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"L'amour toujours" Was tun, wenn Du rassistische Sprechchöre auf dem Oktoberfest hörst?

Nicht erst seit Sylt wird "L'amour toujours" von Gigi D'Agostino für rassistische Parolen missbraucht. Auf dem Oktoberfest ist das Lied nun zwar verboten, aber man muss leider davon ausgehen, dass es auch dort zu Vorfällen kommen wird. Wie also reagieren?

Von: Alba Wilczek

Stand: 20.09.2024 | Archiv

29.09.2023, Bayern, München: Tausende Wiesn-Besucher drängen sich über das Gelände des 188. Münchner Oktoberfestes. Die 188. Wiesn findet dieses Jahr noch bis zum 03.10.2023 statt. Foto: Peter Kneffel/dpa +++ dpa-Bildfunk +++ | Bild: dpa-Bildfunk/Peter Kneffel

Das Oktoberfest 2024 startet und Menschen aller Couleur treffen auf der Theresienwiese aufeinander. Es wird getrunken, gegessen und - gesungen. Aber nicht alles. Neben dem "Donaulied" ist dieses Jahr auch der Song "L'amour toujours" von Gigi D'Agostino verboten.

Ausländerfeindlicher Vorfall auf Sylt nur ein Beispiel von vielen

Ein Rückblick: Ende Mai 2024 auf Sylt grölten mehrere weiße Schicki-Micki-Jugendliche einen rassistischen Alternativ-Text auf die Melodie von "L'amour toujours". Die Videos aus dem Pony-Club gingen viral, die Empörung war groß - doch den Text "Deutschland den Deutschen, Ausländer raus" haben sich die weißen privilegierten Sylt-Gäste nicht etwa spontan bei einem Glas Dom Perignon ausgedacht. Schon im vergangenen Jahr ist der Song zu einer rechten Chiffre geworden. 

Sylt ist also nur ein Beispiel von vielen. Und nicht der letzte Vorfall dieser Art. So kam es auch beim Nürnberger Rock im Park-Festival zu ähnlichen Momenten. Und bei der Sommer-EM, genauer beim Spiel Österreich gegen die Türkei, in der österreichische Fans die rassistischen Parolen im Stadion skandierten. Am Wochenende steht nun das nächste Großereignis an: die Wiesn 2024. Dort ist der Song dieses Jahr verboten.

"L'amour toujours" auf der Wiesn: Wie gut funktioniert das Verbot?

Nicht der richtige Ansatzpunkt, wie ich finde. Ein Verbot ist zwar punktuell wirksam, eigentlich aber nur Symptombekämpfung. Denn Überraschung: Der Song ist nicht das Problem. Das Problem heißt: Rassismus. Das ist der faule Zahn, der unserer Gesellschaft gezogen werden muss. Ein Zahn, der leider tief und strukturell verwurzelt ist, und zwar – wie das Sylt-Video zeigt – in allen Schichten und Altersklassen.

Rassismus verschwindet nicht durch ein Verbot. Das heißt: Auch auf der Wiesn wird es höchstwahrscheinlich zu Vorfällen kommen. Was also tun, wenn so etwas passiert? Wir haben die befragt, die die Macht über die Stimmung im Festzelt haben: Musiker und Musikerinnen.

Oktoberfest: Wie bereiten sich Musiker auf der Wiesn vor?

Isolde Schmidt-Voigt ist Sängerin und seit 2022 Teil der "Käfer-Gang" in der Käfer Schänke. Der Gigi-Song steht 2024 definitiv nicht auf der Playlist, doch gibt es Pläne, falls es zu Zwischenfällen kommt?

"Man legt sich natürlich im Kopf Sachen zu Recht, was man unternimmt. Wenn wirklich dieser Song angestimmt werden sollte und 'Ausländer raus', wird das abmoderiert und dann direkt ein ganz anderer Song angestimmt. Man sagt den Menschen per Mikro, dass die Wiesn kein Platz für solches Gedankengut hat. Das wird auch von der Band und der ganzen Käfer-Schänke ganz klar vertreten. Ich selber war zum Glück noch nicht in der Situation, dass ich sowas abmoderieren musste."

