Motorradunfall Helm abnehmen oder nicht?
Was tun, wenn ich als Erster an eine Unfallstelle mit einem Motorradfahrer komme? Helm abnehmen oder nicht? So leisten Sie Erste Hilfe.
Was tun bei Motorradunfall?
In eine Unfallsituation zu geraten, das ist wohl für die meisten von uns eine echte Ausnahmesituation. Viele vergessen offenbar deshalb das Allerwichtigste, so Sohrab Taheri-Sohi, Pressesprecher des Bayerischen Roten Kreuzes, aus Erfahrung: den Eigenschutz. Er bittet: "Umsicht bewahren und auf sich, auf den umliegenden Verkehr achten und eine Warnweste anziehen." Dann die Unfallstelle absichern (Warndreieck), und sich erst danach dem Unfallopfer zuwenden: "Anschauen. Ansprechen. Anfassen. Das sind die 3 A's, nach denen man dabei vorgehen sollte", sagt Taheri-Sohi.
Wann nimmt man den Helm ab?
Unterschiedlichste Aussagen liest man immer wieder, wenn es darum geht, ob man als Ersthelfer einem verunglückten Motorradfahrer nun den Helm abnehmen soll oder nicht. Was denn nun? Die Antwort ist einfach - und eindeutig, und darin stimmen alle maßgeblichen deutschen Rettungsorganisationen in ihren Empfehlungen überein: Wenn die Person nicht reagiert, nicht mit mir spricht, bewusstlos ist, dann nehmen Sie der Person den Helm ab, bestätigt BRK-Sprecher Taheri-Sohi und auch der Pressesprecher der Johanniter, Gerhard Bieber.
Wird bei einem bewusstlosen Motorradfahrer der Helm abgenommen?
Atemkontrolle, Kopf überstrecken, stabile Seitenlage - das alles kann man nicht mit Helm. "Um den Atem zu kontrollieren müssen Sie direkt und mit einem sehr niedrigen Abstand von 5 bis 10 Zentimeter an den Mund rankommen, um feststellen zu können, ob Sie eine Atmung spüren", so BRK-Sprecher Taheri-Sohi. Gerhard Bieber von den Johannitern weist auch darauf hin, dass eine Stabile Seitenlage mit Helm ihren Zweck verfehlt. Denn hat der Motorradfahrer den Helm noch auf, dann ist der Mund nicht der tiefste Punkt und Blut oder Erbrochenes können nicht abfließen. Der Motorradfahrer könnte ersticken. Deshalb muss der Helm abgenommen werden.
Helmabnahme alleine
Wie Sie einen Helm richtig abnehmen, zeigen wir in dem Video weiter unten - hier nur die wichtigsten Stichpunkte: Wenn der Verunglückte offensichtlich bewusstlos ist, sollten Sie so vorgehen:
- Zuerst das Helmvisier hochklappen, gegebenenfalls Brille abnehmen.
- An fast allen Helmen befinden sich rote Notfalllaschen. Halten Sie danach Ausschau, rät Johanniter-Sprecher Gerhard Bieber. Mit den Laschen lassen sich Kinnriemen und Kinnpolster lösen und komplett herausnehmen.
- Knien Sie sich hinter den Patienten, nehmen Sie seinen Kopf zwischen beide Hände. Packen Sie die Kinnriemen mit beiden Händen an und ziehen den Helm von unten her leicht zur Seite auseinander.
- Jetzt den Helm langsam und vorsichtig abziehen; dabei leicht nach unten ziehen, damit die Nase nicht hängen bleibt
- Sobald der Kopf nicht mehr ganz vom Helm gehalten wird, mit einer Hand den Hinterkopf stützen; dabei den Kopf möglichst in der Körperachse halten - nicht zu weit nach oben, unten, rechts oder links
- Den Kopf vorsichtig auf dem Boden ablegen; wenn zur Hand, auf eine leicht gepolsterte Unterlage, wie etwa eine Jacke ablegen
- Danach das übliche Vorgehen beim Auffinden einer leblosen Person: Mundraum auf Fremdkörper kontrollieren, Kopf überstrecken und Atmung checken. Je nach Ergebnis - Wiederbelebung starten oder in die stabile Seitenlage bringen.
Wie es jetzt mit Erste-Hilfe-Maßnahmen weitergeht, lesen Sie hier: Erste Hilfe - So retten Sie Leben
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BAYERN 1
Soll man als Ersthelfer einem verunglückten Motorradfahrer nun den Helm abnehmen oder nicht? Die Antwort ist eindeutig,...Gepostet von BAYERN 1 am Montag, 12. Juli 2021
Wann nehme ich einem Motorradfahrer den Helm nicht ab?
