1. September 1997 Überfall auf Zürichs Fraumünster-Post, größter Postraub aller Zeiten
Sechs junge Männer überfallen die Hauptpostfiliale in Zürich und erbeuteten 53 Millionen Franken. Der größte Postraub der Geschichte. Aber die Täter sind dümmer als die Polizei erlaubt… Autorin: Isabella Arcucci
01. September
Dienstag, 01. September 2020
Autor(in): Isabella Arcucci
Sprecher(in): Christian Baumann
Illustration: Tobias Kubald
Redaktion: Frank Halbach
Da hocken sie auf dem Damenklo der Zürcher Drago-Bar, die sechs jungen Ganoven: Elias, Domenico genannt Mimmo, Zoran, Dieter, Hassan - und Marcello. Er ist 24, kam aus Italien in die Schweiz und ist ein guter Junge. Molto bravo, sagt seine Mama. Er will Polizist werden – oder Rallyefahrer! Schnelle Autos, fette Partys, schlanke Frauen und Luxusvillen – davon träumen alle Sechs. Mimmo, ebenfalls 24 und aus Italien, hat seine Lehre abgebrochen und schlägt sich so durch. Elias kam als Jugendlicher ganz allein aus Syrien, um für seine Familie daheim Geld zu verdienen. Zoran ist schon als Kind von zu Hause abgehauen und kriegt nichts auf die Reihe.
Wenn das die Mama wüsste!
Ganz anders Marcello. Er ist Aushilfe in der Postfiliale am Zürcher Fraumünster. Jeden Tag wird dort im abgeriegelten Hof das Geld aller umliegenden 500 Postfilialen umgeladen und in die Nationalbank gebracht. Mehrere Millionen Franken! Den braven Marcello sticht der Hafer. In seiner Stammkneipe fragt er den Wirt, ob er wen kenne, der mitmachen würde… Und da hocken sie nun alle zusammen auf dem Damenklo und planen den Raub. Wenn das die Mama wüsste! Marcello will am liebsten wieder aussteigen – behauptet er Jahre später in einem Interview. Elias ist schon 32 und wird der Boss der Bande. Er will keine Toten. Als Räuberausrüstung gibt’s nur täuschend echte Spielzeugpistolen und eine ungeladene Kalaschnikow.
Am 1. September 1997 geht es los, um 10:30, genau die Uhrzeit, zu der die Millionen verladen werden. Elias und seine Jungs fahren in einem Transporter mit der Aufschrift "Telecom" bei der Fraumünster-Post vor. Mimmo bequatscht den Wärter am Eingang der Sicherheitsschleuse.
- Ey, wir schaffen doch fürs gleiche Unternehmen, siamo quasi amici, sei kein Spießer, las uns rein! - Der Wärter wird weich. Schleuse auf – Transporter rein – Elias und die Jungs raus. Spielzeugpistolen auf die Postmitarbeiter gerichtet. Wird’s bald! Die Geldkisten in den Transporter – Vollgas – und weg!
Dümmer als die Polizei erlaubt
In nur vier Minuten haben Elias und seine Jungs 53 Millionen Franken geraubt. Es ist der größte Postraub der Geschichte! Und er hätte der erfolgreichste sein können… Doch die Sechs sind dümmer als die Polizei erlaubt. Elias hinterlässt Fingerabdrücke an einer Kaffeetasse und die anderen Jungs protzen im Ausland unbekümmert mit ihren Millionen. Bald hat die Polizei sie geschnappt.
Als Mama ihn in der Haft besuchen kommt, heult Marcello los.
Nur Mimmo ist klüger. Er legt sich in Miami eine neue Identität zu, führt ein Luxusleben – und ist einsam. Ohne Familie, ohne Freunde, dafür mit falschem Namen. Was nützt viel Kohle, wenn man sie mit niemandem teilen kann? Voller Sehnsucht ruft Mimmo seine Freundin in der Schweiz an – die ihn verrät. Bei der Verhaftung fragt ihn der Fahnder: "Bist Du jetzt erleichtert?", und Mimmo antwortet: "Woher weißt Du das?"
Bis heute fehlen 20 Millionen aus dem Postraub. Wo sind sie hin? Alle sechs Räuber behaupten, sie wüssten es nicht. Und wo ist Marcello? Er verschwindet einige Jahre nach seiner Haftentlassung genauso spurlos wie das fehlende Geld.
Der "brave Marcello" …