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Reizdarm Hab ich ein Reizdarmsyndrom?

Haben Sie oft Bauchweh und Blähungen, leiden an Verstopfung oder häufigem Durchfall? Wir klären, ab wann man bei solchen Beschwerden von einem Reizdarm spricht. Lesen Sie, was zu tun ist und was hilft.

Von: Astrid Hickisch

Stand: 05.09.2024

Frau sitzt auf einem Sofa, hält sich die Hand auf den Bauch und hat Schmerzen | Bild: mauritius images / BSIP / B. Boissonnet

Reizdarmsyndrom

Wie kann man wissen, ob man vielleicht an einem Reizdarm leidet, wenn man häufig unter Bauchschmerzen leidet, mit Blähungen, Verstopfung oder Durchfall zu kämpfen hat? Mittlerweile gibt es bestimmte medizinische Kriterien, ab wann man von einem Reizdarmsyndrom spricht:

  • 1. Es bestehen chronische, das heißt länger als 3 Monate anhaltende oder rezidivierende Beschwerden (z. B. Bauchschmerzen, Blähungen), die von Patienten und Arzt auf den Darm bezogen werden und in der Regel mit Stuhlgangsveränderungen einhergehen.
  • 2. Die Beschwerden sollen begründen, dass der Patient deswegen Hilfe sucht und/oder sich sorgt, und so stark sein, dass die Lebensqualität dadurch relevant beeinträchtigt wird.
  • 3. Voraussetzung ist, dass keine für andere Krankheitsbilder charakteristischen Veränderungen vorliegen, die wahrscheinlich für diese Symptome verantwortlich sind.

Quelle: Leitlinie Reizdarmsyndrom der Deutschen Gesellschaft für Gastroenterologie, Verdauungs,- und Stoffwechselkrankheiten

Das Reizdarm-Syndrom ist mittlerweile häufig geworden. Dr. Birgit Terjung, Chefärztin Innere Medizin - Gastroenterologie und Ärztliche Direktorin der GFO Kliniken Bonn, sagt dazu: "Mindestens jeder Zehnte leidet erwiesenermaßen unter einem Reizdarm-Syndrom mit Blähungen, Schmerzen oder Stuhlgangs-Veränderungen. Die Dunkelziffer ist aber hoch."

Diät bei Reizdarm

Mehr als die Hälfte der Patientinnen und Patienten, die unter Blähungen und Schmerzen nach dem Essen leiden, sagt Dr. Terjung, profitieren von einer Low FODMAP Diät. Wie eine solche Diät aussieht, was FODMAP genau sind und in welchen Lebensmitteln sie genau stecken, lesen Sie hier.

Was bei Reizdarm am besten hilft

Am stärksten sei bei dieser Patientengruppe der Nutzen durch Verzicht auf Weizenprodukte und bei einer glutenarmen Ernährung. "In dem hochgezüchteten Weizen sind auch Eiweiße enthalten, die offensichtlich nochmals reizend auf den Darm wirken." Beim Brot rät die Medizinerin zu Broten mit langen Gehzeiten, also Broten aus Handwerksbäckereien, und zu Urgetreiden wie zum Beispiel Emmer. Diese Art von Brot vertrügen ihre Patienten und Patientinnen sehr viel besser als reine Weizenmehl-Brote aus Schnellbackstraßen. Lesen Sie dazu auch: Welches Brot kaufen: Warum Brot aus der Handwerksbäckerei gut für uns ist.

Es gibt leider auch Menschen, die allein durch den bloßen Essvorgang bereits Schmerzen und Beschwerden bekommen - unabhängig von FODMAP oder bestimmten Lebensmitteln. Hier gilt es, die Empfindlichkeit des Darms durch Ruhe und Zeit beim Essen, Stressreduktion und Entspannungstechniken zu beruhigen. Und auch den Anteil verarbeiteter Lebensmittel in der eigenen Ernährung zu reduzieren.

Reizdarm Symptome

Die Vielzahl und Bandbreite der Beschwerden, die bei einem Reizdarmsyndrom auftreten können, ist erstaunlich. Der Berufsverband Deutscher Internistinnen und Internisten schreibt dazu: "Am häufigsten klagen die Patienten über unbestimmte Bauchschmerzen sowie ein Gefühl des Unwohlseins. Aber auch Stuhlunregelmäßigkeiten mit Verstopfung oder Durchfall sowie Blähungen und Völlegefühl sind typisch. Viele Betroffene leiden unter Rücken-, Gelenk- und Kopfschmerzen."

Reizdarmsyndrom Ursache

Wenn jemand ein Reizdarmsyndrom entwickelt, kann das an vielen Faktoren liegen. So stehen zum Beispiel Antibiotika-Therapien im Verdacht, ein Reizdarmsyndrom auszulösen, die nachgewiesenermaßen die Darmflora verändern, außerdem vorangegangene Infektionen des Darms, Stress, psychisches Leid oder die Einnahme von bestimmten Medikamenten.
"Heute geht man davon aus, dass bei einem Reizdarmsyndrom bestimmte Nervenzellen sensibler auf Reize aus dem Darm-Inneren reagieren. Und obwohl der Darm ganz normal befüllt ist, empfinden diese Patienten und Patientinnen verstärkt Druckschmerzen im Vergleich zu gesunden Menschen mit einem vergleichbaren Darmvolumen", sagt Christine Leicht, Klinische Koordinatorin am Interdisziplinären Zentrum für Diätetik und Ernährungsmedizin (IZDE) der LMU in München.

