Wie Zucker entsteht Zuckerpolitik - Alles andere als süß
Der Welt-Zuckermarkt ist hochpolitisch: Länder wie Brasilien oder Indien können Zucker im Vergleich zu europäischen Staaten sehr billig produzieren, weil unter anderem der Lohn für die Arbeitskräfte wesentlich niedriger ist.
Die EU-Zuckermarktordnung und ihre Folgen
Damit aber die EU nicht von diesen Importen abhängig wird und um europäischen Zuckerrübenbauern sowie den Herstellern nicht die Arbeit wegzunehmen, ist der Zuckermarkt streng geregelt. Nur so kommt es, dass der Zuckerpreis in Europa den Weltmarktpreis um das Dreifache übersteigt.
1968 trat die Europäische Zuckermarktordnung in Kraft. Sie regelte, welche Mitgliedsstaaten wie viel Zucker pro Jahr produzieren dürfen - und zu welchem Preis dieser Zucker verkauft werden muss. Außerdem wurden Exporterstattungen eingeführt, das heißt europäische Zuckerhändler konnten zu günstigen, also konkurrenzfähigen Preisen ins außereuropäische Ausland exportiert werden. Die Differenz zwischen dem billigen Weltmarktpreis und dem verordneten EU-Wert hat die EU den Herstellern erstattet.
Doch diese strenge Marktregulierung wurde 2005 von der Welthandelsorganisation (WTO) als regelwidrig erkannt. Seitdem liberalisiert sich der europäische Markt nach und nach. 2006 trat die erste Reform in Kraft: Die Menge des Zuckers, für deren Export die EU Ausgleichszahlungen leisten darf, wurde beschränkt. Das gilt bis 2015. Bis 2009 musste der europäische Zuckerpreis außerdem um 36 Prozent gesenkt werden, der Preis für Zuckerrüben sogar um 39 Prozent. Einen Teil der Verluste, die europäische Zuckerbauern dadurch erlitten, hat wiederum die EU ausgeglichen.
Aber nicht nur europäische Zuckerhersteller sind betroffen. Auch für Lieferanten aus außereuropäischen Ländern ändert sich seit 2006 Einiges: Bislang gab es mit bestimmten Ländern aus dem afrikanischen, karibischen und pazifischen Raum das Abkommen, dass diese ihren Zucker zollfrei einführen dürfen; somit blieben sie auf dem weltweiten Zuckermarkt wettbewerbsfähig. Mit der Reform der Zuckermarktordnung von 2006 verändert sich auch diese Sonderbehandlung. Allerdings gibt es Aktionspläne, um diesen Vorgang abzufangen. Das Geld hierfür soll in Zukunft aus dem Etat für Entwicklungshilfe kommen.
Die Entwicklung des Weltzuckermarkts
Der weltweite Zuckerverbrauch steigt jährlich um etwa zwei bis drei Millionen Tonnen an. Damit nimmt er schneller zu als die Weltbevölkerung. Vor allem in armen Ländern steigt die Nachfrage, in Indien seit 1960 beispielsweise um das Vierfache. Gleichzeitig steigt die Zuckerproduktion weltweit noch rascher als der Verbrauch. So kommt es, dass der Weltmarktpreis so niedrig bleibt.
In Europa stagniert seit einigen Jahren die Nachfrage; deshalb - und aufgrund der Reform des Zuckermarktordnung - schrumpfte die Anbaufläche von Zuckerrüben in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts um mehr als 10 Prozent während sich die Fläche der Zuckerrohrplantagen weltweit verdoppelte.
In der EU wird die Quotenregelung auch nach 2015 beibehalten werden. Mindestens 85 Prozent des in Europa nachgefragten Zucker sollen auch von europäischen Herstellern stammen. Bei ausbleibenden Importen sollen sogar bis zu 90 Prozent des Bedarfs durch heimische Erzeugung gedeckt werden. Die Regelung eines Mindestpreises für Zuckerrüben - auch nach der Senkung um 39 Prozent - soll ebenfalls weiterhin verbildlich bleiben.