Das Thema Die Familie Kleist
Heinrich von Kleist, das ist ein Leben mit und in Sprüngen. Das gilt, als könnte es gar nicht anders sein, schon für das Geburtsdatum. Das Taufregister nennt den 18., Kleist selbst den 10. Oktober. So oder so, am 10. oder 18. Oktober 1777, wird Bernd Heinrich Wilhelm von Kleist in eine große Verpflichtung hineingeboren: Seine Familie, ein pommersches Soldatengeschlecht von Adel, steht seit Generationen im Dienst der preußischen Armee.
Die Familie Kleist
"Ihre militärische Blütezeit war das Zeitalter Friedrichs des Großen. Nachweislich 116 Kleist haben unter ihm gefochten; 30 von ihnen fielen oder starben an Wunden und Krankheit. 1806/07 standen noch 40 Kleist im Felde, während in späteren Kriegen die Familie nur noch 30 Mitkämpfer stellen konnte. 35 Generale gingen aus ihren Reihen hervor, darunter 2 Feldmarschälle" berichtet das Handbuch für Heer und Flotte von 1913. Werte wie Pflichterfüllung, Loyalität, Disziplin, Gehorsam und Familienehre waren den Kleists vermutlich Selbstverständlichkeiten, Heldentode eingeschlossen.
Kindheit und frühe Jugend
Über die Kinder- und Jugendjahre in der Garnisonsstadt Frankfurt an der Oder ist wenig bekannt. Der Vater, Joachim Friedrich von Kleist, ist Kompaniechef und in zweiter Ehe verheiratet. Zur Familie gehören zwei Schwestern aus erster Ehe und fünf Geschwister aus der zweiten, der auch Heinrich entstammt. Wie in gehobenen Kreisen üblich, wurde er durch einen Hauslehrer unterrichtet. Zum Lernpensum gehörte auch eine musikalische Ausbildung, Heinrich soll die Klarinette hervorragend beherrscht haben.
Das abrupte Ende der Jugendjahre
Der plötzliche Tod des Vaters im Juni 1788 stürzt die Familie in Existenznöte. Was soll aus Heinrich werden? An ein Studium ist unter diesen Umständen nicht zu denken. Die einzige Chance auf ein standesgemäßes Leben bietet der Militärdienst. Mit noch nicht einmal 15 Jahren tritt Heinrich am 18. Mai 1792 als Offiziersanwärter in das Potsdamer Regiment Garde Nr. 15 ein.
Viel Zeit für eine nach heutigen Begriffen normale Jugend hat der Heranwachsende nicht. Es herrscht Krieg. Seit April 1792 steht Preußen an der Seite Österreichs im Kampf gegen Frankreich. Ab März 1793 nimmt Heinrich am Rheinfeldzug gegen französische Revolutionstruppen teil. Sein Regiment, "das vornehmste der zivilisierten Christenheit", ist wiederholt in schwere Kampfhandlungen verwickelt. Im Juni 1795 schließt Preußen einen Sonderfrieden mit Frankreich. Der Feldzug ist beendet und Kleist, inzwischen zum Portepée-Fähnrich befördert, kehrt in die Potsdamer Kaserne zurück.
Die innere Abkehr vom Soldatenleben
Das Garnisonsleben mit seinen einförmigen Drill- und Exerzierritualen wird dem nun 18-Jährigen sauer. Kleist plant den Ausbruch aus einem Leben, das ihm zu eng, mit seinem ganzen Wesen unvereinbar geworden ist. Im März 1799 macht er sich in einem Brief an den ehemaligen Hauslehrer Martini Luft: "Die größten Wunder militärischer Disziplin, die der Gegenstand des Erstaunens aller Kenner waren, wurden der Gegenstand meiner herzlichsten Verachtung; die Offiziere hielt ich für so viele Exerziermeister, die Soldaten für so viele Sklaven, und wenn das ganze Regiment seine Künste machte, schien es mir als ein lebendiges Monument der Tyrannei."