Anders liegt der Fall, wenn der verunglückte Motorradfahrer ansprechbar ist: "Wenn die Person mit Ihnen spricht, zählt natürlich das, was die Person in der Situation angenehmer findet", betont Taheri-Sohi. "Dem Willen einer Person ist immer Folge zu leisten." Und wenn die sagt, der Helm soll - warum auch immer - draufbleiben, dann müssen Sie das akzeptieren. Und es mit Reden versuchen, rät der BRK-Sprecher: "Wenn Sie der festen Überzeugung sind, dass etwas das Richtige für eine Person ist, dann: Reden, versuchen zu überzeugen - alles mit ruhiger Stimme." Kein Zwang, keine Gewalt: "Es ist noch immer eine Person mit einem freien Willen."
Kann ich dafür haftbar gemacht werden, wenn ich den Helm abnehme und den Patienten versehentlich schädige?
Was kann mir passieren, wenn ich bei der Ersten Hilfe etwas falsch mache - kann ich dafür verklagt werden? Das fragen sich viele - und manch einer fährt vielleicht auch deshalb an einer Unfallstelle vorbei, ohne anzuhalten und zu helfen.
Aber: Wer keine Erste Hilfe leistet, macht sich strafbar. "Jedermann ist grundsätzlich verpflichtet, bei Unglücksfällen, gemeiner Gefahr oder Not Hilfe zu leisten", betont Dr. Andrea Leonhardt, Pressesprecherin des Bayerischen Justizministeriums. "Bei unterlassener Hilfeleistung droht nach § 323c Absatz 1 Strafgesetzbuch (StGB) eine Geldstrafe oder Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr."
Dabei gilt aber: "Selbst in erhebliche eigene Gefahr bringen muss sich bei der Hilfeleistung aber niemand. Nach dem Gesetz ist eine Hilfeleistung nur insoweit verpflichtend, als sie erforderlich und der betroffenen Person den Umständen nach auch zumutbar ist." Als Nichtschwimmer muss ich etwa nicht in einen See springen, um einen Ertrinkenden zu retten. Aber ich muss - falls nötig - einen Notruf absetzen.
Und wie sieht es mit rechtlichen Folgen bei "falscher" Erster Hilfe aus? Die Deutsche Gesetzliche Unfallversicherung sagt dazu:
"Solange ein Helfer oder ausgebildeter Ersthelfer die ihm bestmögliche Hilfe leistet, sind derartige Befürchtungen grundlos. In der Regel muss weder mit schadensersatz- noch strafrechtlichen Konsequenzen gerechnet werden."
Deutsche Gesetzliche Unfallversicherung
Dem stimmt auch Dr. Andrea Leonhardt vom Bayerischen Justizministerium zu. Sie betont: "Der Gesetzgeber will Menschen schützen, die sich zur Hilfe entschließen – und zwar gerade in Gefahrensituationen, in denen schnelle Entscheidungen gefragt sind und ein ruhiges und überlegtes Abwägen nicht möglich ist."
§ 680 des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) sieht eine Haftung nur bei Vorsatz oder grober Fahrlässigkeit vor. "Vorsatz wird bei einem Ersthelfer regelmäßig ausscheiden - der Ersthelfer will dem Unfallopfer Hilfe leisten und es nicht schädigen", so Dr. Leonhardt. "Grobe Fahrlässigkeit würde nur bei besonders schweren Sorgfaltsverstößen vorliegen. Dies ist der Fall, wenn der Ersthelfer in der Unfallsituation das, was jeder Person einleuchten müsste, nicht beachtet."
De facto: Keine Verurteilung bei Fehlern von Ersthelfern
Wer sein Bestes gibt, muss nichts befürchten - selbst wenn der Verunglückte dadurch weitere Schäden erleidet. Also etwa gebrochene Rippen durch die Reanimierung oder auch eine Wirbelsäulenverletzung infolge von Fehlern beim Helmabnehmen.
BRK-Sprecher Sohrab Taheri-Sohi betont: "Mir sind keine Fälle bekannt, bei denen ein Ersthelfer aufgrund der Art und Weise, wie er geholfen hat, belangt wurde." Dies bestätigt auch ADAC-Jurist Kärger: "Es sind uns keine Urteile bekannt, in denen ein medizinischer Laie, der Erste Hilfe geleistet hat, verurteilt worden wäre." Das gleiche Feedback kommt aus dem Justizministerium:
"Im Bayerischen Staatsministerium der Justiz ist kein Fall bekannt, in dem ein Ersthelfer wegen eines Fehlers beim Abnehmen des Helms eines Unfallopfers oder wegen eines sonstigen falschen 'Handgriffs' bei der Hilfeleistung verurteilt worden wäre." Dr. Andrea Leonhardt, Pressesprecherin des Bayerischen Justizministeriums
Mehr Informationen gibt eine Broschüre der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung: Rechtsfragen bei Erste-Hilfe-Leistung durch Ersthelfer (pdf)
Lesen Sie auch die Antwort auf diese knifflige Frage zum Verkehrsrecht: Tempo 80 steht auf dem Verkehrsschild, darunter "bei Nässe". Wenn es dazu aus allen Kübeln gießt, weiß jeder, dass man sich an das Tempolimit halten muss. Aber was, wenn gerade mal ein paar Pfützen auf der Straße stehen? Wann ist eine Straße "nass"?