Bayern 2 - Zündfunk

„Don´t Play With The Rich Kids“ Ja, Panik über Klassenkampf in Kunst & Pop

„Topfit, top Sound! Top Optik!“ hören wir Ja, Panik im Opener ihres neuen Albums singen … und dazu wird gerockt als wären wir in einer Indie-Disco in den 1990er Jahren. Unser Album der Woche

Von: Angie Portmann

Stand: 05.02.2024

Ja, Panik | Bild: Luca Celine

Album der Woche: „Ja, Panik - Don´t Play With The Rich Kids“

Nach einer langen Pause hatten die Österreicher wieder Lust auf Band, auf Energie, auf etwas rockigeren Live-Sound. Härtere Gangart für härtere Zeiten: „Don't play with the rich kids, don't sing her songs“ ist das siebte Album der Burgenländer Band Ja, Panik in Berlin und unser Album der Woche.

"Nach der langen Zeit, wir hatten ja vor der Platte sechs Jahre Pause, dann noch mal eineinhalb Jahre Pause, pandemiebedingt, uns wirklich als Band wiederzutreffen, auf einer Bühne. Und aus der Energie heraus hatten wir dann ganz schnell nach der Tour einfach Lust, eine neue Platte zu machen …. Und ich glaube aus diesem Übermut heraus, aber auch aus der Freude am zusammen Spielen ist es dann eine sehr rockige und sehr live eingespielte Platte geworden."

Andreas Spechtl

Eine Platte, die ganz klare David-Bowie-Reminiszenzen aufweist, ein Musiker, der sich sehr früh in der DNA von Andreas Spechtl festgesetzt hat. Und eine Platte mit ungewöhnlichen Songs über ungewöhnliche Orte, Ushuaia z. B. Ushuaia ist die südlichste Stadt Argentiniens, der neuen Wahlheimat von Andreas Spechtl, dessen Partnerin dort für den Deutschen Akademischen Austauschdienst arbeitet. Seit eineinhalb Jahren lebt er dort, wenn er nicht gerade in Deutschland oder Österreich zu tun hat. Aber warum gerade Ushuaia, was hat ihn an dieser Stadt so fasziniert, dass er ihr einen Song gewidmet hast?

"Was mich, glaub ich, an Ushuaia so interessiert hat, diese Reise, von der ich singe, ist ja erst mal total fiktiv. Ich hab’s vor, dass ich sie hoffentlich dieses Jahr antrete, weil es sind ja dann doch vom Norden Argentiniens 3 bis 4000 Kilometer. Ich bin aufgewachsen in einem 300 Einwohner-Kaff an der Grenze zu Ungarn und der Slowakei. Man kann da wirklich zu Fuß rübergehen, es sind wenige Meter und irgendwie interessieren mich seit jeher, finde ich so Grenzorte total interessant. Weil so viel von unseren Konzepten da einfach nicht mehr funktionieren … Sprache, Landschaft, Kultur, das zerfließt alles an diesen Orten."

Andreas Spechtl zu Ushuaia

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Ja, Panik - USHUAIA (Lyric Video) | Bild: Bureau B (via YouTube)

Ja, Panik - USHUAIA (Lyric Video)

Immer in Bewegung

Andreas Spechtl ist jetzt 40. Seinen Führerschein hat er aber erst vor kurzem gemacht. Seitdem fährt er sehr viel Auto. Von den Anden durch die meditativen Weiten der argentinischen Pampa und wieder zurück, ist immer in Bewegung. Hat sich das auch auf die Platte ausgewirkt? 

"Ich hab ja früher immer sehr viele Lieder eigentlich im Gehen geschrieben. Insofern war Bewegung, glaube ich, immer schon sehr wichtig für mich. Und bei der Platte habe ich angefangen zu laufen, das erste Mal in meinem Leben, dass ich so ein bisschen angefangen habe, Sport zu machen, irgendwas Gutes für meinen Körper zu tun. Und dann habe ich, genau richtig, den Führerschein gemacht, auch weil ich wusste, dass wir nach Argentinien gehen werden. Und dass es dort sehr wichtig ist. Ich fahr in Europa überhaupt nicht Auto, interessiert mich auch nicht. In Argentinien ist es quasi unmöglich wirklich voranzukommen, ohne ein Auto zu haben, außerhalb der großen Städte natürlich. Und so hat sich irgendwie Geschwindigkeit in diese Platte geschlichen, finde ich, durch das Laufen, durch das Autofahren. Und ich finde, das hört man der Platte auch an, jetzt gar nicht, weil sie rockiger ist, weil das Tempo vielleicht ein bisschen höher ist als bei alten Stücken, sondern ja, ich habe das Gefühl, dass die Ideen und dass die Dinge auf der Platte eher schnell an einem vorbeirauschen."

