Trump: Bachelor der Nation Warum auch das aktuelle Urteil dem Image Trumps kaum schaden wird
Trump ist in allen Anklagepunkten schuldig gesprochen. Nur wird das den nun verurteilten Straftäter wohl so wenig Stimmen kosten wie der Umstand, dass er seine Frau mit einem Pornostar betrogen hat. Wer das verstehen will, sollte sich den US-Bachelor anschauen.
Ein roter Teppich im Scheinwerferlicht, eine altehrwürdige Villa und eine Limousine nach der anderen: Im Januar 2021 darf sich Matt James vor dieser Kulisse einem Millionenpublikum präsentieren. Es ist die 25. Staffel der Datingshow "The Bachelor" in den USA und er ist der erste Schwarze Kandidat.
Im deutschen Bachelor wäre das undenkbar
35 Frauen stellen sich vor, sie alle wollen ihn daten – oder zumindest ihre 15 minutes of fame: Bri, MJ, Kimberly, Katie – die hat ihren Vibrator mitgebracht. Bachelor-Fans wissen: nicht hinterfragen. Es ist wie im deutschen Reality-TV: rote Rosen, Zahnpasta-Lächeln, viele Extensions. Doch dann passiert etwas, das bei uns undenkbar wäre.
"Ich hatte so lange Zeit, drüber nachzudenken, was ich zu euch sage", verkündet Matt James vor versammelter Mannschaft, "aber ich werde es doch anders machen", sagt er, faltet seine Hände und blickt auf den Boden: "Vater unser im Himmel", fängt James an zu beten. Die Kandidatinnen stimmen fromm ein: "Amen". Trash-TV meets Bibel TV. Trotzdem wird schon in der ersten Nacht drauf losgeknutscht – vor den Augen von rund acht Millionen TV-Zuschauerinnen und Zuschauern. Ein Widerspruch, der die religiöse Rechte in Amerika insgesamt kennzeichnet, sagt Journalistin Annika Brockschmidt.
Mehr Gefummel und mehr Frömmigkeit: Wie passt das zusammen?
"Was der Bachelor hinbekommt, ist, dieses Paradoxon auf die Bildschirme zu bringen", sagt Annika Brockschmidt. Sie beschäftigt sich vor allem mit der religiösen Rechten in den USA, wie zuletzt in ihrem Buch "Gotteskrieger". Der Widerspruch, den sie anspricht, ist ein entscheidender Unterschied, der den US-Bachelor vom deutschen abgrenzt: Während einerseits mehr gefummelt wird, vertreten die Kandidatinnen und Kandidaten gleichzeitig streng konservative Werte. "Wenn man durch die Instagram-Profile guckt, stehen in zwei Drittel der Instagram-Bios Bibelverse", erklärt Brockschmidt. Gleichzeitig werde in der Show ein Geschlechterbild hochgehalten, dass Männlichkeit mit Potenz und Virilität gleichsetze.
Gemeinsam mit Anja Rützel schaut sich Brockschmidt für ihren Podcast "Bätchcast" den US-Bachelor an. Nach dem Motto: Wir schauen, damit ihr es nicht müsst. Die beiden Journalistinnen haben daraus eine These entwickelt, die sie zuletzt in dem Talk "Rosenkavaliere und Republikaner im Trash-TV" auf der Republica 24 vorgestellt haben: Der Bachelor und die religiöse Rechte in den USA funktionieren ähnlich – eine Verbindung, die sogar den Erfolg von Donald Trump plausibel macht.
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re:publica 2024: Rosenkavaliere und Republikaner im Trash-TV
Urteil im Schweigegeldprozess: Trump ist schuldig. Na und?
"Die Tatsache, dass Donald Trump seine dritte Ehefrau betrogen hat, mit einem Pornostar, kurz nach der Geburt ihres Kindes, das ist kein Widerspruch für seine rechtsreligiösen Wähler", erklärt Brockschmidt. "Diese scheinbar übermäßige Potenz ist für sie ein Zeichen dafür, dass Trump die Anforderungen, die sie an einen wirklich männlichen, verlässlichen Anführer haben, erfüllt."