Reizdarm Auslöser

Bei einem Reizdarmsymptom, das mit einer Empfindlichkeit gegenüber FODMAP verbunden ist, hängt es entscheidend davon ab, wie groß die Menge an FODMAP-reichen Lebensmitteln ist, die täglich verzehrt werden. Und es gibt darüber hinaus noch andere Auslöser. "Triggerfaktoren des Reizdarmsyndroms sind außerdem Stress, Kaffee, Alkohol oder Nikotin, die zusammen mit einer bestimmten Menge an FODMAP-reichen Lebensmitteln Beschwerden auslösen können", sagt Christine Leicht.

Reizdarm Diagnose

Der Arzt oder die Ärztin kann ein Reizdarmsyndrom nur durch eine sogenannte Ausschlussdiagnose feststellen - das heißt, er oder sie muss erst alle anderen möglichen Erkrankungen als Ursache ausschließen. Dazu kommt, dass Menschen mit Reizdarmsyndrom manchmal recht spät eine Praxis aufsuchen oder häufig falsch behandelt werden, wie der Arztreport der Krankenkasse Barmer 2019 festgestellt hat: "Die Betroffenen leiden mitunter schon viele Jahre an einem Reizdarmsyndrom und suchen deswegen immer wieder Hilfe beim Arzt. Die Erkrankung wird aber lange Zeit nicht erkannt, und die Betroffenen erhalten eine falsche Therapie", sagte Prof. Dr. Christoph Straub, Mediziner und Vorstandsvorsitzender der Barmer bereits 2019. Hier geht es zu den Ergebnissen des Ärztereports 2019 zum Reizdarmsyndrom. Weiteres Ergebnis der damaligen Untersuchung: Der Anteil der jungen Erwachsenen mit Reizdarmdiagnose ist von 2006 bis 2015 extrem gestiegen.

Reizdarm Therapie

Bei Patienten und Patientinnen, die an einem Reizdarm leiden, die mit Blähungen und Schmerzen aufgrund eines starken Blähbauchs zu kämpfen haben, kann eine Low FODMAP-Diät Linderung bringen. Dazu sagt Prof. Dr. Stefan C. Bischoff, Leiter des Instituts für Ernährungsmedizin der Uni Hohenheim: "Es gibt wissenschaftliche Studien dazu, da ist die Erfolgsquote 50 Prozent, was für eine Diät schon beachtlich ist." Zwei Voraussetzungen müssen bei der Anwendung dieser Diät aber gegeben sein, so unser Experte. Das Reizdarmsyndrom des betroffenen Patienten oder der Patientin muss mit zu viel Luft im Darm und Blähungen einhergehen und die Diät muss unbedingt von einer qualifizierten Ernährungsberatung begleitet werden. Bei Menschen, deren Reizdarm sich eher durch Verstopfung äußert, bringe eine Low FODMAP-Diät nichts, so Bischoff.

Reizdarm behandeln

Christine Leicht, klinische Koordinatorin Ernährungsmedizin am Klinikum der Universität München, umreißt, wie ein Patient oder eine Patientin mit Reizdarm behandelt wird:

"Nach den Leitlinien ist die erste Säule der Behandlung der Lifestyle, wo auch Stressreduktion, Stressvermeidung und Entspannungstechniken, Sport und je nach Veranlagung auch Psychotherapie mit hineinzählt. Die zweite Säule sind die Ernährungsmaßnahmen mit einer bauchfreundlichen Ernährung, einer fructose- und laktosearmen Ernährung, einer Ernährung, die FODMAP, Weizen und Gluten meidet. Je nachdem, ob Durchfälle oder Verstopfung vorliegen, setzt man dann noch lösliche Ballaststoffe ein, zum Beispiel Flohsamen, und dann gibt es natürlich noch Medikamente, die die Therapie unterstützen."

Tipps bei Reizdarm

  • Lassen Sie Ihre Darm-Beschwerden zuallererst zeitnah von einer Ärztin oder einem Arzt abklären. Schildern Sie, welche Lebensmittel Ihnen Beschwerden bereiten und wenn Sie die Gruppe der FODMAP im Verdacht haben, berichten Sie Ihrer Ärztin oder Ihrem Arzt darüber.
  • Am besten wissen Sie schon vor dem Besuch in einer Praxis, welche Lebensmittel Ihnen Beschwerden bereiten oder haben sogar ein Ernährungstagebuch geführt.
  • Achten Sie auf eine bauchfreundliche Ernährung mit nicht zu großen Portionen.
  • Versuchen Sie, Brot und Semmeln möglichst in einer Handwerksbäckerei oder im Bioladen zu kaufen. Achten Sie auf alte Getreidesorten wie Einkorn, Emmer und Dinkel.
  • Nehmen Sie sich Zeit fürs Essen, kauen Sie bewusst und ausgiebig.
  • Vermeiden Sie es, nebenbei zu snacken und in Hektik zu essen.
  • Lassen Sie Zeit zwischen den Mahlzeiten, in denen Sie nichts essen.
  • Kochen Sie häufiger selbst, möglichst gemüsebetont.
  • Vermeiden Sie verarbeitete Produkte wie zum Beispiel Tiefkühlpizza oder fertige Nudelgerichte.
  • Achten Sie auf die Zutatenliste bei Ihrem Einkauf im Supermarkt auf künstliche Süßstoffe wie Sorbit (E 420), Maltit (E 965), Mannit (E421), Xylit/Xylitol (E 967), Isomalt (E953) und meiden Sie diese Produkte.
  • Im oben verlinkten Artikel finden Sie eine Liste mit FODMAP reichen Lebensmitteln und wie man sie gut ersetzen kann.

Weitere Tipps und Einschätzungen zum Thema "Reizdarm" finden Sie bei gesundheitsinformation.de.


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