Andreas Spechtl zu Bewegung

Aufruf zum Klassenkampf

„Don’t play with the rich kids” - was steckt dahinter und welche Rolle spielt dabei der Song „Mama made this boy“ bzw. die Mama von Andreas Spechtl?

"Ich glaub, das wird die nächsten Jahre eines der großen politischen Themen, und ist es ja auch schon: Steuer, Erbschaft. In einer Zeit, wo sich immer mehr Geld in immer weniger Händen konzentriert und einfach ein Großteil des Vermögens vererbt wird und nicht mehr erwirtschaftet, sind das einfach Fragen, die total interessant sind. So gesehen passiert ja Klassenkampf die ganze Zeit. Klassenkampf von oben eben. Und so bisschen den Klassenkampf von unten wieder einzuführen, auch in Kunst und Popmusik, das hat mich interessiert. Und deswegen der Titel des Ja, Panik Albums, weil damit natürlich auch eine gewisse Art zu denken etabliert wird und eine gewisse Kultur auch in der Kunst. Wo sich auch immer mehr Rich Kids tummeln, muss man ganz offen sagen, weil gerade in einer Zeit, wo man sagt, mit Musik kann man kein Geld mehr verdienen, sind die Leute, die sich es eben leisten können, dieses sehr kostspielige Hobby, oft einfach Menschen, die abgesichert sind und wo es einem auch leichtfällt, vielleicht mit Anfang 20 sich gegen das System zu stellen, einen Job anzunehmen, der nicht total abgesichert ist, wenn mit Ende 30 die Eigentumswohnung eh auf dich wartet. Und ja, gleichzeitig geht es dann in dem Stück natürlich auch darum, dass man nicht nur Geld vererben kann, sondern durchaus auch andere Dinge. Und da kommt meine Mutter ins Spiel, wo ich singe. „Ein bisschen Angst, ein bisschen fear, aber eben auch die Coolness von dir“. Auch, das hab ich geerbt. Genau. Und für diesen Gedanken musste meine Mutter herhalten. Ich hoff, sie nimmt’s mir nicht übel …. Also Ja, es geht vielleicht ein bisschen um meine Mutter, aber gleichzeitig geht es vielleicht um alle Mütter dieser Welt, um alle proletarischen Mütter, sagen wir’s so"

, Andreas Spechtl zum Klassenkampf

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Ja, Panik - MAMA MADE THIS BOY | Bild: Bureau B (via YouTube)

Ja, Panik - MAMA MADE THIS BOY

TOURDATES:

10.04.2024 DE-Jena - Trafo
11.04.2024 DE-München - Strom
12.04.2024 AT-Salzburg - ARGEkultur
13.04.2024 AT-Wien . Konzerthaus
18.04.2024 DE-Leipzig - Conne Island
19.04.2024 DE-Stuttgart - Merlin
20.04.2024 CH-St. Gallen - Palace
25.04.2024 DE-Nürnberg - Soft Spot
26.04.2024 DE-Heidelberg - Karlstorbahnhof
27.04.2024 DE-Offenbach - Hafen 2
28.04.2024 DE-Köln - Gebäude 9
29.04.2024 DE-Hamburg - Uebel & Gefährlich
01.05.2024 DE-Berlin - HAU 1

Tracklist:

1. LOST
2. MAMA MADE THIS BOY
3. KUNG FU FIGHTER
4. DREAM 12059
5. HEY REINA
6. TEUFERL
7. CHANGES
8. FASCISM IS INVISIBLE (WHY NOT YOU?)
9. DIE ANGST DES ARCHIVARS VOR DER SICHTUNG DER WELT
10. EVERY SUN THAT SHINES
11. USHUAIA