Ein Anführer, den das New Yorker Gericht nun schuldig gesprochen hat – Trump hat Schweigegeldzahlungen an besagte ehemalige Pornodarstellerin verschleiert. Schon der Prozess war zur "besten Reality-Show aller Zeiten" geworden, so hatte ein Gerichtsreporter es formuliert. Doch während Trump sich stets als "unschuldiger Mann” gab, sprachen die Geschworenen ihn in allen 34 Anklagepunkten schuldig. Vor dem Gericht bezeichnete Trump das als "Schande" und "Schauprozess" eines angeblich "korrupten Richters".
Rufschädigend für den Präsidentschaftskandidaten? Nein. Die letzten Umfragen zeigten: Trump liegt trotz allem vorn. Vielleicht hängt das auch mit der Kommunikationsstrategie zusammen, die Trump mit so manchem Bachelorkandidaten gemein hat, mutmaßt Trash-TV-Expertin Anja Rützel: "Erstmal Pöbeln, egal, was der Inhalt ist. Laut sein, um Aufmerksamkeit zu schaffen."
"You’re fired"
Trump ähnelt aber nicht nur Reality-TV-Stars. Er war auch selbst einer: Viele sehen seine Rolle als Host von "The Apprentice" in den Nullerjahren als einen Grund für seine Beliebtheit. Dort ist er vor allem für seine geschäftsmännische Kaltherzigkeit und den Satz "You’re fired" bekannt geworden. Während er damals angehende Unternehmer auf die Probe stellte, scheint er nun ein öffentliches Casting für den Posten seines möglichen Vizepräsidenten abzuhalten.
"Trump liebt Erniedrigung und veranstaltet gerade ein Schaulaufen", erklärt die Publizistin Annika Brockschmidt. Normalerweise würden mögliche Vizepräsidentschaftskandidaten von der Presse abgeschirmt. Doch Trump lasse sie öffentlich vortanzen und um seine Gunst buhlen.
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Every "You're fired!" ever (The Apprentice)
Dauerwerbesendung für eine patriarchale Vorstellungen
Völlig unpolitisch will hingegen der US-Bachelor sein, der seit mittlerweile 28 Staffeln ein Millionenpublikum erreicht und auf Social Media und YouTube an jungem Publikum dazugewinnt. Eine neue Zielgruppe für alte Werte? Nur um die Liebe soll es gehen, behaupten die Macher der Show. Doch in Wahrheit vermitteln sie ein ganz bestimmtes Lebensmodell: Denn die Show läuft auf einen Heiratsantrag hinaus.
"Der Bachelor ist eigentlich eine aufpolierte Dauerwerbesendung für eine patriarchale Vorstellung von heterosexueller Ehe", sagt Brockschmidt. Und damit ist der Hauptgrund für die Beliebtheit des Bachelors beim konservativen Publikum gefunden.
"Jesus liebt mich immer noch"
Doch was, wenn Bachelor-Kandidatinnen und -Kandidaten die neopatriarchalen Keuschheitserwartungen doch mal brechen? Dann können sie sich auf Jesus berufen, wie Bachelorette Hannah. Die hatte nach ihrer "Beichte", sie habe mit einem der Kandidaten geschlafen, für einige Schlagzeilen gesorgt, slutshaming inklusive. "Ich hatte Sex, und Jesus liebt mich immer noch", entgegnete Hannah.
Trump, der nunmehr wohl erste verurteilte Straftäter, der sich um das Amt des US-Präsidenten bewirbt, beruft sich nicht auf den Glauben, sondern auf seine Wähler: "Das wahre Urteil wird am 5. November ergehen", sagte er nach dem Schuldspruch. Der Tag der Präsidentschaftswahl. Es klingt fast wie eine Drohung.