Melatonin-Spray Diese ernsten Nebenwirkungen haben Melatonin-Präparate
Melatonin-Spray wird als Wundermittel für schnelles Einschlafen beworben. Doch es ist nicht so harmlos, wie man denkt. Mediziner Martin Schlott beantwortet die Frage, ob man es wirklich auf Dauer anwenden kann. Und wer auf keinen Fall Melatonin-Präparate nehmen sollte.
Melatonin
Was ist Melatonin? Oft wird es als Schlafhormon bezeichnet, doch das trifft es nur zum Teil: "Melatonin ist kein richtiges Schlafhormon, das ist ein Nacht- oder Dunkelhormon. Das signalisiert dem Gehirn: 'Hey, jetzt ist es dunkel, jetzt könntest du schlafen.' Und dann sind da aber noch eine Reihe von Faktoren wichtig, um in den Schlaf zu kommen", sagt Dr. Martin Schlott, Chefarzt für Anästhesie und Intensivmedizin sowie Schlafcoach.
Wie wirkt Melatonin
Schläft man denn mit Hilfe eines Melatoninpräparats schneller ein? Die Stiftung Warentest hat sich die Studienlage angesehen: "Die Studien, in denen die Wirksamkeit von Melatonin geprüft wurde, erbrachten Hinweise, dass die Behandelten nach seiner Einnahme tatsächlich etwas rascher einschliefen. Die Zeit, in der sie noch wach lagen, verkürzte sich jedoch nur um durchschnittlich knapp 10 bis höchstens 20 Minuten." Ob und für wen Melatoninpräparate tatsächlich eine Schlafhilfe seien, das sei noch nicht klar.
Melatonin-Spray
Wer braucht es wirklich? Melatonin-Präparate seien, so unser Experte, für "Menschen ab 55 Jahren mit Schlafstörungen indiziert, weil im Alter die Melatoninbildung ein Stück weit nachlassen kann." Und es könne Menschen im Schichtdienst und mit Jetlag helfen, den inneren Schlaf-Wach-Rhythmus schneller wiederherzustellen.
Melatonin Schlafmittel
In Deutschland hat derzeit nur ein einziges Melatonin-Medikament eine Zulassung für Erwachsene. Circadin Retardtabletten enthalten 2 mg Melatonin, sind rezeptpflichtig und werden zur Kurzzeit-Behandlung von Schlafstörungen bei Menschen über 55 Jahren eingesetzt.
Mittlerweile gibt es aber eine ganze Reihe frei verkäuflicher Melatonin-Sprays, -Kapseln, -Pulver oder Gummidrops, die Melatonin enthalten in Apotheken und Drogeriemärkten.
Sie sind nicht als Arzneimittel zugelassen, sondern werden derzeit noch als Nahrungsergänzungsmittel (NEM) eingestuft. Das bedeutet, dass die Hersteller solcher Sprays weder den gesundheitlichen Nutzen und die Unbedenklichkeit mit Studien nachweisen noch die Präparate vom Bundesinstitut für Arzneimittelsicherheit und Medizinprodukte prüfen lassen mussten.
Melatonin-Spray Nebenwirkungen
Melatonin-Sprays sind zum Teil recht hoch dosiert und das kann Folgen haben, vor allem, wenn man sich nicht an die Dosierempfehlung hält.
"Ich kann auch bei einem freiverkäuflichen Spray zu viel nehmen, das ist ja nur für ein bis zwei Sprühstöße empfohlen. Aber manche Menschen nehmen sicherlich auch mehr. Es kann zu Kopfschmerzen, Nervosität, Magen-Darm-Beschwerden kommen. Ich würde das nur in der vorgeschriebenen Dosiermenge zu mir nehmen", so Dr. Martin Schlott. Er rät auch davon ab, Melatonin-Präparate über einen längeren Zeitraum anzuwenden.
Melatoninspray Überdosierung
Auch das Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) warnt vor einer Selbstmedikation mit Melatonin-Präparaten: "Melatoninhaltige Nahrungsergänzungsmittel sollten nicht unkritisch – insbesondere über einen längeren Zeitraum – eingenommen werden", sagt BfR-Präsident Professor Andreas Hensel. Denn, so das BfR in einer Stellungnahme: "Bei einem Teil der auf dem Markt erhältlichen NEM entspricht oder übersteigt die empfohlene Tagesdosis an Melatonin die übliche Dosierung zugelassener melatoninhaltiger Arzneimittel."