Isolde Schmidt-Voigt, Sängerin in der Käfer Schänke

Christian Sachs ist der Chef der Kapelle "Schwarzfischer" im Schottenhamel-Zelt. Seine Antwort:

"Ich glaube, bei uns im Schottenhamel wird das nicht der Fall sein. Da sind viel Studenten und das ist vom Intellekt etwas anderes. Da hat es eigentlich nie Probleme gegeben. Aber sollte es sein, dann spielen wir natürlich. Ich versuche das dann mit Musik zu übertonen. Ich mache das seit 45 Jahren. Früher hat es mit den Securities tagtäglich irgendwelche Schlägereien geben. Und da haben wir dann immer den 'Holzhacker' oder so darüber gespielt. Damit die Leute einfach abgelenkt werden, damit das nicht noch weiter eskaliert. Im schlimmsten Falle aber haben wir ein Not-Mikrofon oben. Bei Stromausfall oder wie auch immer, greife ich zu dem und beruhige die Leute. Erfahrungsgemäß bringt das aber eigentlich nichts."

Christian Sachs, Kapellmeister Schwarzfischer

Was können wir Besuchende tun, wenn wir selbst damit auf der Wiesn konfrontiert werden?  

Solltet ihr als Privatperson einen Vorfall beobachten, haben wir auch für euch ein paar Tips: Ihr könnt die Szene dokumentieren und festhalten, wer die strafrechtlich relevanten, rassistischen Zeilen mitsingt und das Video an die Polizei als Beweismittel weitergeben. Wichtig dabei: Achtet darauf, euch nicht selbst in Gefahr zu bringen.  

Ihr könnt die Band, den DJ und/ oder die Veranstalter, die das Lied spielen, auch darauf ansprechen und zur Rede stellen. Nach der großen medialen Berichterstattung zu Sylt kann niemand mehr von sich behaupten, man hätte von der Vereinnahmung durch Rechtsextreme nichts gewusst. Und: Man kann das Lied reclaimen und eigene Parolen darauf singen. Im Netz kursieren auch schon Videos davon, wie beispielsweise in Berlin "Deutschland ist multi, alle Nazis raus" dazu gesungen wird.

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Du hast als DJ ein Mikro? Nutze es!

Als DJ muss ich mich auch immer wieder persönlich mit der Frage beschäftigen. Die After-Wiens-Parties meide ich. Aber für alle Wiesn-DJs: Kann man den Song noch spielen? Ja, ABER: Bitte den Song mit seinem Kontext nicht einfach so blind in den Raum hineinschmeißen. Du hast als DJ ein Mikro? Nutze es! Denn wer kann schon sicher vorhersagen, wer was zu dem Song mitgrölt. Und es könnten ja auch Menschen in der Crowd sein, die dadurch getriggert werden, oder den Song, egal mit welchem Text, als rechte Chiffre verstehen. 

Für mich persönlich klingt die Option "einfach nicht spielen” am besten. Es gibt noch hundert andere Partybanger dieses Kalibers, und: Der Song hat ohnehin eine problematische Background-Story: Den Refrain in "L'amour toujours" singt der britische Soul-Sänger Ola Onabulé. Für die Session Ende der 90er, bei der er zusammen mit Gigi D'Agostino am Text und an der Gesangsmelodie des Songs mitgearbeitet hat, hat er damals umgerechnet nur 1.275 Euro bekommen. Und D'Agostinos Team hat Onabulé anschließend weder darüber informiert, dass sie seine Stimme nun tatsächlich für den Song genutzt haben, noch, dass der Song zum Welthit geworden ist.  

Ein Verbot besiegelt die Vereinnahmung des Songs durch die Rechtsextremen

Das Verbot ist trotzdem das falsche Signal. Es verschiebt den Fokus im Kampf gegen Rechtsextremismus und besiegelt die Vereinnahmung des Songs durch die Rechtsextremen. Anstatt zu versuchen, Songs zu canceln, sollten wir uns lieber mit nachhaltigen Ansätzen beschäftigen: wählen gehen, politisch aktiv werden, Alltags-Rassismus bekämpfen. Amour Toujours? Liebe, immer, überall? Nein. Hass können wir nicht allein mit Liebe begegnen. Aber auch nicht allein mit Verboten.