Mord an Healthcare-CEO Warum wird ein mutmaßlicher Mörder gefeiert?
Vor gut einer Woche wurde der CEO der größten Krankenversicherung der USA auf offener Straße erschossen: Brian Thompson. Kurz danach nimmt die Polizei den mutmaßlichen Täter fest: Luigi Mangione. Das Internet feiert ihn seit der Tat als Rächer - oder findet ihn einfach nur hot.
Eigentlich war mein Eindruck, wir als Gesellschaft hätten uns darauf geeinigt, dass es manche Dinge gibt, die absolut nichts rechtfertigen kann. Zum Beispiel ein Mord. Doch das Internet ist da momentan anderer Meinung.
Wie ein Popstar
Verliebt in einen Kriminellen wie Britney Spears in ihrem Song "Criminal" singt. So könnte man das, was da seit etwa einer Woche im Netz abgeht sehr gut beschreiben. Am 4. Dezember wurde Brian Thompson, der CEO von UnitedHealthcare, der größten Krankenversicherung US-Amerikas, auf offener Straße hingerichtet. Der Täter ist geflüchtet, aber schnell gibt es Bilder einer Überwachungskamera. Darauf zu sehen: ein Mann in einem losen sitzenden Hoodie, mit halb verdecktem Gesicht, verschmitzt grinsend und die Tasche cool über der Schulter tragend. Innerhalb von kürzester Zeit ist das halbe Gesicht des Täters auf jeder erdenklichen Plattform präsent. Und die Kommentare sind ungezähmt.
"Braucht er noch einen Ort, wo er unterkommen kann?”, schreibt ein User auf Instagram. “Ich hoffe, es geht ihm gut", eine andere Userin auf Tiktok. Und ein paar Kommentare darunter noch jemand: "SMASH!” Wie bei einem Popstar rastet das Internet aus. Dass es sich hier um einen gesuchten Mörder handelt? Irgendwie unwichtig. Aus mehreren Gründen.
Ein Täter mit Motiv?
Nach fünf Tagen nimmt die Polizei in einem McDonalds in Pennsylvania einen mutmaßlichen Täter fest. Luigi Mangione, 26, aus gutem Hause, nicht vorbestraft und Ivy League Student. Auch das Motiv wird schnell publik: Mangione war Anti-Kapitalist - mit sehr viel Hass auf das Gesundheitssystem. In einem Manifest erhebt er schwere Anschuldigungen, etwa, dass Krankenversicherungs-Unternehmer wie Brian Thompson es “verdient” hätten”, zu sterben. Dass die USA das teuerste Gesundheitssystem weltweit hätten und bei der Lebenserwartung nur auf Rang 42 stünden.
Seitdem läuft das Internet heiß, diskutiert schnell intensiv über den Mord und die Motive. Ein User auf der Plattform X schreibt etwa:
"Wenn man einen Mann auf der Straße erschießt, ist es Mord. Wenn man Tausende im Krankenhaus umbringt, indem man ihnen die benötigte Behandlung verweigert, ist man Unternehmer."
User
Während manche an die Vernunft in Anbetracht der Tat appellieren, feiern viele den mutmaßlichen Mörder als Rächer. Auf Deutschlandfunk Kultur erklärt Kriminalexpertin Sabine Rückert dazu:
"Er ist sehr klug, gut ausgebildet und kommt eigentlich nicht von unten. Trotzdem geht er gegen die da oben vor. In einem ungerechten System muss man das Recht in seine eigene Hand nehmen. Das ist seine Botschaft. Deswegen hat er ja auch die Kugeln beschriftet mit den Vorwürfen, die er gegen die Krankenversicherung hat."
Sabine Rückert, Kriminalexpertin und stellvertrende Chefredakteurin der ZEIT
Neben seinen Motiven geht es aber auch viel um die Attraktivität von Luigi Mangione. So entspricht der mutmaßliche Täter mit seinen schwarzen kurzen Haaren, seinem schlanken, muskulären weißen Körper genau dem, was viele anscheinend super hot finden. Hier ist ein Phänomen zu erkennen, das uns fast täglich begegnet: Pretty Privilege. Das Privileg eines Attraktiven Aussehens.
Schönheit bringt Vorteile
Pretty Privilege beschreibt den Zustand, dass schöne Menschen im Leben tendenziell Vorteile erleben. Bessere Noten zum Beispiel, oder mehr Aufmerksamkeit vom Uni-Professor und ja sogar bessere Gehaltsangebote im Job. Wen die Gesellschaft als attraktiv ansieht, dem werden tendenziell positivere Persönlichkeitseigenschaften zugetraut. Und umgekehrt unattraktiveren Menschen eben negativere. Das ist natürlich total unfair. Und auch rassistisch.
Denn: Pretty Privilege ist tendenziell ein weißes Privileg. In den meisten Ländern gilt immer noch das westliche Schönheitsideal. Auch in den USA. Auch innerhalb des Justizsystems. so sitzen in US-amerikanischen Gefängnissen fast fünf mal mehr Schwarze Männer als weiße. Eine Studie von Michael G. Efran aus dem Jahr 1974 hat festgestellt, dass es Pretty Privilege in der Justiz gibt: so erhalten Kriminelle im Vergleich zu “unattraktiven” Kriminellen für das selbe Verbrechen eher mildere Strafen.
Mord bleibt Mord
Als Begründung erklärt Michael Efran in der Studie, dass die attraktiven Kriminellen ja bessere Aussichten für die Zukunft hätten. Das ist crazy! Luigi Mangione ist nicht der erste Fall in der Geschichte, bei dem ein attraktiver Krimineller zum Objekt der Begierde, ja gar zum Sexsymbol wurde. Man denke nur an Serienmörder Ted Bundy, der in den 70ern junge Frauen und Mädchen tötete und massiv romantisiert und sexualisiert wurde. Oder für die Digital Natives: an das Model Jeremy Meeks, der 2014 für Gangkriminalität ins Gefängnis kam. Hier gibt es eine gute Zusammenfassung zu den Fällen. Mangione, Bundy und Meeks gelten alle drei als attraktiv. Allesamt aber sind sie Kriminelle. Einer von ihnen sogar Mörder, der zweite ein mutmaßlicher. Und das ist, egal bei welchem Motiv eine Tat absoluter Niedertracht und Kälte.