennen und kommt keinen Millimeter voran. Ihr Selbstschutz wird zur Mauer, hinter der sie vor Einsamkeit fast krepiert. Das war schon ein sehr einsamer Weg für mich.
Nadja ist die stabile Konstante der Familie, ohne sie wäre diese wahrscheinlich schon gänzlich auseinandergebrochen. Was, glauben Sie, hält Nadja aufrecht?
Vielleicht hält sie weniger aufrecht, als wir denken. Nadja wird vor die Entscheidung gestellt, die Mutter entweder krepieren zu lassen oder zu helfen. Ich glaube man kann sehr lange Familienmitglieder verneinen. Sich einreden, dass es sie nicht gibt. Aber als Schatten sind sie immer da. Wenn eines Tages, wie in unserem Film, die Mutter wieder vor der Türe seht, will sie sie ja auch loswerden. Aber die Mutter gräbt sich hinein in ihr neues Leben und beginnt es zu zerstören. Nadja schämt sich, beginnt wieder zu lügen, verleumdet die Mutter. Nadja findet meines Erachtens erst durch das Eingestehen ihrer Schwäche die Möglichkeit, mit dem ihr abverlangten Leben Frieden zu schließen.