Außerdem plädiert das BfR dafür, dass Kinder und Jugendliche, Schwangere, Stillende und Frauen mit Kinderwunsch "von einer unkontrollierten Einnahme melatoninhaltiger NEM ausgenommen werden sollten".
Bereits bei einer relativ geringen Dosis von 1 Milligramm pro Tag und weniger können Präparate mit Melatonin zu Schläfrigkeit und Unaufmerksamkeit am darauffolgenden Tag führen, zu Blutdruckabfall, einer Verringerung der Körpertemperatur und Gangunsicherheit, so das BfR.
Außerdem können auch geringe Dosen von Melatonin Albträume fördern.
Melatonin-Präparate - Nahrungsergänzungsmittel?
Experten und Expertinnen plädieren schon lange dafür, Melatoninpräparate deutlich strenger zu reglementieren und eben schon ab einem geringeren Melatoningehalt als Arzneimittel einzustufen, die eine Zulassung brauchen.
Die Verbraucherzentrale schreibt: "Das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte und das Bundesinstitut für Risikobewertung sahen Präparate mit einer Tagesdosis > 0,5 mg in einer gemeinsamen Presseerklärung bereits 1996 als zulassungspflichtige Arzneimittel." Hier finden Sie die Informationen der Verbraucherzentrale zu Melatoninpräparaten.
Melatonin Wechselwirkungen
Melatoninpräparate können mit zahlreichen Medikamenten Wechselwirkungen haben. Darunter - laut Arzneimittelverzeichnis gelbe Liste - zum Beispiel bestimmte Anti-Depressiva, spezielle Antibiotika und ein Mittel gegen Sodbrennen.
Wer also Melatoninpräparate anwendet und gleichzeitig Medikamente einnimmt, sollte mit seiner Ärztin oder seinem Arzt unbedingt vorher klären, ob es zu unerwünschten Wechselwirkungen kommen könnte. Menschen, die unter Autoimmunerkrankungen wie Schuppenflechte, rheumatoider Arthritis oder Multipler Sklerose leiden, sollten unbedingt vorher mit ihrem Arzt oder ihrer Ärztin sprechen und keinesfalls Melatoninpräparate in Selbstmedikation anwenden. Das gilt auch für Menschen mit einer eingeschränkten Nieren- oder Leberfunktion.
Lebensmittel mit Melatonin
Es gibt eine Reihe von Lebensmitteln, die Melatonin enthalten, sagt unser Experte: "Sauerkirschen, Cranberries, Cashewkerne, Tomaten, Milch tragen einen geringen Anteil an Melatonin in sich. Da muss man aber schon sehr, sehr viel davon zu sich nehmen."
Sport statt Melatonin
Dr. Martin Schlott empfiehlt, sich tagsüber im Tageslicht zu bewegen, denn in der Sonne werde Serotonin gebildet und das sei die Vorstufe für Melatonin. Sport tagsüber sorge für Bettschwere zur Schlafenszeit.
Außerdem: Abends Hände weg vom Alkohol, eine Stunde vor dem Zubettgehen das Licht dimmen und das Handy weglegen.
Auch Schlafforscher Prof. Dr. Jürgen Zulley hat Tipps für einen guten Schlaf und erklärt auch, warum wir das Schlafengehen hinauszögern. Auch interessant: Wie sicher sind Online-Apotheken?
Welche Ratschläge unser Experte Dr. Martin Schlott für gesunden und ausreichenden Schlaf hat und was er selbst täglich dafür tut, um gut zu schlafen - das hören Sie in unserem Blaue Couch Podcast aus dem November 2021. Den Podcast können Sie in der ARD Audiothek kostenlos downloaden und abonnieren:
https://www.ardaudiothek.de/episode/blaue-couch/schlafcoach-martin-schlott-der-gesunde-schlaf-ist-vor-mitternacht/bayern-1/94981512/