Als Will Kaufman sich im Sommer 2014 im Woody-Guthrie-Archiv in Tulsa, Oklahoma durch Hunderte Notizbücher wühlt, hat er noch keine Ahnung, was er auslösen wird. Der Anglistik-Professor der University of Central Lancashire ist eigentlich hier, um für ein Buch zu recherchieren. Fast nebenbei findet er in den Schriften des Folksängers etwas, was er zunächst für nicht mehr als eine Kuriosität hält: "Mir ist aufgefallen, dass Woody in seinen Notizbüchern etwas über seinen Vermieter Fred Trump geschrieben hat. Damals dachte ich nur: Oh, das ist interessant, was für ein Zufall, Woodys Vermieter war der Vater dieses großmäuligen Immobilienmagnaten, der ständig in der Fernsehsendung 'The Apprentice' zu sehen war."

Will Kaufman

Will Kaufman schreibt sich auf, was Woody Guthrie über Trump Senior dachte. Aber er sieht keine Notwendigkeit, seinen Fund öffentlich zu machen. Das ändert sich anderthalb Jahre später: „Als Donald Trump seine Kandidatur für die Präsidentschaftswahl 2016 ankündigte und Dinge sagte wie: ‚Das Vermächtnis meines Vaters ist mein Vermächtnis‘, da habe ich mich an diese Notizen auf meinem Computer erinnert, und dann dachte ich: Okay, ich muss öffentlich machen, was Woody über dieses ‚Vermächtnis‘ zu sagen hatte", rechtfertigt sich Will Kaufman.

Diese Zeilen brachte Woody Guthrie vor 70 Jahren zu Papier, 1954, zwei Jahre, nachdem er mit seiner Familie zur Miete gewohnt hatte in Beach Haven: Ein Apartment-Komplex in Brooklyn, New York, der Fred Trump gehörte – der sich offenbar nicht weniger rassistisch verhielt als der Sohnemann heute. Und der mit Guthrie ausgerechnet den Musiker zu seinen Vermietern zählt, der mit “This Land Is Your Land” so etwas wie die inoffizielle Hmyne der USA geschrieben hat – eine Hymne für alle Amerikaner, auch die Mittellosen.

Afroamerikaner bekamen bei Fred Trump keine Wohnungen

Es waren riesige, aber schlichte Wohnblöcke, die Fred Trump nach dem Zweiten Weltkrieg in New York mithilfe staatlicher Förderung gebaut hatte. Wohnblöcke für Arbeiter und Angestellte, die gerade so über die Runden kamen mit ihrem Geld, darunter auch die vielen aus dem Zweiten Weltkrieg heimkehrenden Veteranen. Woody Guthrie war einer dieser Veteranen. Genauso wie Hunderttausende Afroamerikaner. Die bekamen in Beach Haven im Gegensatz zum Weißen Guthrie allerdings keine Wohnung. Fred Trump ließ ihnen ausrichten, dass es derzeit keine freien Wohnungen gäbe, oder nannte ihnen Mondpreise.

Die Rassentrennung in den USA war da erst seit ein paar Jahren Geschichte. Rassismus und Diskriminierung nach wie vor allgegenwärtig. War Fred Trump also nur ein Kind seiner Zeit? Will Kaufman hat dazu eine eindeutige Haltung: „Es gab damals eine Menge Rassismus, aber gleichzeitig gibt es genügend Beispiele aus der Zeit, wie sich Menschen dagegen gewehrt haben. Man kann also durchaus Leute für ihren Rassismus anklagen. Denn auch der Widerstand gegen den Rassismus gehört zum Zeitgeist – und Woody Guthrie war Teil dieses Widerstands.“

Folksänger Guthrie war dermaßen angewidert von Fred Trump, dass er immer wieder über ihn schrieb. Den Song „Old Man Trump“ nahm Guthrie allerdings nie auf und spielte ihn auch nie live. Erst der Songwriter Ryan Harvey formte aus Fragmenten einen fertigen Song.

Und das kam so: Als Donald Trump sich 2016 daran macht, US-Präsident zu werden, entscheidet Kaufman sich, über seinen Archiv-Fund zu schreiben. Der Artikel geht sofort viral: „Ich war überrascht, wie schnell er sich verbreitete, er wurde auf der ganzen Welt nachgedruckt. Die Menschen interessierten sich offenbar dafür, was Woody Guthrie aus dem Jenseits zu sagen hatte. Dann hat es die Kulturindustrie aufgegriffen, Talkshows haben es aufgegriffen. Und ich saß einfach nur hier rum und dachte: Oh wow, das hat sich schnell herumgesprochen. Am Tag nach der Veröffentlichung bekam ich eine E-Mail von Nora Guthrie, Woodys Tochter, und sie sagte: Na, da hast du ja was losgetreten?!“

Auch Woody Guthrie wurde rassistisch sozialisiert

Der Apfel fällt nicht weit vom Stamm, könnte man jetzt sagen: Donald Trump wurden offenbar von Kindheitstagen an rassistische Stereotypen in den Kopf gesetzt – von denen er sich bis heute nicht befreit hat. Wovon man sich zuletzt bei seinem Auftritt im TV-Duell gegen Kamala Harris überzeugen konnte, als Trump Lügen über Migranten in Springfield, Ohio verbreitete. Dass Erziehung keine Einbahnstraße sein muss, zeigt aber ausgerechnet Woody Guthrie: Denn dessen Vater Charles war nicht weniger rassistisch als Fred Trump, er sympathisierte mit dem Ku-Klux-Klan, schrieb rassistische Pamphlete und Zeitungsartikel. Das hielt Woody nicht davon ab, zu einer der prominentesten Stimmen der Armen und Unterdrückten zu werden. Und zum Ankläger von Menschenfeinden wie Fred Trump.

Hier gibt es noch zwei weitere Versionen des Songs "Old Man Trump", geschrieben von Woody Guthrie:

U.S. Elevator (2017)

Kalup Linzy (2020)