Das Gift der Menschlichkeit
Ethik und Philosophie | HS, RS, Gy |
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Die Dichter und Denker der Antike lassen daran keinen Zweifel: Geiz macht unglücklich, ist sozial unverträglich und verdirbt den Charakter. Theologen des frühen Christentums erklärten Habgier und Geiz zu einer Todsünde.
Früher lagen die Verhältnisse klarer: Geiz galt als schlecht, gehörte als "Avaritia" in den Kanon der Todsünden und war der Expressfahrschein in die Hölle. Wer geizte, wirkte unsouverän, gab einem niederen menschlichen Trieb zwanghaft nach, verdarb sich selbst den Seelenfrieden. Auch schadete der Habgierige dem Zusammenleben, weil er die gottgegebene Gleichheit aller Menschen zu seinen Gunsten verschieben wollte und sich mit der Mehrung seines Eigentums – oft auf Kosten anderer – ins gesellschaftliche Abseits begab.
Doch seit dem Aufstieg des Bürgertums hat sich die Perspektive geändert: die Sparsamkeit hat als Habgier Karriere gemacht. Zusammen mit bürgerlichen Paradedisziplinen wie (Selbst) Kontrolle, Rationalität und Unternehmergeist bildet die gesunde Portion Geiz eine der Grundlagen erfolgreichen Wirtschaftens. Umgedichtet zur vorsorgenden Sparsamkeit wurde der Geiz salonfähig. Im 21. Jahrhundert ist die alte Todsünde, gepaart mit gesellschaftlich sanktioniertem Egoismus, sogar zur positiven Werbebotschaft aufgestiegen, doch ist Geiz wirklich unwiderstehlich geworden?